Firmung Jugendlicher im interdisziplinären Diskurs. Christian Lutz

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Firmung Jugendlicher im interdisziplinären Diskurs - Christian Lutz Studien zur Theologie und Praxis der Seelsorge

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Christusereignis hin bezogen ist. Der Gemeinschaft der Gefirmten im Geist ist nach Rahner deshalb auch verheißen, dass „Gott die Rede aus dem Munde des Menschen zu seinem Wort“164 macht. Die Firmung muss in diesem Grundriss der seelsorgerlichen Dimension jeder christlichen Existenz, aber auch mit der Taufe in Verbindung gebracht werden. Denn auch sie ist „Weihe zur Seelsorge“165, weil in ihr Gott seine Liebestat zu den Menschen mitteilt und weil der Mensch dadurch als ganzer und von seinem Innersten her für die anderen sorgen kann. Dies geschieht vor allem dann, wenn der Getaufte aus der Liebesbeziehung zu Gott heraus auf die Mitmenschen zugeht. In dieser gegenseitigen Verbindung der Weitergabe des Wortes (Firmung) und der grundlegenden Liebesbeziehung Gottes (Taufe), wird auch klar, dass jeder Christ als Getaufter und Gefirmter die Gabe und die Aufgabe hat, „von seinem Glauben Zeugnis zu geben“166.

      Die dritte Gemeinschaft ist für Rahner die der Liebe von Mensch zu Mensch und so gelangt das Sakrament der Ehe zu einer seelsorgerlichen Dimension, weil in diesem Sakrament Gottes Liebe zur Welt zeichenhaft gegenwärtig ist167. Mit diesem Gedanken wird schließlich mit Taufe und Firmung auch noch das Sakrament der Ehe verbunden, was mit der Liebe Gottes begründet wird. Das Zueinander und das Proprium der einzelnen Sakramente wird dadurch noch weiter entfaltet. Rahner legt Wert darauf, herauszustellen, dass die Sakramente nicht nur zum privaten Heilsempfang dienen, sondern vor allem auf die Kirche hinordnen und zwar als „Einweisung in eine aktive Aufgabe in der Kirche“168. Die Frage nach einem Betätigungsfeld für Gefirmte, die im Rahmen der Darstellung der Firmtheologie des Zweiten Vatikanischen Konzils aufgekommen war, müsste also analog für jedes einzelne Sakrament gestellt werden.

      Wenn die Taufe aber schon dazu verpflichtet und begabt, am Tun der Kirche mitzuhelfen nach den jeweils eigenen Begabungen, dann wird es sehr schwer, neben diesem aktiven Mitvollzug den Sinn und die Aufgabe der Firmung zu deuten: „Es ist für den Dogmatiker schwer, die beiden Sakramente in ihrem Sinn und ihrer Wirkung ganz genau zu unterscheiden“169, so Rahner. Es sind vielmehr zwei Sakramente der einen christlichen Initiation. Die Firmung aber mache noch deutlicher als die Taufe, dass jeder Christ und jede Christin eine Sendung und eine Aufgabe erhalten hat. Und in diesem Zusammenhang beschreibt Rahner die Firmung mit folgenden Worten: Sie ist das „Sakrament des Glaubenszeugnisses, der charismatischen Fülle, des Hl. Geistes, der zeugenden Sendung des Geistbesiegelten in die Welt, damit sie der Herrschaft Gottes untertan werden, der Bestärkung im Glauben gegenüber den Mächten und Gewalten in dieser Welt, den Mächten der Lüge und des Unglaubens, der dämonischen Hybris einer Selbsterlösung“170. Den Gefirmten soll durch den subjektiven Mitvollzug der Firmung bewusst werden, was objektiv in der Firmung geschehen ist und welche subjektiven Aktionen daraus abzuleiten sind, wenn man die Firmung als „Sakrament geistlicher Mündigkeit“171 verstehen soll.

      Auch der Zeitpunkt der Firmung spielt in dieser Sichtweise keine Rolle mehr, entscheidend ist vielmehr die persönliche Fähigkeit des Gefirmten, sich als geistlich mündiges und aktives Glied der Kirche zu verstehen und die Konsequenzen daraus zu ziehen. Dass Rahner an einer anderen Stelle bedauert, dass die Firmung in der Biographie vieler Christinnen und Christen keine große Rolle spielt, führt er überraschender Weise dann doch darauf zurück, dass die Firmung meist „in einem Alter empfangen [wird], das nicht dazu angetan ist, diesem zeitlich einmaligen und schnell vorübergehenden Ereignis eine besondere Eindrücklichkeit zu gestatten“172. Der subjektive Mitvollzug der Firmung ist in Rahners Verständnis also auf Eindrücklichkeit, vielleicht könnte man auch sagen Nachhaltigkeit, hin angelegt. Solch eine tiefgreifende Empfindung des „Sakramentes des Geistes“173 hinge dann aber doch wieder nicht vom Lebensalter des Firmanden ab, sie müsse eher biographisch mitvollziehbar sein als ein entscheidendes, wirkungsvolles und eindrucksvolles Erlebnis. Um dies zu gewährleisten schlägt er zwei Handlungsweisen vor:

