Lebendige Seelsorge 5/2015. Группа авторов

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Lebendige Seelsorge 5/2015 - Группа авторов Lebendige Seelsorge

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Replik von Josef Römelt auf Andreas Püttmann

      Als ich aufgrund meiner Behinderung zunehmend Probleme hatte, meine Texte am Computer mit der Hand zu schreiben, schaffte ich mir eine Worterkennungssoftware an. Sie setzt das gesprochene Wort in geschriebenen Text um. Um sie zu trainieren, musste ich einen Text vorlesen, der über den Umgang von Berufsgruppen mit der deutschen Sprache handelte. Er behauptete, dass vor allem Journalisten dazu neigen, neue Worte zu erfinden – für eine Erkennungssoftware natürlich ein Problem. Es ist leichter, Gewohntes wiederzuerkennen, als Neues und Ungewohntes zu identifizieren.

      Das neue Wort vom Familismus scheint eine soziologische Erfindung zu sein. Meine Erkennungssoftware – modernste Technik – kennt diesen Begriff nicht, muss sich an dieses Wort gewöhnen. Es mag richtig sein, dass Menschen in einer Gesellschaft, die vor allem das Ungewöhnliche und das Neue wertschätzt, mit einer gewissen Härte Werte vertreten, die mit diesem Ausdruck „Familismus“ offenbar verbunden werden: Orientierung an lebenslanger Partnerschaft, Kinderreichtum und Glaubenstreue. Aber sozialwissenschaftliche Analyse lässt auch erkennen, dass der oft maßlose Druck, den die moderne Welt mit ihrer vor allem durch die ökonomischen Interessen geprägten Logik ausübt, die Lebbarkeit von Familie enorm belastet. Ist es hilfreich, die Grabenkämpfe zwischen den verschiedenen Familienformen zu vertiefen?

       EINE CHRISTLICHE DEUTUNG VON FREUNDSCHAFT UND LIEBE

      Vielleicht hilft eine Entfaltung christlicher Deutung von Freundschaft und Liebe weiter. Schon Thomas von Aquin nennt als Kennzeichen der Sakramentalität christlicher Ehe neben der Sichtbarmachung der Liebe Gottes und der Weitergabe des Lebens an Kinder die eheliche Freundschaft (!). Mit dem Wort Freundschaft versucht er, die emotionale Intimität und die gegenseitige Hilfe zu beschreiben, welche die Partner füreinander bedeuten. Genau diesen Gedanken hat das Zweite Vatikanische Konzil aufgegriffen und mit dem Wort der Freundschaft beschrieben, dass die Ehe nicht ein Vertrag, sondern ein Bund ist, den die Partner schließen (GS 49). Und es ist richtig: den Partnern helfen Freundschaften, welche ihre gemeinsame Lebenswirklichkeit nicht nur für den Austausch mit Kindern, also auf Familie im engeren Sinn hin öffnen, sondern in die weitere Vielfalt von Beziehungen. Ja, der katholische Weltkatechismus beschreibt auch das Zueinander zwischen gleichgeschlechtlichen Partnern mit dem Wort der Freundschaft, die er als selbstlos auszudeuten versucht. Was diese Selbstlosigkeit meint, darüber kann man streiten. Ob sie jegliche sexuelle Kommunikation ausschließen muss oder nicht. Aber die moderne Theologie der christlichen Ehe und Familie denkt darüber nach, dass es gerade der Kernbegriff der Freundschaft ist, welche die innere Mitte, die personale Spontanität der Liebe, das vielfältig differenzierte Engagement von Menschen füreinander in den unterschiedlichen Familienformen gemeinsam kennzeichnen.

       ALLE HABEN EINE HEIMAT IN DER KATHOLISCHEN KIRCHE

      Das ABC wirklich tiefer Freundschaft, also Vertrauen, Hingabe, Verzicht, alltägliche (auch materielle) Solidarität, aber ebenso taktvolle Distanz, gekonnte Auseinandersetzung, Mitleiden und sich mitfreuen – all das lernen wir vor allem an unseren (primären) Beziehungen. Die Entwicklungspsychologie beschreibt die erste Erfahrung solcher Beziehung am Verhältnis zu Mutter und Vater. Rein sozialwissenschaftlich-statistisch ist dabei noch immer der „Normalfall“ von Partnern mit ihren gemeinsamen Kindern gemeint. Ja, die Soziologie behauptet gelegentlich sogar, die Familienorientiertheit von Ehe und Partnerschaft käme in dem heutigen Verhalten der Menschen wieder neu zum Ausdruck, dass sie verstärkt (erst) in dem Augenblick heiraten, wenn sie ein Kind erwarten. Sicherlich: die Suche nach Alternativen, die Würde und Ehrlichkeit der verschiedenen Formen gelebter Gemeinschaft mit Kindern, mit Partnern, mit älteren Menschen, mit Freundinnen und Freunden ist ein ganz wichtiges Kennzeichen moderner Lebenskultur. Und sie bringt den moralischen „Wert“ der Freundschaft in ganz vielfältiger Form, aber ganz im Sinne ihrer grundlegenden menschlichen Bedeutung zur Geltung – noch vor den Ausfaltungen in Ehe, Leben mit und ohne Kindern, lebenslanger oder zeitweiser Partnerschaft, verschiedengeschlechtlichen und gleichgeschlechtlichen Beziehungen. Entspricht das nicht auch der christlichen Tradition, wie sie die katholische Kirche kennt?

