Lebensbilder aus dem Bistum Mainz. Группа авторов

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Lebensbilder aus dem Bistum Mainz - Группа авторов Neues Jahrbuch für das Bistum Mainz

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Vorerst sollte Lüft seine Aufsichtspflicht vertraulich und nicht amtlich wahrnehmen, um jede Kollision mit den Aufsichtsorganen der Universität zu vermeiden6.

      Lüfts Wirken als Pfarrer war von einer extremen Diasporasituation geprägt. Am „Vorabend“ der Stiftung der Fakultät waren außer den katholischen Studenten 236 Katholiken in Gießen anzutreffen. Die Zahl der Protestanten lag bei etwa 7000. Da es keine katholische Schule in Gießen gab, besuchten die Kinder die Stadtschulen, die meisten wurden auf Privatinstituten unterrichtet (19 von 25). Johann Baptist Lüft führte den Werktagsgottesdienst ein und wurde – nach Ausweis der Pfarrchronik – in der Gemeinde sehr geschätzt. Dort heißt es wörtlich: Die Errichtung der Fakultät und ein Mann wie Lüft an der Spitze der Pfarrei mussten zur Hebung des Ansehens derselben beitragen. Lüft war voll Eifer für seinen Beruf; er brachte die katholische Kanzel wieder zu Ehren, und sein bescheidener, frommer Sinn, sein wahrhaft priesterlicher Wandel gewannen ihm bald aller Herzen.7 Lüft konnte 1832 von 140 katholischen neben 270 evangelischen Studenten berichten. 1836 zählte Gießen 260 Katholiken, erst 1840 konnte eine eigene katholische Kirche geweiht werden. Doch zu diesem Zeitpunkt weilte Lüft schon fünf Jahre in Darmstadt.

      Bereits 1833, als Gerüchte über eine Berufung des Darmstädter Pfarrers und Oberschulrats Peter Leopold Kaiser (1788–1848) ins Domkapitel nach Gießen drangen, bemühte sich Lüft um dessen Nachfolge. Er wollte sich zwar auch weiterhin der Wissenschaft widmen, hatte aber den heißen Wunsch, in einem mehr praktischen Wirkungskreis zu leben8. Während seiner ganzen Gießener Zeit sehnte er sich nach der kirchlich wärmeren Atmosphäre in Mainz zurück. Dies lag nicht nur daran, dass bei ihm, wie er sich selbst ausdrückte, das Herz vor dem Verstand kam9. Burgs Nachfolger Johann Jakob Humann (1771–1834) vertraute er seine Sicht der Fakultät an: Die kirchliche Richtung ist gut; ruhig, durchaus nicht polemisch oder neologisch. Jedoch scheint die religiöse Tendenz vor der kirchlichen in der theologischen Wissenschaft hier vorzuherrschen, und darin dünkt mir eine Hauptverschiedenheit zwischen der frühern theologischen Bildung in Mainz und der hiesigen gelegen zu sein.10 Seinen Kollegen gegenüber nannte Lüft vor allem die Doppelbelastung mit Pfarrei und Professur als Grund für seinen Wechsel nach Darmstadt11, dessen Pfarrer Peter Leopold Kaiser zum neuen Mainzer Bischof gewählt worden war. Am 28. April 1835 ernannte Großherzog Ludwig II. Johann Baptist Lüft zum geistlichen Mitglied und Rat im Oberschulrat, am 16. Juni erfolgte die Ernennung zum Darmstädter Pfarrer und kurze Zeit darauf zum Dekan des Dekanats Darmstadt; bereits am 9. Mai hatte sich Lüft – wegen Unwohlseins nur mit einer kurzen Notiz im Gießener Anzeigeblatt – von Gießen verabschiedet.

      Dass damit seine Beziehungen zu Gießen nicht erloschen waren, zeigte sich bald. Immer wieder wirkte er als Mittelsmann der Regierung, wenn es um die Besetzung freier Professuren ging. Nach der Zwangspensionierung des Kirchenhistorikers Kaspar Riffel (1807–1856) geriet die Fakultät in schwere See. Da Riffel sich in seiner Reformationsgeschichte negativ über Martin Luther geäußert hatte, entstand der Eindruck, seine Entlassung stünde damit in Zusammenhang. Die Bistumsgeistlichkeit verschiedener Dekanate wandte sich entschieden gegen die Maßnahme. Während das Dekanat Mainz-Stadt nicht mit Angriffen auf die großherzogliche Regierung sparte, enthielt sich die von Lüft mit unterzeichnete und wohl auch verfasste Eingabe des Dekanats Darmstadt jeden Angriffes auf die Regierung – für den in der Hauptstadt wirkenden Klerus wenig überraschend. Anstelle der Pensionierung stand die Kritik an der Agitation gegen Riffels Buch im Mittelpunkt. Allerdings zog Lüft ähnliche Konsequenzen wie die Mainzer, auch seines Erachtens hatte die Priesterbildung im Zentrum des Bistums stattzufinden. Mit dem bischöflichen Aufsichtsrecht über das Theologiestudium ließ sich am Regierungssitz schlecht argumentieren, stattdessen verwies die Darmstädter Geistlichkeit auf die weite Entfernung Gießens von den Provinzen Rheinhessen und Starkenburg, aus denen fast alle Theologen stammten, und auf das fehlende katholische Umland.12 Begegnet uns Lüft hier als Verfasser einer Eingabe an den Bischöflichen Stuhl zu Mainz, so schien es bald, er selbst werde die Mainzer Kathedra besteigen.

