Firmung Jugendlicher im interdisziplinären Diskurs. Christian Lutz

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Firmung Jugendlicher im interdisziplinären Diskurs - Christian Lutz Studien zur Theologie und Praxis der Seelsorge

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örtliche Ausgestaltungen wurden zugelassen, in Deutschland wird die Firmung in der Regel in einem höheren Alter gespendet.

      In diesem Zusammenhang können nun Sachthemen benannt werden, die in den Dokumenten des Zweiten Vatikanischen Konzils und der Synoden in Deutschland mit der Firmung in Verbindung gebracht werden. Diese Themen stehen theologisch in komplexen Zusammenhängen ebenso auch ihre jeweils eigene Binnenlogik. Damit ist keine Unterscheidung und keine Trennung der Firmung in verschiedene, klar voneinander abgrenzbare Dimensionen intendiert. Es geht vielmehr um die Möglichkeit, theologische Aussagen in einen interdisziplinären Diskurs einzuführen. Gewählt wurden hierfür die Kriterien Biographie und Gemeinschaft, weil die Firmung Teil der christlichen Initiation ist. Das Gottesbild, das die Dokumente prägt und die vielfältigen Zuschreibungen von Gabe und Aufgabe, die mit der Firmung verbunden werden. Die Kriterien Glaubensleben und Kommunikation liegen thematisch nahe an der persönlichen Biographie, thematisieren aber die Beziehung zur Gemeinschaft und die persönliche Begegnung mit Gott. Letztlich folgen noch die Kriterien Passageritus und Alter der Firmanden, zu denen die Dokumente sehr ergiebige Aussagen gemacht haben. Die folgende Tabelle fasst die Sachfragen und ihre theologischen Begründungszusammenhänge kurz zusammen:

       Tabelle 2: Sachthemen und ihre theologische Binnenlogik

SachthemenTheologische Binnenlogik
Biographie- steht in Beziehung zur meta-historischen Bedeutsamkeit der Person Jesu Christi (Zerndl)- wird geheiligt- wird mit der kirchlichen Gemeinschaft stärker verbunden
Gemeinschaft- ist von Jesus Christus gesandt- muss den Blick auf alle Menschen und die gesamte Schöpfung richten- ist in konkret verfasster Gemeinde, Diözese und in der Weltkirche erfahrbar
Gottesbild- ist personal- ist von einer liebenden Zuwendung zu allen Menschen geprägt- der Heilige Geist leitet die Kirche
Gabe und Aufgabe- richtet sich sowohl an den Einzelnen wie an die Gemeinschaft- zusätzlich zur Firmung wird ein Charisma zum Aufbau der Kirche und zum Heil der Welt gegeben- beinhaltet eine Zeugenschaft für Jesus Christus in Wort und Tat- führt zur Ausbreitung des Glaubens
Glaubensleben- beinhaltet die Verpflichtung zu einem tugendhaften Leben- steht im gemeinsamen Priestertum durch Taufe und Firmung auf einer sakramentalen Basis
Kommunikation- ist eine persönliche Begegnung mit Jesus Christus in den Sakramenten- ist eine Begegnung mit der göttlichen Wirklichkeit
Passageritual- kann Elemente der Initiation des alltäglichen Lebens übernehmen, darf aber nicht darauf reduziert werden- vereinigt mit Christus- geschieht durch Auflegung der Hände, Salbung der Stirn und die Formel: Sei besiegelt mit der Gabe Gottes, dem Heiligen Geist- Verortung in der konkret verfassten Gemeinde- der Pate als Begleiter unterstützt
Alter- verschiedene örtliche Traditionen sind möglich und erwünscht- Voraussetzung 7. Lebensjahr

      Im Verlauf der Arbeit muss geprüft werden, ob und wie diese Themen in den wissenschaftlichen Diskurs mit Ritualwissenschaften und empirischen Sozialwissenschaften eingebracht und welche Ergebnisse herausgearbeitet werden können. Dadurch können die befreienden Erinnerungen aus der Glaubenspraxis der Kirche in den wissenschaftlichen Diskurs eingebracht werden für eine zeitgemäße Darlegung des christlichen Glaubens mittels nichttheologischer wissenschaftlicher Zugänge (Mette). Die Aussetzung der theologischen Binnenlogik mit Ergebnissen und Herangehensweisen anderer Wissenschaften soll dazu dienen, das Sakrament der Firmung besser zu verstehen und im Hinblick auf die pastorale Praxis besser zu situieren (Först). Dazu ist es allerdings notwendig, die theologisch virulenten Themen der Firmtheologie des Zweiten Vatikanischen Konzils zu fokussieren. Gerade die Firmtheologien des 20. Jahrhunderts bieten viele Ansatzpunkte zur Vertiefung und Ausweitung des Verständnisses der Firmung. Einige Themen werden aber bereits seit Jahrhunderten in der Theologiegeschichte diskutiert, wie das Beispiel der Bedeutung der persönlichen Biographie in der Firmtheologie zeigt, die bereits in der Sakramententheologie Thomas von Aquins zu entscheidender Bedeutung gekommen ist.

