Exerzitien - das Leben beleben. Willi Lambert

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Exerzitien - das Leben beleben - Willi Lambert Ignatianische Impulse

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Martin Buber weist darauf hin, dass wir, dass alles nur lebt in und durch Beziehung; durch Beziehung mit andern, mit der Natur, mit uns selber – und mit Gott, dem Ursprung allen Seins. Ein wenig buchstabenspielerisch kann man neun menschlich-existentielle Stationen des Lebensweges mit Zwischenüberschriften überschreiben, die allesamt mit »G« beginnen. Es sind dies auch die geistlichen Landschaften des Exerzitienweges. Wo jemand gerade steht, welche geistlichen Schritte »dran« sind und welche Wandlungen, das zeigt sich auf dem Weg.

       Geschaffen

      »Der Mensch ist geschaffen.« Mit dieser Aussage beginnen die Exerzitien. Geschaffen sein heißt, alles, was wir sind, wahrzunehmen: unsere Wirklichkeit, unsere Freuden und Schmerzen, unsere Erfüllungen und unsere Begrenztheiten, unsere Hoffnungen und Befürchtungen, unsere Lebensgeschichten, unser Suchen und Finden, unser Leben und Sterben. Was hier in allgemeinen Begriffen benannt wird, lässt sich in tausend Geschichten erzählen. – Was löst dieser Blick in uns alles aus? Staunen, Erschütterung, Dankbarkeit, Lobpreis, Aufstöhnen, Fluchen, Ehrfurcht, Anbetung, Lieben? Und was »gibt« mir die Botschaft Jesu, wir seien Geschöpfe, Kinder, Söhne und Töchter Gottes und untereinander Geschwister; und Gott habe »Wohlgefallen an uns«? (vgl. Ps 18,20).

       Gefallen

      Die Welt wird nicht als permanenter Idealzustand erfahren, sondern als »gefallene Welt«. Als Welt, die in ihrem Wahnsinn dem Ursinn und ihren Möglichkeiten nicht entspricht. Kennzeichen dieser Welt sind vielfach: Machtgier, Lügen, Gewalttätigkeit, Grausamkeit, Gleichgültigkeit, Beziehungslosigkeit, Sucht, Verzweiflung, »die Hölle auf Erden«, wie manche sagen. Dies ins Bewusstsein kommen zu lassen mit dem Verwoben-Sein in ein Netz der Lebensfeindlichkeit und Liebesarmut (»Erbsünde«), mit Verletzungen, die man erlitten oder zugefügt hat, abgeleugnete Eigenschuld, Unversöhntsein, das ist eine harte Schule der Wahrheitsfindung; sie kann im biblischen Sinn aber auch erfahren werden als »Wahrheit, die freimacht« (Joh 8,32). Lebbar ist dies nur im Vertrauen auf Gottes Geist.

       Gerettet

      Die Rettung aus Seenot bzw. der Untergang von Menschen im Mittelmeer wird uns seit Jahren fast täglich vorgeführt. Es gibt Todesdrohung nicht nur auf den Meeren der Zeit, sondern in vielen Situationen, Lebensnöten, Missbrauchserfahrungen, Grausamkeiten, die einem die »Lust am Leben« genommen bzw. erst gar nicht entstehen haben lassen. Zugleich aber gibt es Menschen, die durch das Zusammenspiel von Barmherzigkeit und Gerechtigkeit Befreiung und Rettung erfahren von den Götzen der Leistung, der Anerkennungssucht und der Selbstverherrlichung. Das Evangelium ist voll von Geschichten der Vergebung, Verzeihung, Erbarmung (vgl. Lk 15). »Wir bitten euch an Christi statt, lasst euch mit Gott versöhnen«, so schreibt Paulus (2 Kor 5,20).

       Geliebt

      Der Weg der Exerzitien will nur eines: Liebe leben lernen – von Christus, in dem »die Güte und Menschenliebe Gottes, unseres Retters, erschienen ist« (Tit 3,4). Jede biblische Betrachtung ist im Grunde eine Liebesgeschichte. Und Jesus selber zeigt sich im Heiligen Geist als »Weg, Wahrheit, Leben«, als konkrete Liebe (Joh 14,6). Die Tiefe und Weite dieses Geschehens findet sich in der »Betrachtung, um Liebe zu erlangen« (EB 230–237).

       Gerufen

      Jesus ruft Menschen zu sich auf den Weg der »Nachfolge« und in seine Gemeinschaft, damit sie so Menschen seines Geistes werden. Er lässt sie miterleben, was er und wie er lebt; wie er redet, betet, empfindet, handelt, dient und ein Beispiel gibt. »Christus erkennen, lieben, nachfolgen« – dies ist die Richtung, die Ignatius in den Exerzitien mit auf den Weg gibt. Auf diesem Weg kann Befreundung wachsen, wie Christus sagt: »Ich nenne euch nicht mehr Knechte … vielmehr habe ich euch Freunde genannt, denn ich habe euch alles mitgeteilt, was ich von meinem Vater gehört habe« (Joh 15,15).

