Geist und Leben 1/2015. Группа авторов

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Um das Kreuz zu begreifen, muss man es als Konsequenz des Lebens Jesu verstehen. Weil Jesus sich den gesellschaftlich Ausgegrenzten (den Zöllnern und Prostituierten gleichermaßen) zuwendet, erfährt er die Feindschaft derer, die die Macht im Lande haben. Indem der Sohn Gottes Gemeinschaft mit den Menschen sucht und diese dort aufsucht, wo sie ihr Leben unter der Macht der Sünde führen, nimmt er das Risiko auf sich, von diesen Menschen verstoßen und gekreuzigt zu werden. Jesus Christus aber bleibt seiner Sendung zu den Menschen bis zum äußersten, bis zum Tod am Kreuz, treu. Um dem menschgewordenen, gekreuzigten und auferstandenen Christus zu begegnen und ihn zu verstehen, brauchen wir neben den neutestamentlichen Briefen auch die Evangelien – und neben Johannes auch die Synoptiker und selbstverständlich auch das Alte Testament. Mit ihrer Konzentration auf Johannes und Paulus, aber auch das Wort vom Kreuz, steht evangelische Frömmigkeit in der Gefahr, der Fülle des Lebens Christi nicht gewahr zu werden.

      Wollt ihr auch gehen?

      In Joh 6,66 klingt eine Erfahrung an, die die reformatorischen Kirchen in Europa auch gegenwärtig machen: „Von da an wandten sich viele seiner Jünger von ihm ab, gingen weg und wandelten fortan nicht mehr mit ihm.“ Der Vers sollte nicht dazu weiterleiten, sich mit solchen Abwanderungsprozessen einfach abzufinden, sie sollten gründlich reflektiert werden. Das Johannesevangelium macht aber dem gegenwärtigen Protestantismus Mut, in aller notwendigen Veränderung nicht das aufzugeben, was evangelische Spiritualität ausmacht. Als Jesus seine Jünger fragt: „Wollt ihr auch gehen?“, antwortete Petrus stellvertretend: „Herr, zu wem sollten wir gehen? Du hast Worte des ewigen Lebens.“ (Joh 6,67f.) Menschen bleiben evangelisch um des Wortes Gottes willen.

      1H. Thyen, Studien zum Corpus Iohanneum (WUNT 214). Tübingen 2007, 548.

      2Ders., Das Johannesevangelium (HNT 6). Tübingen 2005, 367.

      3Vgl. ebd., 377f. [s. Anm. 2].

      4N. Luhmann, Funktion der Religion (stw 407). Frankfurt 1982, 111; vgl. C. Dinkel, Was nützt der Gottesdienst? Eine funktionale Theorie des evangelischen Gottesdienstes (PThK 2). Gütersloh 2000, 98; R. Kunz, Gottesdienst evangelisch reformiert. Liturgik und Liturgie in der Kirche Zwinglis (Theophil 10). Zürich 2001, 94f.

      5Vgl. WA 6,363,6–9: Denn so wie „vil mehr ligt an dem testament den an dem sacrament, also ligt vil mehr an den worten den an den tzeychen, dan die tzeychen mügen wohl nit sein, das dennoch der mensch die wort habe, und also on sacrament, doch nit on testament selig werde“.

      6Evangelisches Gottesdienstbuch. Agende für die Evangelische Kirche der Union und für die Vereinigte Evangelisch-Lutherische Kirche Deutschlands. Hrsg. von der Kirchenleitung der VELKD und im Auftrag des Rates von der Kirchenkanzlei der EKU. Berlin u.a. 1999, 16.

      7So etwa H. Thyen, Studien, 548 [s. Anm. 1].

      8Vgl. Lev 17,11: „Denn das Leben des Fleisches ist das Blut“.

      Kirche

      K

      Eva-Maria Faber | Chur

      geb. 1964, Professorin für Dogmatik und Fundamentaltheologie

       [email protected]

      Geist und Leben

      Jesuanische Verheißung für eine anthropologische Suchbewegung

      Die Dramatik des Strebens nach Geist und Leben

      Lässt man das Szenario, welches das sechste Kapitel des Johannesevangeliums vorführt, auf sich wirken, so zeichnen sich zwei Bewegungen ab. Der Umbruch wird ab V. 41 deutlicher bemerkbar. In der einen Phase geschieht so etwas wie ein mystagogischer Prozess. Ausgehend von elementaren menschlichen Bedürfnissen entbirgt Jesus bei den ihm begegnenden Menschen dahinterliegende, tiefere Sehnsüchte. So sehr dieser Prozess in der johanneischen Darstellung nicht gerade harmonisch verläuft, so wenig verzichtbar ist er für das Verständnis der Verheißung von Geist und Leben.

      Was sich in der ersten Phase schon in Form von Irritationen und Missverständnissen ankündigt, kristallisiert sich in der zweiten Phase als Notwendigkeit der Entscheidung heraus. Geist und Leben stellen sich nicht unversehens ein, sondern haben Konturen, sind gebunden an die Person Jesu und verlangen darum den Entscheid, in einen Lebenszusammenhang mit ihm zu treten. Wenn die Jünger, als deren Sprecher Petrus auftritt, als Entschiedene für eine solche Bindung an Jesus dastehen, so hebt sie dies doch nicht fundamental von den anderen Menschen ab. Gemeinsam ist jenes allgemein-menschliche Streben nach Geist und Leben, das freizulegen und (bekannterweise

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