Geist und Leben 1/2015. Группа авторов

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mündet, allenfalls in der Schwebe bleibt oder zu vorläufiger Ablehnung führt.

      Anthropologische Konstellationen

      „Geist“ und „Leben“, diese Worte rühren an die großen Leitsterne, aber auch den Hunger und Durst menschlichen Daseins. Dabei stehen die beiden Begriffe zwar auch jeder für sich für eine als wertvoll empfundene Wirklichkeit. Gleichzeitig bürgt gerade ihre Verbindung dafür, dass das Leben geistvoll und der Geist lebensprägend sein kann. Dabei scheint Leben die basalere Wirklichkeit zu sein, die in der Schöpfung von einfachen Formen bis hin zu komplexen Strukturen reicht. An dieser breiten Palette hat auch das menschliche Dasein teil. Je mehr jemand erfahren hat, was es bedeutet, wenn elementare Lebensvollzüge versagen, desto mehr tritt die Kostbarkeit des Lebens auf allen Stufen ins Bewusstsein. In eben dieser Selbstreflexivität macht sich der Geist bemerkbar, der überhaupt erst die Dimensionen von Freude und Leiden am Leben, von Wertschätzung und also Werterkenntnis an das Leben heranträgt. So entsteht das Bedürfnis nach „Spiritualität“: ein inzwischen weltanschaulich offener Begriff, der allen materialistischen Philosophien zum Trotz in irgendeiner Weise eine Lebensführung aus dem Geist bezeichnet. Dahinter steht die uralte Frage nach dem Leben, und zwar nach dem guten, wahren, dem eigentlichen Leben im Unterschied zu einem verflachten, verfehlten oder entfremdeten Leben. Ebenso dringlich ist die Frage, wie geistige Vorstellungen nicht auf der Ebene von Ideen bleiben, sondern in konkretes, alltägliches Leben umgesetzt werden können: wie also Geist und Leben eine Einheit bilden können.

      Die Begriffe „Leben“ und „Geist“ formulieren Hoffnungsziele, bezeichnen jedoch gleichzeitig auch eine Not. Niemand hat in der Hand, das Leben ohne Bedrohung leben, es gar genießen zu können oder es im Gegenteil versiegen zu sehen. Leben kann von Idealen erfüllt, ebenso aber unbarmherzig auf das Leibliche, Vegetative, Materielle reduziert erfahren werden. Welche Art von Geist ist dann noch tragfähig genug, zum Leben zu helfen? Niemand weiß, wie stabil entdeckte und gewählte Werte und Ideale die eigene Biographie prägen werden und ob sie sich als tragend oder als enttäuschend erweisen werden. Menschen erfahren, wie sie fähig sind, sich geistig-geistlich von Visionen leiten zu lassen, zugleich aber, wie sie solche manchmal sogar abrupt und schroff verraten können.

      An diese conditio humana – Würde und Elend des Menschseins – knüpft Joh 6 mit den Erzählungen von der Brotvermehrung und vom Ausgesetztsein auf dem See an. Dabei gibt die Perikope keinen Anlass, das von Jesus mit Geist und Leben Gemeinte allein auf eine weltübersteigende ewige Dimension zu begrenzen und es scharf von dem abzugrenzen, wonach Menschen sonst noch streben, wenn sie nach Geist und Leben suchen. Er will – umfassend formuliert – der Welt das Leben geben (vgl. V. 33). Die Brotrede spricht nicht umsonst wiederholt vom „Essen“ und „Trinken“, also von dem, was man tut, wenn man elementare Bedürfnisse befriedigt. Und trotz der Übertragung der Speisemotive auf eine symbolische Ebene darf nicht vergessen werden, dass Jesus sich zu Anfang des Kapitels sehr konkret um die leibliche Nahrung der Menschen bemüht. Es wäre geradezu unfair, wenn er ihnen Brot austeilen würde, „soviel sie wollten“ (V. 11), um ihnen später die Erfüllung ihrer leiblichen Bedürfnisse zum Vorwurf zu machen. Auch in 2 Makk 7,23 wird mit „Geist und Leben“ die grundlegende Gabe menschlichen Lebens überhaupt bezeichnet: „Der Schöpfer der Welt hat den werdenden Menschen geformt, als er entstand; er kennt die Entstehung aller Dinge. Er gibt euch gnädig Atem (πνεῦμα) und Leben wieder, weil ihr jetzt um seiner Gesetze willen nicht auf euch achtet“.

      Zur Vorgeschichte der Verheißung von Geist und Leben gehört auch die numinose Furcht der Jünger auf dem Meer, die in Joh 6 aus einer Mischung von Bedrohung durch Naturgewalten und Bedrohung durch das ungewöhnliche Auftreten Jesu auf dem Wasser erwächst. „Fürchtet euch nicht“, diese oft wiederholte biblische Zusage geht heilsam auf eine der grundlegendsten Anfechtungen menschlichen Lebens ein: das Gelähmtsein vor dem Abgrund der verschiedenen Formen des Zugrundegehens (V. 39).

