Lebensbilder aus dem Bistum Mainz. Группа авторов

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Lebensbilder aus dem Bistum Mainz - Группа авторов Neues Jahrbuch für das Bistum Mainz

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Wissen, seine abgemessene Klugheit und seine kindliche Frömmigkeit sichern ihm ein treues Andenken auch in die fernsten Zeiten.1 Mit diesen überschwänglichen Worten pries Alfred Bang-Kaup 1957 das Wirken des Darmstädter Pfarrers Johann Baptist Lüft. Und als herausragender Theologe wurde er in den letzten Jahren wieder entdeckt, als Franz Kohlschein seine große Bedeutung für die „Wissenschaftsgeschichte der Liturgiewissenschaft“ ins Bewusstsein rief und den hohen Reflexionsgrad seiner „Liturgik“ rühmte2. So lohnt es sich, Lüft auf den verschiedenen Stationen seines Wirkens zu begleiten, um ihn als Professor, als Bischofskandidat, als Liturgiker und schließlich als Pfarrer kennen zu lernen.

      Retter in der Not: Johann Baptist Lüft als Professor und Pfarrer in Gießen

      Im Wintersemester 1830/31 wurde in Gießen, der Landesuniversität des Großherzogtums Hessen-Darmstadt, eine Katholisch-Theologische Fakultät eröffnet. Nachdem das Land im Gefolge der Napoleonischen Kriege einen erheblichen Gebietszuwachs zu verzeichnen hatte und dem zuvor fast rein evangelischen Territorium nun auch viele katholische Bewohner zugehörten, hatte sich Großherzog Ludwig II. (1777–1848, 1830 Großherzog) zu dieser Maßnahme entschlossen. Sie kam nicht von ungefähr, entsprach sie doch den Maximen, zu denen sich die südwestdeutschen Staaten bekannt hatten, die seit 1817 auf den Frankfurter Verhandlungen nach einer einheitlichen Lösung der Kirchenfrage suchten. Die Theologenausbildung hatte demnach an staatlichen Fakultäten und nicht an kirchlichen Seminaren zu erfolgen. Im Königreich Württemberg stand die Katholisch-Theologische Fakultät in Tübingen, im Großherzogtum Baden diejenige in Freiburg zur Verfügung. Nun wurde die Katholisch-Theologische Fakultät der Universität Gießen der Studienort für die hessen-darmstädtischen Theologen. Das Priesterseminar der Bischofsstadt Mainz, das bisher diesem Zweck gedient hatte, wurde auf die unmittelbare Vorbereitung der seelsorglichen Praxis beschränkt.

       Lieber Pfarrer als Professor: Johann Baptist Lüft

      Bei der Umsetzung der Fakultätspläne kam dem früheren Gießener Rechtsprofessor Justin Timotheus Balthasar Linde (1797–1870), der seit März 1829 als Referent für Kirchensachen im Darmstädter Innenministerium tätig war, eine entscheidende Bedeutung zu. Er war es auch, der nach Professoren für die Fakultät Ausschau hielt. Unterstützt wurde er hierbei vom Mainzer Bischof Josef Vitus Burg (1768–1833, 1829 Bischof von Mainz). Diesem gelang es, die Berufung von Vertretern eines extremen kirchlichen Liberalismus zu verhindern. Stattdessen konnte er dem aus Baden stammenden Pfarrer Johann Nepomuk Locherer (1773–1837) eine Professur verschaffen. Dazu kamen der Tübinger Repetent Franz Anton Staudenmaier (1800–1856) und der Bonner Privatdozent Johann Josef Müller (1803–1860). Locherer sollte die Kirchengeschichte, Müller die Exegese und Staudenmaier die Dogmatik übernehmen. In der Senatssitzung vom 27. November 1830 wurde die Fakultät feierlich eröffnet. Noch aber stand die Ernennung eines Moral- und Pastoraltheologen aus. Die unbesetzte Stelle führte fast dazu, dass die Studenten aus Nassau, die in Gießen Theologie studieren wollten, der Lahnstadt wieder den Rücken kehrten. Nachdem auf die Suche nach auswärtigen Kandidaten verzichtet worden war, entschloss man sich, die am meisten mit der pastoralen Praxis verbundene Professur mit der Stelle des Gießener Pfarrers zu verbinden. Ein geeigneter Kandidat fand sich im Mainzer Klerus: Johann Baptist Lüft.

      Johann Baptist Lüft wurde am 30. März 1801 in Hechtsheim bei Mainz als Sohn des Tagelöhners Jakob Lüft und seiner Frau Klara Strohm geboren; er besuchte das Bischöfliche Gymnasium in Mainz und machte seine theologischen Studien am dortigen Priesterseminar. Dort erkannte man in ihm den künftigen guten Prediger; herausragende Bewertungen wurden ihm ansonsten allerdings nicht zuteil. Am 7. April 1824 wurde er in Speyer zum Priester geweiht und wirkte anschließend als Lehrer am Bischöflichen Gymnasium in Mainz, 1829 übernahm er die Moralprofessur am Mainzer Seminar und wurde in diesem Amt von Bischof Burg bestätigt. Lüft stammte also aus der sogenannten „Mainzer Schule“, die für eine römische Ausrichtung in Theologie und Disziplin bekannt war. Die Einrichtung der Gießener Fakultät stieß im Mainzer Seminar verständlicherweise auf Widerstand. Die Berufung Lüfts sollte den Gegnern der Fakultät wohl auch den Wind aus den Segeln nehmen.

