Firmung Jugendlicher im interdisziplinären Diskurs. Christian Lutz

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Firmung Jugendlicher im interdisziplinären Diskurs - Christian Lutz Studien zur Theologie und Praxis der Seelsorge

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soll der Christ dies als Privatperson tun, damit das Sakrament der Firmung nicht mit dem Sakrament der Priesterweihe verwechselt werden kann. Insgesamt aber haben alle Sakramente bei Thomas den Zweck, „der Gottesverehrung zu dienen“128. Deshalb müssen alle Sakramente in ihrer Relation zur Eucharistie verstanden werden, weil sie die finis, das Ziel und den Endpunkt aller Sakramente darstellt129.

      Bei Thomas ist Firmung als Sakrament des öffentlichen Bekenntnisses Christi deutlich auf die Taufe bezogen. Er unterscheidet schon im Sentenzenkommentar drei verschiedene Modi, nach denen aliquid spirituale im Empfang der Sakramente, die einen Charakter, ein Merkmal einprägen, übertragen wird. 1) „Uno modo ut aliquis in se spritualia participet“130. Dieser Modus wird in der Taufe übertragen, weil jeder Getaufte an eine spiritualis potentia passiva innehat, also beispielsweise die Vollmacht zum Empfang der Sakramente. 2) „Alio modo ut spiritualia quis in notitiam ducat per eorum fortem confessionem”131. Dieser Modus sei in der Firmung gegeben und befähige zur Standhaftigkeit in Zeiten der Verfolgung, wozu Thomas die Legende des Heiligen Sebastian in Erinnerung ruft. 3) „Tertio modo ut etiam spiritualia credentibus tradat”132. Dieser Modus ist in der Priesterweihe gegeben, die wie Taufe und Firmung auch einen geistlichen Charakter verleiht.

      Thomas warnt ausdrücklich davor, sich aus Furcht dem Sakrament der Firmung zu entziehen133. Taufe, Firmung und das Sakrament der Weihe werden bei ihm mit dem Priesteramt Christi verbunden134. Der sakramentale Charakter, der in Taufe, Firmung und Priesterweihe übertragen wird, ist also auf eine jeweils eigene Art Teilnahme am Priesteramt Christi: „Im Gegensatz zum Taufcharakter, bei dem es sich um ein passives Vermögen zum Empfang der anderen Sakramente handele, werden Firm- und Weihecharakter vom Sentenzenkommentar als aktive Vollmachten ‚zur Ausspendung der Sakramente und zur Ausübung anderer heiliger hierarchischer Handlungen’ bezeichnet“135. Das bedeutet, dass die Sakramente auf die Eucharistie hin bezogen sind. Während die Taufe zum Empfang der Eucharistie berechtigt, ist die Firmung sowohl auf den Empfang der Eucharistie als auch auf die Sendung in der Eucharistie bezogen und das Sakrament der Weihe auf die Vollmacht zur Konsekration. Die Taufe gerät somit in den Bereich des persönlichen, des eigenen Heils, die Firmung erscheint als eine Beauftragung zum Kampf und zur Verkündigung136. Diese aktive Komponente der Firmung wird allerdings durch eine passive ergänzt, wonach die Firmung – wie die Taufe – zum Empfang der Eucharistie befähige und diese vollende.

      Ein ähnliches Verhältnis wechselseitigen Ergänzens und Oszillierens zwischen Aktivität und Passivität zeigt sich auch bei der gratia sacramentalis, die auf der einen Seite bei jedem Sakrament unterschieden sein soll, auf der anderen Seite aber immer die gratia sanctificans beinhalte137. Dadurch löse Thomas von Aquin laut Adolf Adam das schwierige Verhältnis zwischen der Tauf- und der Firmgnade und die Frage nach der Steigerung der Taufgnade durch die Firmgnade138:

      „Durch die Taufe erfolgt eine gewisse Verähnlichung der Seelensubstanz mit dem göttlichen Sein und eine übernatürliche Stärkung der Seelenkräfte durch die mit der heiligmachenden Gnade verbundenen ‚virtutes et dona’. Dieses ‚gottähnliche’ Leben der Seele erfährt durch die spezielle Firmgnade eine Reifung und Vollendung, die auch verstärkend auf die ‚virtutes et dona’ wirkt. Gleichzeitig wird die im Getauften noch vorhandene Schwachheit geheilt und der Gefirmte zu den ihm übertragenen Aufgaben durch besondere Kräfte, deren Quelle die Passion Christi ist, befähigt. Diese Begnadung wird dem Heiligen Geist zugeeignet“139.

