Firmung Jugendlicher im interdisziplinären Diskurs. Christian Lutz

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Firmung Jugendlicher im interdisziplinären Diskurs - Christian Lutz Studien zur Theologie und Praxis der Seelsorge

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auf Gottes Aufruf zu verstehen, was der Biographie zugewiesen wird. Mit dem Gedanken, dass die Firmung Gottes Zusage beinhaltet, das Wort des Menschen zu Gottes Wort zu machen, ist ein deutlich kommunikatives Element in der Theologie Rahners gegeben. In die Sachfrage Passageritual kann eingeordnet werden, dass die Firmung in Rahners Sicht gelungen ist, wenn subjektiv mitvollzogen werden kann, was objektiv geschieht, die Bedeutung von frei machenden Lebensperspektiven und Erfahrungen sowie die Herausstellung des eigenen Charismas. Die Firmung ist deshalb dann zu spenden, wenn der Empfänger die Eindrücklichkeit des Sakramentes subjektiv mitvollziehen kann. In der folgenden Tabelle werden die Ergebnisse zusammengefasst und auf die Sachthemen hin bezogen:

       Tabelle 4: Firmung bei Karl Rahner und Sachthemen

Firmung ist in der Sichtweise Karl Rahners…Sachthemen
- …Sendung zum Weiterwirken der Seelsorge Jesu im alltäglichen Handeln- …Sendung zur Liebe zwischen Mensch und Mensch, besonders deutlich am Sakrament der Ehe sichtbar- …Sendung als mündiger Christ im Alltag zu handeln- …Sendung im Alltag den Blick aller Menschen auf Gott offen zu halten- …mit der Gabe des Charismas zum Bestehen alltäglicher Situationen verbunden- …Sendung zum caritativen HandelnGlaubensleben
- …Sendung zum gegenseitigen Führen hin zu Gott- …Gabe der messianischen GeistesfülleGabe und Aufgabe
- …wie bei allen Sakramenten Einweisung in eine aktive Aufgabe in der Kirche- …eine Gabe, in der die Kirche sich selbst mit auf den Weg gibt- …Zusage und Zeichen, dass Gott, der Transzendente, in der Kirche für Menschen präsent istGemeinschaft
- …sichtbares Zeichen der Bestärkung im Glauben und der Herrschaft Gottes in dieser Welt, die vor allem der Hybris der Selbsterlösung gegenüber steht.- …Sendung, nach Wahrheit und Liebe zu suchen, als Orte, an denen Gott präsent ist- …Zusage, dass Gott die Welt gerettet hatGottesbild
- …Auftrag, die eigenen Lebensentscheidungen frei zu treffen, sie aber auch als Antwort auf Gottes Anruf zu verstehenBiographie
- …Gottes Zusage, das Wort des Menschen zu seinem eigenen Wort zu machenKommunikation
- …gelungen, wenn subjektiv mitvollzogen werden kann, was objektiv geschieht- …verbunden mit frei machenden Erfahrungen und Lebensperspektiven- …verbunden mit der Herausstellung des eigenen Charismas mit gesellschaftlicher und kirchlicher VerantwortungPassageritual
- …dann zu spenden, wenn der Empfänger die Eindrücklichkeit des Sakramentes subjektiv mitvollziehen kannAlter

      Der Alltag soll der Ort sein, an dem sich christliche Sendung ereignet. Hier kann man sogar von einer verborgenen Dimension kirchlicher Sendung beziehungsweise christlichen Handelns sprechen, weil der Alltag der Christinnen und Christen Theologen und Amtsträgern nicht zugänglich ist. Sendung der Kirche im Alltag hängt damit zusammen, dass sich die Kirche selbst in den Sakramenten mit auf den Weg gibt und der Gemeinschaft der Kirche verheißen ist, dass Menschenrede zu Gottesrede werden kann, wo sie auf das eschatologisch endgültige Christusereignis hin bezogen ist. Das heißt, dass der Alltag der Christinnen und Christen zu einer verborgenen Theologie wird, wo die Sendung, die in der Taufe grundgelegt und in der Firmung verdeutlicht ist, gelebt wird. Ein eigenes Betätigungsfeld für Gefirmte wäre damit nun überflüssig geworden, weil es im Alltag der Menschen verortet ist. Kirchliches Handeln wird von Christinnen und Christen also in ihrem Alltag bewerkstelligt.

      Rahner bringt die Firmung auch mit der Herrschaft Gottes in Verbindung. Alltägliches Handeln der Gefirmten ist somit ein Beitrag zu dem fragil und zerbrechlich gegenwärtigen Reich Gottes, das im Christusereignis seinen Anfang hat. Diese Gottesherrschaft verbindet Rahner an einer Stelle vor allem mit einer Absage an die „Hybris einer Selbsterlösung“237, was dazu führt, dass die Firmung in erster Linie als Heilsangebot und als Heilsereignis für das persönliche Leben wahrzunehmen ist. Firmung muss deshalb mit frei machenden Erfahrungen verbunden sein, das Heilsangebot Gottes an jeden und jede persönlich thematisieren und zur Herausbildung eines eigenen Charismas führen.