      Als eine der großen Leistungen Thomas von Aquins gilt sein Beitrag zur Systematisierung der Sakramentenlehre120. Auch wenn Thomas nicht als erster die Sakramente in den biographischen Kontext eines Menschenlebens eingeordnet hat, so habe er diese Analogie doch originell ausgearbeitet und zur Grundlage seiner Sakramententheologie gemacht121. Damit wandte er sich auch von anderen möglichen Gruppierungen ierungen der Sakramente ab, wie der Einteilung nach Tugenden und Sünden122. Während damit in der Theologie Thomas’ also die Taufe mit der Geburt aus dem Mutterschoß vergleichbar wäre, sei die Firmung mit der Stärkung vergleichbar, die das eigenständige Leben eines Menschen erst ermöglicht. Dies wird bereits im Sentenzenkommentar deutlich123.

      Taufe und Firmung erscheinen bei Thomas von Aquin als zwei Sakramente, die einerseits eng miteinander verwoben sind, weil es um die Analogie zur carnalis nativitas geht. Die Geburt aus dem Mutterschoß ist Voraussetzung für die Stärkung, die zur Überlebensfähigkeit eines Kindes beiträgt. Ähnlich ist auch die Taufe als die Eingliederung in den Leib der Kirche Voraussetzung dafür, dass der Christ / die Christin so gestärkt wird, damit er öffentlich den Namen Christi bekennen kann. Andererseits sind Taufe und Firmung auch voneinander unterschieden, denn die Eingliederung in den Leib Christi wird hier von dem öffentlichen Bekenntnis zu Christus unterschieden. Die Firmung erhält dadurch einen missionarischen Charakter, welcher der Taufe in dieser Weise nicht zugesprochen wird. Zusätzlich gerät die Firmung durch diese Bestimmung in die Nähe des Sakraments der Weihe. Während aber die Firmung „dem Getauften das übernatürliche Handeln als Privatperson [ermögliche, vervollkommene der ordo] den Christen als Amtsperson und als führendes Glied der Kirche“124. Dadurch erhält die Firmung bei Thomas einen Aspekt, der auf das Handeln als gläubiger Christ / als gläubige Christin hin ausgerichtet ist. Dieses Handeln ist möglich durch die perfectio prima, die in der Taufe Grund gelegt ist. Die höchste Vervollkommnung besteht darin, mit dem primus agens in Verbind zu gelangen: „Diese Funktion habe die Eucharistie, weil sie den Christen mit Christus, der Quelle des christlichen Lebens, verbinde“125.

      Thomas bleibt bei dieser Analogie zum biographischen Kontext eines Menschenlebens aber nicht stehen. In seiner Summa Theologiae greift Thomas den Gedanken der perfectio wieder auf und verbindet ihn mit Wachstum und Speise126. Die Firmung wird hier mit dem Wachstum verglichen, das im Menschen schon selbst angelegt sei. Wenn die Firmung mit diesem Wachstum in Verbindung gebracht wird, dann wird man die Taufe als Grundlage und Ursache dieses Wachstumsprozesses voraussetzen. Der Selbstand des Christen / der Christin wird in der Firmung also vermehrt (augmentum) und gestärkt (confirmatio). Die Eucharistie hingegen wird mit all dem verglichen, das durch Hinzufügung (adiunctio) zur Vervollkommnung gelangt. Refectio erinnert dabei an die Erfrischung, aber auch an das Neu- oder Wiedergeschaffensein, das dem gläubigen Menschen in der Eucharistie widerfährt.

      Die Firmung wird bei Thomas allerdings nicht als selbstverständliche Ergänzung der Taufe angesehen. Sie führt zu einer perfectio formalis, weil durch sie ein tugendhaftes Leben besiegelt wird. Dadurch wird sie wieder eng mit der Eucharistie verknüpft, weil die Eucharistie zur perfectio führt, insofern als sie die consecutio finis bezeichnet127.

      In dieser Analogie zur Biographie eines Menschen versteht Thomas eindeutig das Erwachsenenalter als Vervollkommnung des Kindesalters. Vom Jugendalter ist gar nicht die Rede, eine eigene Wertigkeit kommt diesen Lebensabschnitten gar nicht zu. Es wird zumeist von der Stärkung gesprochen, die mit der Firmung gegeben wird. Die Firmung kann aber nicht alleine zur Stärkung des menschlichen Lebens eines Christen / einer Christin beitragen, die Eucharistie darf dabei nicht aus den Überlegungen herausfallen, weil durch sie Stärkung noch einmal ganz sinnlich erfahrbar beim Verzehr der konsekrierten Hostie geschieht. Die Firmung steht

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