      a) zum einen die Verbindung der Firmung mit frei machenden Erfahrungen und Lebensperspektiven, die Christinnen und Christen prägen sollen auf ihrem Lebensweg174. Er versteht darunter zunächst enthusiastische Erfahrungen, spricht vom Wehen des Geistes und Zungenrede. Dies alles sei möglich, wenn der Bezug zur eschatologischen Vollendung der Gegenwart und des Wirkens Gottes nicht in Vergessenheit geriete. Vielleicht muss man aber auch gar nicht von charismatischen Gottesdiensten sprechen oder von Zungenrede: die eigene Lebensperspektive zu finden, ist gerade für junge Menschen ein ganz entscheidendes Problem und darf auch aus christlicher Sicht nicht vernachlässigt werden: in welchen Beziehungen kann und will ich leben? Wo kann ich meine Lebenskraft einbringen? Wie verbringe ich meine Lebenszeit, die immer einmalig ist und unwiederholbar ist und damit auch unendlich kostbar? Solche Fragen könnten bei der Entstehung der Vision oder der Planung des eigenen alltäglichen Lebens hilfreich sein.

      b) zum anderen gehört für Rahner in den biographischen Mitvollzug der Bedeutung der Firmung die Herausstellung des eigenen Charismas als eines Auftrages, der sowohl gesellschaftliche als auch kirchliche Verantwortung bedeutet175. Damit wird die Firmung in noch höherem Maß zum Sakrament der Sendung, der Überlieferung des Wortes Gottes für die Welt und für den Auftrag der Kirche als Ganzer entscheidend.

      Die biographische oder anthropologische Dimension des Sakramentes der Firmung führt Rahner sogar dazu, von einer Stiftung dieses Sakramentes durch Christus zu sprechen176. Denn die Aktualisierung des Heilswortes Gottes in die persönliche Situation eines Menschen hinein bedeutet, dass die Kirche sich selbst in Handlung setzt und dem einzelnen die Zugehörigkeit zu Jesus Christus, die sie selbst bezeichnet, mit auf den Lebensweg gibt. Dieses Argument ist mit Sicherheit sehr zweischneidig. Es bedeutet aber auch, dass die Kirche nicht nur das Sakrament der Firmung verwaltet, sondern dass sie sich selbst gibt und an die Menschen, die beauftragt werden, mitgibt – als der Gesamtheit aller Christinnen und Christen, die aus der Zugehörigkeit zu Christus leben. Aus diesem Grund ist für Rahner auch die einseitige Zuordnung von Zukunftspessimismus so genannter engagierter Laien und einem so genannten klerikalen Triumphalismus nicht aufrecht zu halten. Denn die Aufgabe der Kirche und damit der Gemeinschaft der Christen ist es, die Eucharistie zu feiern, die Wiederkunft Christi zu erwarten, im Namen des dreieinen Gottes zu taufen und sein Wort zu verkünden in der Hoffnung, dass alle Christen in ihrem Hoffen und Scheitern zu Christus gehören177. Die Lebensplanungen und –perspektiven von Christinnen und Christen sind deshalb nicht nur allein freiheitlich getroffene Entscheidungen, sie sind immer auch als Antwort auf einen Anruf Gottes zu verstehen, der im Alltag nur sehr ungenügend reflektiert wird und deshalb unbestimmt zu bleiben droht178. Firmung muss also diese verdeckte Dimension christlichen Handelns klar und verständlich machen. Der Firmung muss damit eine Funktion für das Leben der Christen aus einem lebendigen Glauben zukommen, und zwar im Alltag, der bestanden werden muss, der aber auch eine Quelle der Gottesbegegnung werden kann. Denn:

      „Rahner behauptet nicht nur […], der Alltag sei ein Ort der Gottesbegegnung, das absolute Geheimnis dieser Begegnung werde in der Durchschnittlichkeit und Routine des Alltags wirklich erfahren, sondern er behauptet darüber hinaus, höchste Spiritualität und gewöhnlichste Alltäglichkeit gehörten wesentlich zusammen: das absolute Geheimnis wird im Alltag entdeckt, oder Gott selber ist verloren und – das wäre noch hinzuzufügen – die Menschen des Alltags und der Alltag selber werden nie gerettet: es gibt überhaupt kein Heil“179.

      Will man diesen Gedanken von der Zusammengehörigkeit von Gottesbegegnung und Alltäglichkeit mit der Firmung in Verbindung bringen, dann kann dies bedeuten, dass die Taufe die Eingliederung des Menschen in die Kirche darstellt. Der Mensch stirbt „in sakramentaler, in raum-zeitlicher, in gesellschaftlicher Greifbarkeit in den Tod Christi hinein“180. Die Firmung betont dann auch die gesellschaftliche Funktion der Getauften und sie ist „die Gnade der Kirche zur Sendung in die Welt und zur Ankündigung ihrer Verklärung“181. Freilich dürfen diese einzelnen Zuschreibungen nicht exklusiv verstanden werden, so als würde die Taufe nicht schon zur Sendung in die Welt beauftragen und so als hätte die Firmung nichts mit der bleibenden Kraft des Todes Christi zu tun. Es zeigen sich in den beiden Sakramenten viel eher zwei Brennpunkte christlicher Existenz: Zugehörigkeit zu Jesus Christus und Sendung in die Welt.

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