      Zwischen Karl Rahner und Hans Urs von Balthasar kam es zu einer Debatte über die Frage, wer wirklich ein Christ ist, oder anders formuliert: was einen Christen wirklich auszeichnet238. Der Hintergrund ist wohl darin zu sehen, dass Balthasars Theologie von dem Gedanken der Gabe und Aufgabe her inspiriert ist239. In den Dokumenten des Zweiten Vatikanischen Konzils wurde die Firmung unter dem Aspekt der Gabe und Aufgabe mit der Zeugenschaft für Jesus Christus in Wort und Tat verbunden. Daher gelten Gabe und Aufgabe sowohl dem Einzelnen als auch der Gemeinschaft. Die Theologie Balthasars zur Firmung und zum christlichen Leben kann dazu dienen, das Verständnis der Firmung unter dem Aspekt der Gabe und Aufgabe weiter zu entfalten. Im Unterschied zu Biographie und Glaubensleben ist hier der Fokus stark auf die Verbindung des Einzelnen mit der Gemeinschaft und mit Gott gelenkt zur persönlichen und gemeinschaftlichen Begabung und zur Sendung. Denn, wie Thomas Marschler von der Ruhr-Universität Bochum schreibt, um „seine Maßstäbe muss der Christ ebenso wissen, wenn er zusammen mit all den anderen, die den Namen Christi tragen, nach dem zukünftigen Weg der Kirche sucht“240.

      Am Beginn der Kirche stehen für Balthasar keine abstrakten Ideen oder Prinzipien, sondern konkrete Personen, die sich auf der Grundlage ihrer gelebten göttlichen Sendung ins Prinzipielle haben ausweiten lassen241. Damit ist gemeint, dass die Lebensumstände und die persönlichen Beziehungen Jesu und seiner Jüngerinnen und Jünger, von denen im Neuen Testament berichtet werden, für die Reflexion über Kirche, Nachfolge und Christsein entscheidende Bedeutung haben. Entmythologisierung, wie Rudolf Bultmann sie gefordert hat242, lehnt Balthasar in dieser Weise ab. Ihm geht es nicht darum, den Vorwurf aufrechtzuerhalten, Bultmann wolle den Mythos eliminieren statt ihn zu interpretieren. Ihm geht es eher darum, dass sich der moderne Mensch nicht zum Maßstab dafür machen kann, „was das Wort Gottes sagen und nicht sagen darf, dem Menschen zumuten und nicht zumuten kann“243. Denn jeder Tendenz zur Aufhebung der konkreten Gestalt der Offenbarung möchte Balthasar entgegentreten und zwar „unter der Voraussetzung der einmaligen Inkarnation des Logos“244. Das ist alles in der Redeweise Balthasars impliziert, wenn er Jesus Christus als das universale concretum245 bezeichnet.

      Wenn Christus das „alleinige konkrete Maß zwischen Gott und Mensch“246 ist, dann muss jeder Christ von diesem Maßstab her sein Leben gestalten. Das heißt, dass Jesus Christus nicht als menschliches Phänomen gedeutet werden darf, das in einer Reihe mit anderen großen Geistern der Weltgeschichte stünde, sondern das „Menschliche an ihm ist Ausdruck und Werkzeug des Göttlichen, und keineswegs das Göttliche Ausdruck und Werkzeug des Menschlichen“247. Wer als Christ / als Christin das eigene Leben gestaltet, der muss sich mit dieser göttlichen Fülle auseinandersetzen und mehr: er oder sie muss sich beschenken lassen in der persönlichen Christusnachfolge. Jeglicher Versuch, aus der innerweltlichen Bedingtheit heraus zu Gott zu finden, bleibt für Balthasar letztlich ein Streben nach eigener persönlicher Bedürfnisbefriedigung. Der Sehnsucht nach Transzendenz stellt Balthasar die Immanenz Gottes in Jesus Christus gegenüber:

      „Der natürliche Mensch und seine Vernunft sind transzendierend. Gottes Gnade, die wir im Glauben ergreifen, ist immanierend. Sie ist nicht unsere Bewegung zu Gott, sondern Gottes Bewegung zu uns. Sie ist das Hereintragen des Himmels in unsere irdische Welt. Sie ist Teilnahme an der göttlichen Natur: seinshaft als heiligmachende Gnade, bewußtseinshaft als Glaube, Liebe und Hoffnung“248.

      Die Einmaligkeit Christi ist deshalb die Einmaligkeit Gottes. Und diese Einmaligkeit wird auch der Kirche mitgeteilt. Und wer als Christ / als Christin lebt, der muss sich mit dieser Einmaligkeit Gottes auseinander setzen. Logischer Weise lässt sich diese Einmaligkeit nicht klassifizieren oder in systematische Denkraster einzwängen. Das würde

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