Firmung Jugendlicher im interdisziplinären Diskurs. Christian Lutz

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Firmung Jugendlicher im interdisziplinären Diskurs - Christian Lutz Studien zur Theologie und Praxis der Seelsorge

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die immanierende Gnade Gottes die transzendierende Vernunft des Menschen zu Gott hin führt. Dadurch wird aber das Charisma bei Balthasar erklärt durch Worte wie Zugehörigkeit zur Kirche und Gehorsam, was sonst seltener in diesem Zusammenhang in Erscheinung tritt.

      Durch die strikte Trennung von Gottes Besonderheit und der Allgemeinheit der Welt ist jeder Christ und jede Christin damit aber auch vor die Frage gestellt, wie sie ihr Charisma entdecken können, das vom Heiligen Geist geschenkt ist und wie sie es in der Kirche und im Gehorsam ausleben können. Der Hinweis auf ein „Tun der Liebe“277 genügt Balthasar nicht, wenn man einige wirkliche Anhaltspunkte für christliches Leben finden möchte. Er greift deshalb auch auf ein weiteres Bild zurück, das den Laien in der Kirche auszeichnet: das Urbild des Laien in der Kirche wäre der christliche Künstler, besonders der Kirchenbauer278. Ein solcher Künstler versucht, mit den Mitteln, die er zur Verfügung hat, und die allesamt aus dem materiellen Bereich stammen, das Heilige darzustellen. Damit gibt er auch der Kirche eine Form – für die Kirche selbst und für jeden, der sie ansieht. Das Bild vom Künstler zeigt, dass mit weltlicher Technik und mit weltlichem Material ein Bild von der Kirche zu erstellen möglich ist. Und dass dies im übertragenen Sinn nicht nur von jedem christlichen Künstler gilt, sondern von jedem Christen / von jeder Christin. Genau genommen sollte man bei jedem alltäglichen Handeln gar nicht genau unterscheiden können, ob es nur geistlich oder weltlich wäre. Es ist die „Inkarnation der unsichtbaren Gnade in die weltliche Sichtbarkeit“279, die damit eigentlich die Welt zu einem charismatischen Ort machen könnte. Wie dies im Einzelnen geschehen kann, überlässt Balthasar der Mündigkeit der Christinnen und Christen. Entscheidend ist für ihn lediglich, dass alles, was den Menschen auszeichnet in Jesus Christus seine Erklärung findet. Denn: „Alles bleibt abstrakt, solange es nicht auf das Concretissimum […] zurückgeführt und von ihm her erklärt worden ist“280. Lässt Balthasar damit aber nicht die Christen alleine in der schwierigen Suche nach dem, was das persönliche Charisma auszeichnet?

      Es sind gerade die einfachsten Bilder, die Balthasars Gedanken am anschaulichsten werden lassen. In Bewegung zu Gott vergleicht er die Beziehung eines Kleinkindes zu seiner Mutter mit der Relation des Menschen zu Gott281. In der personalen Beziehung eines Ich zu einem Du wird Wirklichkeit erschlossen und zwar vor allem in der Liebe zwischen Ich und Du. Alle späteren Erfahrungen im Leben wären von dieser Beziehung abhängig, auch die leidvollen und mit Sünde behafteten, denn auch Gott wird in dieser Beziehung mit eingeschlossen. Im Grunde genommen geht es also darum, dass in diesem Bild der Mutter und des Kleinkindes auch schon eine größere Wirklichkeit mit erschlossen wird und sich die Perspektive weiten muss, wenn man das Bild in seiner Gänze verstehen will. Tut man dies nicht, dann begnügt man sich mit dem Ausschnitt, der eben gerade verfügbar ist. Es werden keine weiteren Einblicke mehr erwartet, die Quelle des Lebens gilt dann als ein unerreichbares fernes Etwas, das mit dem persönlichen Leben nichts zu tun hat. Und deshalb trennt sich der Mensch in diesem Fall auch von der Liebe, die jeden und jede immer über sich selbst und über den Augenblick erhebt282. Aufgabe des Christen ist es deshalb, in der jeweils eigens erfahrenen Perspektive eben mehr zu sehen und zu erwarten, als nur Endlichkeit. Die eigenen Eindrücke als Ausdrücke einer größeren Wirklichkeit zu erfahren, gehört zu einem christlichen Leben.

      Wer sich von Gott abwendet, wird deshalb zu einem Verlassenen, der sich von jeder Liebe abgewandt hat. Doch auch einem solchen Menschen begegnet nach Balthasar einer, der noch verlassener ist, der Gekreuzigte, Jesus Christus283. Durch dieses Engagement Gottes kann nun der Sünder in einen noch größeren Widerspruch zu Gott gebracht werden284, dennoch möchte Balthasar in seinem Denken den Raum für das Handeln des je größeren Gottes offen halten285. Der sündige Mensch ist bei Balthasar immer als eine der Liebe abgewandte Person beschrieben. Aber ein Nein zur Liebe Gottes bedeutet heute nicht auch Verlassenheit. Es gibt Vereine, die sich genau dieses Nein zu Gott zum Ziel gesetzt haben wie der Humanistische Verband Deutschlands, der Menschen auch Trauerrituale anbietet oder Anregungen gibt, Hochzeitsfeierlichkeiten zu gestalten286. Damit ist gerade in dem Bereich der Liebe, den Balthasar als einen Kernbereich einer sich auf eine weitere Perspektive hin öffnende Größe verstanden hat, ein Nein zu Gott möglich und dieses Nein wird auch noch beworben als eine weitere Perspektive als es verschiedene Glaubensrichtungen ermöglichen würden, schließlich würden Glaubenssätze einengen oder auch Traditionen mit sich bringen, die längst überwunden wären. Die individuellen Bedürfnisse und Sehnsüchte könnten auch ohne Gott gedeckt werden.

