Geist & Leben 2/2021. Verlag Echter

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Wissens über die Mystik, also in der Außenperspektive und nicht in der Innenperspektive lesen. Und das gilt nicht nur für die Mystik, sondern oft genug für Aussagen des Glaubens überhaupt.

      Dieser Wechsel der Perspektive mag auf den ersten Blick harmlos erscheinen, ist es aber nicht. Denn in der Außenperspektive wird der Wahrheitsanspruch einer Glaubensüberzeugung in Klammern gesetzt. Nehmen wir ein Beispiel: Teresa von Avila spricht von ihrer mystischen Begegnung mit Christus. Diese ist für sie eine Wirklichkeit, eine Erfahrung. Religionswissenschaftler(innen) oder Theolog(inn)en, die keine mystischen Erfahrungen haben, können darüber nur in der Außenperspektive sprechen. Sie sagen – genau genommen – nicht: „Christus ist Teresa erschienen“, sondern nur „Teresa war überzeugt, dass ihr Christus erschienen ist“. Das kann sogar ein(e) Atheist(in) sagen, denn der Geltungsanspruch der mystischen Erfahrung ist in Klammern gesetzt, „entzaubert“ – wie Habermas sagt.

      Was haben diese Überlegungen mit gelebter Spiritualität und Seelsorge zu tun? Ich meine: sehr viel. Dass in unserer Gesellschaft die religiöse Rede eine große Herausforderung darstellt, ist nicht neu. Was Jürgen Habermas anspricht, wird dabei allerdings kaum in Rechnung gestellt. Es ist zuzugeben, dass es manchmal gut, ja unumgänglich sein kann, in der Außenperspektive zu sprechen, einfach wiederzugeben, was andere im Glauben erfahren und erkannt haben. Oder was in der Bibel berichtet wird. Dabei kann die Frage, ob es das gibt, wovon erzählt wird, offenbleiben. Aber früher oder später stellt sich dann doch die Frage, wie es wirklich war, oder ob es das geben kann, wovon die Rede ist. Und das heißt: Man muss von der Außen- in die Innenperspektive wechseln.

      Damit ist aber klar, dass eine universitäre Ausbildung für die Seelsorge, geistliche Begleitung, Exerzitien, Predigt usw. allein nicht genügt. Theologie an der Universität erhebt den Anspruch, Wissenschaft zu sein. Zumal heute will sie dadurch ihren Platz im Haus der Wissenschaften sichern. Deshalb wird sie über Gott in der Regel – nicht anders als die Religions- oder Kulturwissenschaften – in der Außenperspektive sprechen. Das schließt nicht aus, dass Vortragende dann und wann auch in der Innenperspektive ihren Glauben erkennen lassen. Das auch, weil es für Studierende manchmal irritierend ist, dass der Glaube so distanziert thematisiert wird. Erst recht gilt das für die Seelsorge. Wird nur in der Außenperspektive gesprochen, dann kann das Geglaubte nicht durch das Zeugnis als Wirklichkeit zur Sprache kommen. Ob es gilt, bleibt unklar.

      Wo aber lernt man das Sprechen in der Innenperspektive? Manche werden ein solches Sprechen als Fundamentalismus zurückweisen. Zu Unrecht, denn in diesem Fall wäre ja auch die Bibel durch und durch fundamentalistisch. Andere werden sich mit einem wissenschaftlichen Studium begnügen und für die Seelsorge ungeeignet sein. Wer nur referiert, was andere im Glauben gesagt haben, bleibt im entscheidenden Augenblick das Wesentliche schuldig. Schließlich gibt es die Möglichkeit, dass Absolvent(inn)en eines Studiums zwar in der Innenperspektive des Glaubens sprechen, aber auf ungeübte, vielleicht auch peinliche Weise. Anders gesagt: Der Übergang von der Außenperspektive zur Innenperspektive ist ein entscheidender Ort, um sich klar zu werden, worum es im Glauben eigentlich geht und wie es um den eigenen Glauben steht. Die Suche nach den rechten Worten ist die Suche nach der „Sache“. Man darf sie sich nicht ersparen. Wenn es um Gott geht, genügt es nicht, sagen zu können, wie Thomas von Aquin von ihm spricht oder Henri de Lubac – auch ich selbst muss sagen können, wer Gott ist. Das wird mir durch den Glauben abverlangt und natürlich auch durch die Seelsorge.

      Nur durch mein Sprechen in der Innenperspektive, also durch mein Zeugnis kann ich vermeiden, dass die Weitergabe und Aneignung unserer christlichen Tradition – mit den Worten von Jürgen Habermas – zugleich ermöglicht und vernichtet wird. Nur so gewinne ich Klarheit über meinen Glauben und kann ich für andere eine Stütze im Glauben werden.