      Graue Eminenz statt Exzellenz: Johann Baptist Lüft als Kandidat für den Mainzer Bischofsstuhl

      Am 30. Dezember 1848 starb der Mainzer Bischof Peter Leopold Kaiser. Bald nach seinem Tod wurden in der Öffentlichkeit mögliche Kandidaten für die Nachfolge gehandelt: der Berliner Stiftspropst Wilhelm Emmanuel von Ketteler (1811–1877), der Mainzer Domkapitular Adam Franz Lennig (1803–1866) und eben Johann Baptist Lüft. Während Ketteler als Landesfremder zunächst in den Hintergrund trat, betrachtete der Münchner Internuntius Carlo Sacconi (1808–1889) Lennig und Lüft als due eccellenti ecclesiastici13. Ein Artikel in der „Darmstädter Zeitung“ favorisierte Lüft, der mit ausgezeichneter wissenschaftlicher Bildung und bewährter Geschäftskenntnis einen höchst ehrenwerten Charakter verbindet14. Auch im „Frankfurter Journal“ war zunächst nur von Lüft die Rede. Kaiser werde als Nachfolger vermutlich einen hochgeachteten katholischen Pfarrer in Darmstadt, einen geborenen Rheinhessen erhalten, der durch umfassende Bildung, wahre Frömmigkeit und liebenswürdigen und humanen Charakter gleich ausgezeichnet sein soll15. Ähnlich ließ sich die „Frankfurter Oberpostamtszeitung“ vernehmen. Lüft werde an dem Wesen und an den Satzungen des reinen Katholizismus festhalten, doch ebenso keine konfessionellen Friedensstörungen veranlassen. Dafür bürge sein streng kluges Verhalten in seiner gegenwärtigen Stellung16.

      Lüft sollte nach dem Willen der Regierung auch als Stellvertreter des Bischofs in der Ersten Kammer wirken. Doch Lüft verweigerte sich. Die Regierung berief den Gießener Dogmatiker Leopold Schmid (1808–1869), der damit automatisch als Bischofskandidat ins Gespräch kam. Auf der Kandidatenliste, die das Mainzer Kapitel am 20. Januar 1849 aufstellte, standen die Namen der Domkapitulare selbst sowie Lüft und Schmid.

      Der Mainzer Kreis sprach sich entschieden für Lennig aus. Fähig, würdig und berufen, Bischof zu werden, meinte Johann Baptist Heinrich (1816–1891), sei nur Lennig – Lüft sei allzusehr verdarmstädtert. Immerhin, bei einem Bischof Lüft konnte Lennig auf Einfluss hoffen17.

      Die Darmstädter Regierung legte sich große Zurückhaltung auf und verzichtete auf die Benennung eines Wunschkandidaten, wie noch bei der Bischofswahl im Jahre 1833 geschehen. Umso größer war die Überraschung, als aus der Wahl am 22. Februar 1849 Leopold Schmid als Mainzer Bischof hervorging. Im Mainzer Kreis herrschte helles Entsetzen; doch begann man schon bald mit Maßnahmen, um die Bestätigung der Wahl zu verhindern.

      Als Pfarrer der Residenzstadt Darmstadt, als Bischofskandidat und als Freund des Mainzer Kreises spielte Johann Baptist Lüft dabei eine nicht zu unterschätzende Rolle. Dass er selbst keinerlei Interesse an der Mitra hatte, verschwieg er nicht. Sein Kandidat war Adam Franz Lennig. Am 28. Januar 1849 teilte er diesem brisante Neuigkeiten aus Darmstadt mit. Lüft hatte gehört, die Regierung werde versuchen, die Wahl zu beeinflussen. Bereits zwei Tage später konnte er Entwarnung geben; er hatte in Erfahrung gebracht, dass das Ministerium sich überhaupt nicht in die Wahl einzumischen gedenke. Er informierte Lennig, dass er das Ansinnen der Regierung, ihn als Vertreter des Bischofs in der Ersten Kammer der Landstände zu gewinnen, abgelehnt habe, weil damit das Odium des künftigen Bischofs verbunden war.18 Wer kam außer Lennig als ernsthafter Kandidat in Frage? Schmid hatte in den Augen Lüfts keine Chance, der Klerus sei die Einschmuckelung und Herrschaft von Fremden endlich müde; der in der Schweiz geborene Schmid entspreche auch nicht den Anforderungen der Landesherrlichen Verordnung vom 30. Januar 1830, die forderte, der Bischof müsse ein Deutscher von Geburt sein19. Über den Ausgang der Wahl war Lüft indigniert. Pfui der Schande!, schrieb er Lennig, bei so vielen Fähigen in gremio habe das Kapitel einen Fremden und dazu noch diesen versteckten Schwaben gewählt. Bei allem Ärger über die Wahl Schmids, Lüft konnte nach wie vor versichern, dass die Regierung keine Schuld traf. Der landesherrliche Wahlkommissar hatte die Instruktion, auch gar keinen Einfluß zu üben. Lüft kannte ihn als Ehrenmann, der die Aufgabe unter anderen Voraussetzungen ohnehin nicht übernommen hätte20. Lüft riet Lennig, die Argumentation gegen Schmid auf vier Punkte

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