      Einen solchen Blick von außen auf die Kirche und auf die Beziehung zu Gott würde Balthasar nicht gelten lassen. Denn: „Im Kommen und Mitgehen allein ergibt sich die wirkliche Schau; diese kann nicht von Außen […] verfolgt werden, sondern nur im Mitabschreiten der durchmessenen Strecke. […] Der Geist führt ja von Anfang an in das ganze Phänomen Jesu Christi ein: in sein Leben, Sterben, Auferstehen. Deshalb wird sich die mitgehende Theorie nicht anders ereignen und zu wirklicher Anschauung gelangen als […] in einem sofortigen Mitleben, Mitsterben, Mitauferstehen, wodurch erst der Eintritt in den Auslegungsraum des Sohnes verbürgt wird“287. Damit muss ein Mensch sich auf die Beziehung zu Gott letztlich einlassen und die Lebensstrecken mit der weiteren Perspektive Gottes auf sein Leben abschreiten. Dies hängt sowohl mit der Leiblichkeit des Menschen zusammen, der immer zeitlich angelegt ist als auch mit der Art und Weise der Offenbarung, die sich in der Geschichte ereignet. Wie es allerdings möglich sein soll, Menschen von dem Wert dieses Miterlebens zu überzeugen, erklärt Balthasar nicht. Es bleibt eine Charis, eine Gnade. Und damit dürfte auch die tiefste Bestimmung des Charismas bei Balthasar geklärt sein: es liegt in der gnadenhaften Zugehörigkeit zur Kirche und dem Bewusstsein aus einer Beziehung mit Gott das Leben zu gestalten. Auch dann, wenn es alternative Lebensentwürfe gibt, die der Kirche indifferent gegenüber stehen. Auch dann, wenn Christinnen und Christen unter Verfolgung zu leiden haben und mit dem Leben für ihre Zugehörigkeit zu Christus bezahlen müssen288.

      Christliche Sendung und die Sendung eines Christen / einer Christin in der Firmung wird man deshalb niemals nur mit rein anthropologischen Gründen erklären können. Und umgekehrt wird man die persönlichen Beziehungen im Leben von Christen niemals ganz ohne die weitere Perspektive Gottes verstehen können. Dazu gehören die freudigen Momente, mit Sicherheit aber auch die Brutalitäten des Alltags, die Christen in der Person Jesu deuten sollen und deuten können. Damit sind Christen immer auch auf die Offenbarung in ihrer konkreten Gestalt hingewiesen: auf die neutestamentlichen Berichte von Jesus, die niemals in ihrer Gänze zu entmythologisieren wären. Zugehörigkeit zur Kirche heißt deshalb, dass jeder Christ / jede Christin mit hinein genommen ist in die Liebesbeziehung Gottes, in die der Heilige Geist einführt und die in ihrer eschatologischen Vollendung immer noch Liebesbeziehung Gottes zu seinem Geschöpf ist.

      Für die Firmung Jugendalter bietet das Bild vom Kleinkind in seiner Beziehung zu seiner Mutter keine Grundlage zur Verdeutlichung der Beziehung Gottes zum Menschen. In der Theologie Balthasars steht dieses Bild jedenfalls nicht für Fremdbestimmung, Infantilität oder auch Unmündigkeit, sondern für die personale Beziehung schlechthin, die jeder Christ / jede Christin in ihrem Leben mit gegeben ist. Gerade dann, wenn Menschen nicht mehr auf der Suche nach Gott sind, oder nichts mehr von ihm erwarten, müsste nach Balthasar ihnen Gott mit seiner Liebe entgegenkommen als der immer Größere. Diese unerwartete Ankunft Gottes zeigt sich schon in der Offenbarung, in der Gott den Menschen auf ganz andere Art und Weise begegnet, als sie das erwartet hätten. Es bleibt zu hoffen, dass sich Gott auch heute Menschen überraschend zeigt, wenn sie gar nichts mehr von ihm erwarten289.

      Wenn Balthasar in Bildern von der Kirche spricht, dann gehören die Metaphern von Männlichkeit und Weiblichkeit zur Beschreibung des Verhältnisses von Gott zur Kirche mit hinein290. Die Kirche ist eben Sponsa Verbi – die Braut des Wortes und nimmt damit eine Rolle der Empfänglichkeit und der erhofften Fruchtbarkeit ein. Jeder Christ und jede Christin hat damit eine Art von weiblicher Eigenschaft, nämlich

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