      Lüft reiste am 19. November 1830 nach Gießen ab. Bischof Burg drängte in Darmstadt auf seine rasche Ernennung zum Ordinarius, und schon am 30. November berief Großherzog Ludwig II. ihn zum vierten Professor an der Katholisch-Theologischen Fakultät, die damit komplett besetzt war. Die Fakultät promovierte ihn zum Doktor der Theologie, und wenige Tage später nahm er seine Vorlesungen auf. Da Lüft seine Professur zusätzlich zur Pfarrei versah, wurde ihm nur ein Gehalt von 300 fl. zugestanden. Beim Ausscheiden Johann Josef Müllers aus der Fakultät im folgenden Jahr konnte er auf die dritte Professur vorrücken und erhielt nun 400 fl. Jahresgehalt, eine Summe, die bei seinen geringen Bezügen als Pfarrer kaum zum Leben reichte.

      Kurze Zeit nach seiner Ernennung schilderte Lüft dem Darmstädter Ministerialrat Linde, der wenige Jahre später Kanzler der Gießener Universität werden sollte, die Prämissen, unter denen er seine neue Stelle angetreten hatte. Leitmotiv waren für ihn die Anforderungen der Zeit. Um ihnen zu entsprechen, galt es die wissenschaftliche Darstellung der Religion und die wissenschaftliche Bildung des Trägers der Religion bestmöglichst zu steigern. Als zentrale Eigenschaften des Theologen nannte er Milde, Bescheidenheit und konfessionelle Toleranz. Die Zeit mit der Religion zu versöhnen, war sein höchstes Ziel. Allen andersgearteten Bestrebungen erteilte Lüft eine scharfe Absage, vor allem jenen, die das Christentum und die Kirche nur durch die Präskription zu rechtfertigen wissen, und die, während sie sich vom Elsass nach dem Rheine zu und vom Rheine nach Italien die Parole zurufen, den Ruf der Zeit selbst überhören3. Gemeint war der Mainzer Kreis. Ob diese deutliche Absage an die Schule, aus der er selbst stammte, ganz ernst gemeint war? Suchte Lüft seine Ernennung durch Bekenntnisse zu rechtfertigen, von denen er annehmen konnte, dass sie in Darmstadt auf positive Resonanz stießen? Das gute Zusammenwirken mit den Mainzern in späteren Jahren lässt einen solchen Schluss zu, wobei das Anliegen, eine vernunftgemäße Theologie zu treiben, die auf der Höhe der Zeit stand, Lüfts Wirken mindestens ebenso prägte.

      Zu seinem Selbstverständnis als „Religionslehrer“ äußerte sich Lüft gegenüber Bischof Burg. Als zentrales Anliegen erscheint auch hier, das Zeitgemäße des christlichen Glaubens aufzuweisen. Obschon aus dem Mittelpunkte des Christentums heraus sprechend und handelnd, darf er [sc. der Theologieprofessor] doch hinwiederum den Ruf der Zeit nicht unbeachtet lassen. Neben der Wissenschaftlichkeit müssen sich Vorlesungen daher auch durch Brauchbarkeit fürs Leben auszeichnen4. Burg war überzeugt, dass Lüft diese Kriterien erfüllte. Anlässlich seiner Ernennung zum Dekan des Landkapitels Gießen sprach der Bischof von Lüfts Bescheidenheit und Menschenfreundlichkeit und lobte Rechtgläubigkeit, wissenschaftliche Gründlichkeit und unverdrossenen Fleiß5. Und er sollte sich nicht täuschen.

      Lüft wurde zu einem der wichtigsten Mitarbeiter der von den Gießener Katholisch-Theologischen Fakultät herausgegebenen „Jahrbücher für Theologie und christliche Philosophie“. In seinen theologischen Grundpositionen war er sich mit seinen Kollegen Franz Anton Staudenmaier und Johann Evangelist Kuhn (1806–1887) einig. Der letztere hatte 1832 die früh verwaiste Exegeseprofessur übernommen; wie Staudenmaier kam er aus Tübingen. Lüft hielt Vorlesungen zur Christlichen Sittenlehre oder Moraltheologie, behandelte die Geschichte der Moral und las über Katechetik, Liturgik, Homiletik und Pastoral, auch Predigtübungen bot er an.

      Daneben oblag ihm als Pfarrer die Beaufsichtigung der Studenten. In seiner Funktion als Bischöflicher Kommissar informierte er Burg über ihr sittliches Betragen und wirkte als Vertreter des Bischofs bei den Prüfungen mit. Zu Beginn und Ende eines jeden Semesters hatte er umfangreiche „Konduitenlisten“ (über wissenschaftlichen Fortschritt, Fleiß und Betragen der Studenten) zu verfassen und konnte im Auftrag des Bischofs die Nichtaufnahme ins Seminar androhen. Auch die Erlaubnis zum Besuch von Vorlesungen evangelischer Theologen lag in seiner Hand. Bereits vor der einvernehmlichen Regelung mit der Regierung hatte

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