      Gerufen sein heißt, sich zum »Ja« Jesu zu entscheiden, der das Ja zu allen Verheißungen Gottes ist und in dem auch wir das »Ja« und »Amen« zu Gott sagen können. In seinem Geist sind wir Gemeinschaft, Leib Christi, Kirche und »nicht Herren des Glaubens, sondern Mitarbeiter zur Freude« (vgl. 2 Kor 1,15–24).

       Gekreuzigt

      »Wer nicht sein tägliches Kreuz auf sich nimmt, kann nicht den Weg mit mir gehen!« (Lk 9,23). Dies bedeutet nicht, tägliche Folterung zu ertragen, aber doch manchen Kampf durchzustehen – um der Wahrheit und Liebe willen. Die Seligpreisungen sind Situationen der Nachfolge Jesu Christi. Es gilt, mit Spannungen gut zu leben zu versuchen und das Wort zu beherzigen: »Einer trage des anderen Last, so erfüllt ihr das Gesetz Jesu Christi« (Gal 6,2). Freilich kann es auch einmal bedeuten, am Kampf auf dem Ölberg teilzunehmen, wo einen das Leben und die Sendung, in der man lebt, »ins Schwitzen bringen« und zu entgleiten drohen. Die Worte des Gekreuzigten »Mich dürstet«, »Vater, warum hast Du mich verlassen?« können einem da nahekommen. Vielleicht aber auch: »In deine Hände lege ich meinen Geist«, vielleicht kann da eigenes Leben zum Ausdruck kommen.

       Geweckt

      Es gibt nicht nur das morgendliche Verschlafen oder Aufwecken. Man kann auch das Leben verschlafen auf vielfache Weise: vor lauter Übermüdung, vor Dummheit, vor Angst, vor Uninteressiertheit, Hoffnungslosigkeit. Eine zentrale Erfahrung der Jünger Jesu war: Er ist auferweckt worden und wir mit ihm. Das heißt, dass der Tod nicht das letzte Wort hat. Christliche »Lebensanschauung« lebt mit der Hoffnung, dass die Liebe stärker ist als Sünde und Tod. – Wo erfahren wir, was wir singen: »Manchmal feiern wir mitten im Tag ein Fest der Auferstehung« (Gotteslob 472)? Überall dort, wo Lieben geschieht, wo wir Versöhnung suchen, wo wir die Hoffnung nicht mit dem Tod sterben lassen: »Weil wir einander lieben, wissen wir, dass wir vom Tod ins Leben übergegangen sind. Wer nicht liebt, bleibt im Tod« (1 Joh 3,14).

       Gesandt

      Gesandt sein heißt, einen Auftrag zu erfüllen, für andere ein Evangelium, d.h. eine frohe Botschaft, zu sein. Mag sein, dass wir uns als Gesandte, wenn auch nicht immer als sehr geschickte, erfahren; in jedem Fall sind wir füreinander Botschaft, gute oder manchmal auch schlechte. Wir sind es in allem: in unserer Ausstrahlung, unseren inneren Haltungen, unserm Reden und Tun und Verhalten. Missionarisch sein heißt, das, was einem Leben und Freude und Hoffnung schenkt, zu teilen, mitzuteilen. »Die Liebe besteht im Mitteilen von beiden Seiten« (EB 231), schreibt Ignatius.

       Geerdet

      Geerdet, das meint, dass alle »hohen Gedanken«, tiefen Einsichten, Erkenntnisse, Vorsätze, Projekte, außerordentlichen Tage wie etwa Exerzitien sich im Ernstfall des Lebens, d.h. im Alltag, bewähren müssen. »Und das Wort ist Fleisch geworden«, heißt es (Joh 1,14) und auch: »Was schaut ihr zum Himmel?« (Apg 1,11). – Er »ist von den Toten auferstanden und siehe, er geht euch voraus nach Galiläa, dort werdet ihr ihn sehen« (Mt 28,7). Gott ist vor Ort. Er ist »in allem«, wie Ignatius schreibt: in allem Reden, Denken, Tun, Lassen, Atmen, Arbeiten, Ruhen und in allen Lebensphasen. »Dort« werdet ihr ihn finden. Dieses Sehnen und Suchen und Erfahren von Gegenwärtigkeit geschieht in der Bis-Zeit. So wie es in der Eucharistie heißt: »Geheimnis des Glaubens – deinen Tod, o Herr, verkünden wir und deine Auferstehung preisen wir, bis du kommst in Herrlichkeit.«

      »Wie wird es diesmal gehen?«, das fragen auch Menschen, die schon öfters auf dem Exerzitienweg waren. Wie wird es sein mit der »Dreiecksgeschichte« von mir, Gott und dem begleitenden Menschen? Die 20 Vorbemerkungen des Exerzitienbuches haben diese Fragen zum Inhalt: Die Haltung und das Verhalten der begleitenden Person soll zuhörend, freilassend, ermutigend, hinweisend, fragend, nicht ausforschend und der Individualität der Einzelnen entsprechend sein. Die Begegnung soll auf gleicher Augenhöhe geschehen und sie soll vor allem darauf vertrauen, dass Gottes Geist tragend und leitend ist.

      Gott

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