      1 J. Habermas, Politik, Kunst, Religion. Stuttgart 1978, 133.

       Edith Kürpick FMJ | Köln

      geb. 1967, Priorin der Monastischen Gemeinschaft der Schwestern von Jerusalem, Köln, Beiratsmitglied von GEIST & LEBEN

       [email protected]

      Viele starten regelmäßig mit einer Reihe guter Vorsätze ins neue Jahr. Dazu gehört nicht selten auch die Absicht, in Zukunft wirklich mehr Sport zu machen. Für einen guten Vorsatz braucht es oft eine kleine Motivationshilfe. Und weil Sport ja durchaus etwas Ganzheitliches ist und nicht nur die Muskeln, sondern auch Geist, Herz und Verstand betrifft, soll hier ein kurzes Plädoyer für eine Fahrrad-Spiritualität skizziert werden.

      Unübersehbar ist der Titel angelehnt an einen Text von Madeleine Delbrêl1. Die folgenden Ausführungen haben aber auch ein wenig bei Romano Guardini vorbeigeschaut. Im Hintergrund steht die Vermutung, dass Christsein heute, in welcher Lebensform auch immer, tatsächlich ein bisschen mehr Bewegung braucht.

      Eine kurze Vorbemerkung noch, um im Bild zu bleiben: Das Fahrradfahren verlangt einiges ab. Ob mit Gangschaltung oder ohne – in die Pedale treten muss man allemal. Ohne Selbstbewegung geht es nicht, auch wenn man fest im Sattel sitzt. Ein bisschen flexibel sollte man schon sein, denn manchmal, vor allem beim Abbiegen, ist es besser, sich mit in die Kurve zu legen. Dafür kann man aber auch etwas auf den Gepäckträger klemmen oder im Fahrradkorb mitnehmen. Und man kann, wenn man es denn kann, wunderbar freihändig fahren.

      Seit einiger Zeit ist in unseren Städten ein hässlich-praktisches Konkurrenzgerät aufgetaucht: der E-Scooter. Den Zugang dazu gewährt kein Schlüssel zu einem altbackenen Rundschloss, sondern das Smartphone. Dann geht es auch schon los, wenn er (der Akku, nicht die Beine) denn aufgeladen ist. Man steht darauf senkrecht wie eine Eins, wie mit einem unsichtbaren Brett im Rücken, und wird ohne Anstrengung unbewegt fortbewegt. Mitnehmen kann man so gut wie nichts, beugen muss man sich nicht und ins Schwitzen kommt man garantiert nicht. Man hat alles im Griff und, so scheint es, den kompletten Überblick über jede Situation, durch die man souverän hindurchrauscht. Nur eines sollte man in jedem Fall – nicht nur wegen des angedrohten Bußgeldes – tunlichst vermeiden: versuchen, freihändig zu fahren! Alles in allem vielleicht kein optimales Bild für eine heutige Spiritualität … Von daher also ein Plädoyer für die des Fahrrads.

       Nur „eine“ Spiritualität?

      Natürlich drängt sich sofort eine Rückfrage auf: Ja, gibt es denn nur eine Spiritualität? Die – richtige – Spiritualität? Die Frage ist nicht neu2 und ist hier nicht zu vertiefen. Christliches geistliches Leben soll in diesem Zusammenhang, verkürzt gesagt, verstanden werden als Widerhall, als Ankommen der Heilsgeschichte im Leben des oder der Einzelnen3 und Spiritualität entsprechend als reflektiertes und verantwortbares Leben aus eben dieser Heilsgeschichte. Die aber artikuliert sich prozesshaft: Sie bewegt sich zwischen Himmel und Erde, Gott und Menschen, Gnade und Freiheit, Aktion und Passion, aber auch Treue und Versagen, Suche und Erfüllung … Zwischen diesen Koordinaten sind wir, wenn man so will, mit unseren Rädern unterwegs.

      Christsein auf Erden meint: werden, was wir sind. Treue zu unserer Taufgnade kann es ohne Werden nicht geben. Im Prisma der Spiritualität brechen sich die Lebensfarben in vielfältigen Facetten, gezeichnet von Bewegung und Wandel. Man könnte sich fragen, ob es nicht Grundelemente gibt, die für eine Beweglichkeit und Lebendigkeit unverzichtbar sind. Oder, anders gesagt, notwendige Grundhaltungen für eine Fahrrad-Spiritualität. Vermutlich gibt es viele. Aber weil Fahrradfahren ja im Grunde kinderleicht ist, seien hier nur vier in Erinnerung gerufen.

      

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