      Eigentlich ist es dabei überhaupt nicht wichtig, ob sich dahinter die alten tiefen Spuren der natürlichen Bedürfnisse verbergen, von denen die christliche Naturrechtslehre immer wieder zu sprechen versucht. Oder ob es Versuche der Kompensation sind, mit der Menschen auf den Verlust alter, vertrauter Werte unter den belastenden oder freimachenden Bedingungen moderner Gesellschaft zu reagieren versuchen. Ob es das alte Vertraute ist oder das Neue, Ungewohnte und dadurch Lebendigkeit Schenkende. Die christlichen Familienformen mögen in ihrer unterschiedlichen Ausprägung einmal das eine, dann wieder das andere stärker zum Ausdruck bringen. Sie haben alle eine Heimat in der katholischen Kirche. Dabei macht es auch nichts, wenn mitunter Extreme vertreten werden. Theologie und Kirche haben die Kraft, sie zu integrieren. Und wenn schon moderne Technik – ich erinnere noch einmal an meine Sprachsoftware, ein Wunder fortschrittlichster Erfindung und menschlicher Kreativität – am Alten, Gewohnten entlang das Neue aufzunehmen lernt, darf das dann nicht auch die Kirche in genau diesem Sinne tun?

      So möchte ich mit einem dreifachen Hurra schließen: einem Hurra auf die Freundschaft, einem Hurra auf die Freundschaft in der Familie und einem Hurra auf die Familie!

       Der Spagat der Theologen

      Die Replik von Andreas Püttmann auf Josef Römelt

      Dem Beitrag von Josef Römelt kann ich weitgehend zustimmen. Mir fehlt allerdings eine klare Antwort auf die Titelfrage, ob die Familie nun „kirchlich unter- oder überschätzt“ werde. Insgesamt fällt mir als Politologe der um Harmonisierung bemühte Duktus auf. An einigen Stellen fordert er meinen Einspruch heraus.

      Dass „die Übernahme und Gestaltung einer gleichgeschlechtlichen Lebensform der freien Bestimmung der Betroffenen anvertraut“ sei und diese sich „dazu entscheiden, homosexuell zu sein“ – wie „bei den vielen anderen Seiten der eigenen Biografie: Berufswahl, Wahl des Wohnortes oder Ähnliches“, halte ich für eine emanzipatorisch-liberale Fiktion. In der Regel dürfte doch eine schicksalhafte Disposition vorliegen und nicht eine „Wahl“, „Entscheidung“ oder „übernommene“ „Lebensform“. Diese Diktion spielt jenen Realitätsverweigerern in die Hände, die Homosexuellen eine willentliche Auflehnung gegen Gottes Schöpfungsordnung vorwerfen.

      Auch die den „bedrängenden Vorgaben“ der Kirche positiv entgegengestellte „Vielfalt im Erleben von Sexualität“ halte ich für semantisch problematisch. „Vielfalt“ gilt in unserer pluralen Gesellschaft als erstrebenswert und ist notfalls sogar regulativ zu fördern: Artenvielfalt durch den Naturschutz, Angebotsvielfalt durch das Bundeskartellamt, Meinungsvielfalt durch die Kommunikationsgrundrechte usw. Kann es aber sinnvoll sein, sexuelle Vielfalt zu fördern? Ich meine nicht. Es kann nur darum gehen, in der Natur vorgefundene sexuelle Verschiedenheit in einem menschenfreundlichen Klima der Toleranz zu akzeptieren und den Einzelnen das Beste daraus machen zu lassen.

       PARTNERSCHAFTSGESTALTUNG?

      Die Frage „Führt die versuchte Offenheit intimer Beziehungen (Anm.: Umschreibung für Promiskuität?) wohl auch zu Phänomenen psychischer Ausnutzung und Erschöpfung? Der fehlende Mut zur Bindung zur Vertiefung der Einsamkeit der Menschen – mitten in aller Offenheit der Intimität – bis hin zur Isolation?“ sollte nicht nur gestellt, sondern bejaht werden. Wenig sinnvoll erscheint mir die Feststellung „Wer sich z.B. zu einer gleichgeschlechtlichen Lebensgestaltung entschließt, drückt darin zugleich auch den Verzicht darauf aus, Kinder mit einem Partner (auf natürliche Weise) zu zeugen und ins Leben zu begleiten“. Sollten etwa Homosexuelle um einer Elternschaft willen lieber heterosexuell

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