Geist & Leben 3/2018. Verlag Echter

Чтение книги онлайн.

Читать онлайн книгу Geist & Leben 3/2018 - Verlag Echter страница 4

Geist & Leben 3/2018 - Verlag Echter

Скачать книгу

durch äußere Ereignisse ausgelöst werden können, wenn die Grenzen von einer ganz anderen, überraschenden Seite her überwunden werden. Gott ist ein Gott der Überraschungen. Da ist Geduld gefragt, mit Hoffnung kombiniert und zwar deswegen, weil zum Überraschungscharakter des göttlichen Handelns gehört, dass es sich der Manipulation und Prognose entzieht.

      Wenn der Ohnmachts-Zorn hingegen zur Verzweiflung über die eigene Ohnmacht oder über das Schweigen Gottes führt, dann verhärtet er sich ideologisch und landet in der Gewalt. Gewalt ist ja die Außenseite der Verzweiflung über die eigene Ohnmacht, und letztlich auch Verzweiflung hinsichtlich der Handlungsmöglichkeiten eines geschichtlich agierenden Gottes. Das ist dann auch die Stelle, an der sich die Extreme von Ohnmachts-Zorn und Ego-Zorn treffen. Der Ohnmachts-Zorn beginnt zwar mit dem Zorn über die Leiden anderer und die Übermacht der ungerechten Verhältnisse, die das Leiden hervorbringen, aber er endet dann doch in einem narzisstischen Leiden an der eigenen Ohnmacht.

      In den Unterscheidungsregeln macht Ignatius zu Beginn eine scharfe Trennung zwischen denjenigen Personen, die „vom Guten zum Besseren“ unterwegs sind (GÜ 315), und denen, die vom Schlechten zum Schlechteren schreiten. Zu denletzteren spricht der Geist Gottes, indem er ihnen „durch die Stimme der Vernunft mit Gewissensbissen hart zusetzt“ (GÜ 314); man darf ergänzen: durch Erfahrungen absoluter Grenzen, durch Scheitern von Lebensplänen, so wie es Ignatius ja selbst in seiner Konversion erlebte. Umgekehrt zeigt sich der „böse Feind der menschlichen Seele“ bei den Personen, die auf dem Weg vom Schlechten zum Schlechteren sind, dadurch, dass er ihren Weg bestätigt (vgl. GÜ 314). Der Ego-Zorn ist ein Bestätigungs-Gefühl für den Ego-Zornigen. Er führt die Aufpasser in der Synagoge von Kafarnaum zum Tötungsbeschluss – und kann deswegen kein Gefühl sein, das vom „guten Engel“ kommt. Die Verblendung kann nur im Sinne der Unterscheidungsregel (GÜ 314) durch schmerzliche Interventionen von außen aufgelöst werden.

      IV.

      Das positive Modell für den Empathie-Zorn ist neutestamentlich: Jesus. An ihm lässt sich nachvollziehen, wie Empathie-Zorn zu größerer Liebe führt. Auch für die ambivalente Situation des Ohnmachts-Zorns steht Jesus als positives Modell, wenn es darum geht, sich durch ihn nicht verführen und verblenden zu lassen. Ob in der Synagoge zu Kafarnaum, bei den weiteren Auseinandersetzungen mit den religiösen Autoritäten seiner Zeit oder schließlich in der Ohnmachtssituation am Kreuz – Jesus bleibt der Empathie-Liebe treu und erfährt so in der Annahme des Willens Gottes einen Trost, den er weitergibt. Die Auseinandersetzungen mit den Jüngern kreisen hingegen vor allem um die Ambivalenzen des Ohnmachts-Zorns, welche die Jünger überfordern; sie bedürfen deswegen des Vorbildes Jesu und seiner Unterweisung, und gelegentlich auch seiner Zurückweisung.

      Am Beispiel von Paulus wird besonders deutlich, wie eine Verblendung aussieht, die nur durch Intervention von „außen“ aufgelöst werden kann – in diesem Fall die Verblendung eines Fanatikers, der meint, einen heiligen Gottesdienst zu vollziehen, wenn er Apostaten (die Jünger Jesu) verfolgt und tötet. Die äußere Gestalt des Ego-Zorns lässt sich auch an der exzessiven Kränkungsanfälligkeit der statusbewussten Vornehmen und Mächtigen erkennen, wie sie das Evangelium berichtet. Auch hier bedarf es der Intervention von außen – denn auch hier muss eine Machtfrage geklärt werden. Die harten Töne, die Jesus gegen diese Personengruppen anschlägt, entsprechen dem Ruf des Gottes an diejenigen Personen, die auf dem Weg vom „Schlechten zum Schlechteren“ sind. Deswegen sind Jesu harte Worte letztlich Ausdruck der Empathie Gottes. Gott „verdammt“ die in narzisstischer Verblendung lebenden Personen nicht, sondern tut alles, was er kann, um sie aus ihrer Verblendung zu befreien.