      Erst recht weist Jesus die menschliche Suche nach nicht versiegender Lebensnahrung (V. 34), nach dem Vollbringen der „Werke Gottes“ (V. 28), nach Sehen, Glauben und Erkennen (V. 30.69), nach einem sinnerfüllten Leben, kurz: nach Geist in ihrem Leben, nicht zurück. Unmittelbar nach der nüchternen Diagnose des Unglaubens seiner Zuhörer(innen) verpflichtet sich Jesus dazu, niemanden, der zu ihm kommt, abzuweisen und ihn nicht zugrundegehen zu lassen.

      So entfaltet Joh 6 gewissermassen eine anthropologische Konstellation, in die hinein die jesuanische Rede und Zusage von Geist und Leben zu buchstabieren ist. Spiritualitäten auf der Spur von Geist und Leben werden dem Menschsein somit in all seinen Dimensionen gerecht werden müssen: der leibhaftigen Bedürftigkeit, den Ängsten angesichts der Untiefen existentieller Unwägbarkeiten ebenso wie dem Hunger nach dem Unvergänglichen und dem Durst nach Erkenntnis. So selbstverständlich dies im 21. Jh., nach der anthropologischen Wende und der Entwicklung von Korrelationsmodellen, scheinen mag, so groß ist diesbezüglich die Herausforderung. Bekannterweise gehört das Relevanzproblem zu den entscheidenden Krisenfaktoren des christlichen Glaubens heute. Menschen wenden sich von der Kirche, nicht selten auch vom christlichen Glauben ab, weil ihnen nicht einleuchtet, was ihre Zugehörigkeit zur Kirche bzw. ihr Christsein für ihre Suche nach Geist und Leben bedeuten soll. Zwar gibt es Stimmen, die im Gestus dialektischer Theologie ohnehin vor einer Anknüpfung an menschliche Erfahrungen warnen. Doch ohne eine schöpfungstheologische Basis und ohne Vertrauen in eine Dynamik, in der sich trotz aller Gebrochenheit des Menschseins und seiner Lebensbedingungen die ursprüngliche Ausrichtung des Menschen auf das Geheimnis Gottes durchhält, lässt sich keine gesunde christliche Spiritualität entwickeln. Dass dies nicht gleichbedeutend ist mit einer konturlosen Spiritualität, die jegliche Vorstellungen von Geist und Leben absegnen würde, lässt Joh 6 sehr deutlich erkennen und ist nun zu beleuchten.

      Der Ruf in die Entscheidung

      Die in Joh 6 beschriebenen Menschen suchen nach Leben und durchaus auch nach Geist. Auseinandersetzungen entstehen nicht deswegen, weil Jesus die Erwartungen der Menschen als fehlgehend erachtet. Zur Entscheidung kommt es in dem Maße, als er eine neue Perspektive eröffnet, wo Geist und Leben zu finden wären. Jesus lenkt den Blick von den Suchbewegungen der Menschen auf die Bewegung von Gott her, die er selbst bezeugt und verkörpert. Die menschliche Sehnsucht nach Geist und Leben führt insofern nicht ins Leere, als sie der Gabe begegnet, die von Gott her kommt und die dem menschlichen Verlangen Erfüllung gibt.

      Gewissermaßen bewahrheitet Jesus so die religionskritische Spitze von Friedrich Nietzsche, der Hunger beweise nicht, dass es eine Speise gibt. Der Hunger kann in der Tat für die Speise nicht geradestehen, auch nicht durch noch so ausgefeilte Rezepte. Die Speise muss eine Wirklichkeit sein, die dem Hunger abhelfen kann. Ob es sie gibt oder nicht gibt, kann weder der Hunger belegen noch Nietzsche widerlegen.

      Anders gesagt: Geist und Leben sind nicht ein fiktiver Fluchtpunkt menschlichen Suchens, sondern im höchsten Sinne REALITÄT, die aber dem Menschen nicht verfügbar ist, sondern ihm als Gabe zuteilwerden muss. Sie ist eine Wirklichkeit, die von sich her frei und unverfügbar begegnet und die deswegen „personal“ genannt wird. Es ist jene Wirklichkeit, die in Jesus Christus menschlich zugänglich wird, so dass sich in ihm das göttliche „Ich bin, der ich für euch da sein werde“ (Ex 3,14) zum „Ich bin es“ (V. 20) und „Ich bin das Brot des Lebens“ (V. 35.48) konkretisiert. Es sind seine Worte, die Geist und Leben sind und sich als solche im Leben der Menschen entfalten.

      Im Konzert der vielen diversen Spiritualitäten ist es das Gemeinsame christlicher Spiritualitäten, (gnadentheologisch) das Entgegenkommen Gottes zu betonen, das sich (christologisch) in Jesus Christus ein menschliches Gesicht gibt und sich (pneumatologisch) im Geist in das Leben der Menschen verweben will. Die damit verbundene Konkretheit, an der schon die Zeitgenoss(inn)en Jesu Anstoß nahmen, fordert den Glauben heraus, weil sie sich weder philosophisch erschließen noch in spirituellen Techniken erreichen lässt. Sie ist der irreduzible Kern des befreienden Evangeliums: Gott steht nicht abseits, schaut nicht unbeteiligt zu, wenn Menschen nach Geist und

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