      Mit Blick auf Gott bleibt schließlich die Frage nach der Herkunft des Bösen offen, also nach den tieferen Hintergründen hinter dem Ego-Zorn, dem Jesus seinerseits „voll Zorn und Trauer“ in der Synagoge von Kafarnaum begegnet. Vielleicht ist das ja eine Ur-Falle der Theologie: Diese Frage definitiv beantworten zu wollen; sich selbst dabei aus den eigenen Zorneserfahrungen herauszubegeben, um sie von außen „objektiv“ zu betrachten und zu lösen. Spätestens beim Empathie-Zorn widerstrebt es mir aber definitiv, in die Position des unbeteiligten Beobachters zu verschwinden – und das wünsche ich mir dann auch nicht von Gott.

      Johannes Beutler SJ | Frankfurt

      geb. 1933, Dr. theol., Prof. em. für Theologie des

      Neuen Testamentes und Fundamentaltheologie

      an der Philosophisch-Theologischen Hochschule

      Frankfurt St. Georgen

       [email protected]

      Jesus und die Familie nach dem Johannesevangelium

      Die Familie bildet ein wichtiges Thema in christlichen Gruppen und Gemeinden. Jedes christliche Nachdenken zu diesem Thema wird mit einem Blick auf das Gotteswort, die Bibel, beginnen. Was sagt uns die Schrift zur Familie, was sagen die Evangelien und was sagt Jesus selbst nach diesen Evangelien? Die ersten drei Evangelien nach Matthäus, Markus und Lukas scheinen auf den ersten Blick mehr Stoff zu diesem Thema zu bieten. Hier sehen wir Jesus in der Begegnung mit Männern, Frauen und Kindern, die er segnet. Jesus lehrt hier über die Ehe und die Berufung zu einem Geweihten Leben. Schon nach den ersten Evangelien begleitet die Mutter Jesu ihren Sohn bis unter das Kreuz und nach der Apostelgeschichte gehört Maria mit anderen Frauen und den Brüdern Jesu zur Gruppe der ersten Jünger(innen) Jesu, die nach seiner Auferstehung auf die Herabkunft des Heiligen Geistes warten (Apg 1,14).

      Zunächst scheint die Familie im Johannesevangelium eine untergeordnete Rolle zu spielen. Dieses Evangelium ist stark auf die Beziehung zwischen Jesus als Sohn und Gott als seinen Vater ausgerichtet. Der Gott Israels ist für Johannes der Vater Jesu und der Gläubigen. Dies schließt nicht aus, dass sich im Johannesevangelium viele Elemente des Familienlebens finden, sei es im natürlichen, sei es im geistlichen Sinne. Jesus erscheint hier als Sohn einer menschlichen Familie, und er begegnet zahlreichen Menschen, die ein Familienleben führen. Nur so wird der Blick frei für eine geistliche Dimension des Familienlebens. Folgen wir diesen Beobachtungen Schritt für Schritt.

      Die Familie Jesu

      Im Johannesevangelium finden wir einige Hinweise auf die Familie Jesu, die Beachtung verdienen. Im ersten Kapitel des Evangeliums berichtet uns der Evangelist von der Berufung der ersten Jünger Jesu. Unter ihnen befindet sich als letzter Natanaël. Philippus, der zuvor von Jesus berufen worden war, sagt zu ihm: „Wir haben den gefunden, über den Mose im Gesetz und auch die Propheten geschrieben haben: Jesus, den Sohn Josefs, aus Nazaret“ (Joh 1,45). Natanaël ist überrascht und antwortet: „Kann aus Nazaret etwas Gutes kommen?“ Philippus erwidert: „Komm und sieh!“ (Joh 1,46) In der Folge gelangt Natanaël zu einem tieferen Glaubensbekenntnis als die vorangegangenen, nachdem ihm Jesus gesagt hatte, dass er ihn unter dem Feigenbaum gesehen habe: „Rabbi, du bist der Sohn Gottes, du bist der König von Israel!“ (Joh 1,49) Die Nennung Josefs als Vater Jesu entpricht dem menschlichen Vater Jesu in den synoptischen Evangelien. Im Gegensatz zu einem Teil von ihnen erwähnt der vierte Evangelist nicht die jungfräuliche Geburt Jesu, ebenso wie Paulus und Markus.1 Die erste Kirche konnte mit solchen unterschiedlichen Sichtweisen leben. So hatte Jesus nach Johannes und den anderen Evangelisten auch Geschwister. Die Brüder Jesu2 werden zum ersten Mal beim Bericht von der Hochzeit von Kana in Joh 2,1–12 erwähnt. Mit der Mutter Jesu, von der im weiteren Verlauf die Rede sein soll, nehmen sie an dieser Hochzeit teil und begleiten dann nach dem Wunder Jesus und die ersten Jünger nach Kafarnaum (Joh 2,12). Es lässt sich denken, dass die Brautleute dieser Hochzeit zur Familie Jesu gehörten. Auch davon soll noch die Rede sein.

      Wir begegnen den Brüdern Jesu erneut im Zusammenhang mit dem Fest der Tempelweihe in Joh 7. Hier fordern seine Brüder Jesus

Скачать книгу