      Thomas von Aquin bezeichnet die sacramentorum effectus ausdrücklich als „diversae medicinae peccati, et participationes virtutis dominicae passionis“140. Davon unterschieden sind nochmals die „diversae virtutes et diversa dona Spiritus sancti“141. Die Sakramente stehen somit bei Thomas in einem christologischen Begründungs- und Erklärungszusammenhang, die ihren Höhepunkt in der Theologie des Leidens und Sterbens Jesu Christi findet. Die Gaben des Heiligen Geistes sind auf verschiedene Handlungen der Christen und Christinnen hin ausgerichtet, weil in der Taufe bereits die Mitteilung des Heiligen Geistes gegeben ist. Von einem völligen Fehlen pneumatologischer Überlegungen in der Sakramententheologie Thomas’ zu sprechen, ist allerdings auch nicht korrekt, denn: „Baptismus aquae efficaciam habet a passione Christi, cui aliquis configuratur per Baptismum; et ulterius, sicut a prima causa, a spiritu sancto“142. Damit wird die Wirksamkeit der Taufe nicht nur von der Passion Jesu Christi abhängig gemacht, sondern auch vom Heiligen Geist. Allerdings entfaltet Thomas diese pneumatologische Dimension der Taufe nicht weiter und überträgt sie auch nicht explizit auf die Firmung. Aber die Firmung kann in der Theologie Thomas’ nicht ausschließlich und gegenüber der Taufe als das Sakrament des Heiligen Geistes verstanden werden.

      Die Tauf- und die Firmgnade müssen nach Thomas als verschieden betrachtet werden, weil es sich um zwei verschiedene Sakramente handelt. Deshalb kann die Firmgnade die Taufgnade auch nicht in direkter Weise vollenden. Es gibt aber auch eine Gemeinsamkeit in der Gnade der Sakramente, so dass die Firmung die Gnade, die in der Taufe mitgegeben wurde, vermehrt143. Dabei bleibt Thomas bei dem Vergleich der Ordnung der Sakramente mit dem natürlichen Leben eines Menschen. Die Geburt ist vergleichbar mit dem, was Adam „eine gewisse Verähnlichung der Seelensubstanz mit dem göttlichen Sein und eine übernatürliche Stärkung der Seelenkräfte“144 genannt hat. Die Entwicklung des Menschen, die Thomas mit der perfectio in Verbindung bringt, ist vergleichbar mit der Reifung und Vollendung, die sich in der Firmung ereignet. Dass beide Sakramente in ihrem Verhältnis zur Passion Jesu und zum Sakrament der Eucharistie verstanden werden müssen, zeigt ihre innere Verbindung und das Ziel der perfectio, insofern sie das Ziel menschlichen Lebens darstellt: die Begegnung mit dem primus agens. Deshalb ist auch die spiritualis cognatio, die geistliche Verwandtschaft, nicht nur eine Wirkung der Firmung, wie Adam annimmt145, sondern sie wird durch Taufe und Firmung verwirklicht146, obwohl sie hauptsächlich im Eherecht thematisiert wird147, denn sie stellt ein impedimentum dar148. Die kirchliche Gemeinschaft ist demnach mit einer verwandtschaftlichen Beziehung vergleichbar, was sich auch daran zeigt, dass die Gläubigen in der Liturgie als Schwestern und Brüder angesprochen werden.

      Im Verlauf des 20. Jahrhunderts wurde an die Firmtheologie Thomas’ vermehrt die Frage gestellt, ob hier ein „Umfunktionieren der christlichen Initiation“149 Grund gelegt sei. Es geht hier um die innere Einheit der Sakramente von Taufe, Firmung und Eucharistie bei der Eingliederung in die Kirche. Thomas von Aquin hatte zwar die Zusammengehörigkeit dieser drei Sakramente herausgearbeitet, allerdings hatte er sie auch als eigene Sakramente unterschieden und damit die Entscheidung des Konzils von Florenz maßgeblich beeinflusst150. Man wird allerdings nicht ohne weiteres behaupten können, dass Thomas von Aquin mit Taufe und Firmung „zwei selbständige Sakramente“151 unterscheidet, wie Amougou-Atangana dies tut, als wäre von Thomas eine strikte Trennung zwischen Taufe und Firmung in die Theologiegeschichte eingeführt worden. Die innere Verwiesenheit beider Sakramente und der Bezug zur Eucharistie und Priesterweihe treten bei Thomas deutlich zu Tage. Überhaupt scheint Amougou-Atangana die Theologie Thomas’ sehr einseitig und offenkundig ausschließlich negativ zu beurteilen. Seiner Ansicht nach müsse, wenn von Entfaltung und Reife im menschlichen Leben die Rede sei, von der Eucharistie noch eher als von der Firmung gesprochen werden152. Genau dies hat Thomas aber auch getan als er von der perfectio gesprochen hat, die in Firmung und Eucharistie verliehen wird.

      Hans Küng hält eine Trennung von Taufe und Geistmitteilung in den Schriften des Neuen Testaments für illegitim153. Sein Schüler Jean Amougou-Atangana fragt nach einem patristischen Autor, der die Unterschiedenheit von Taufe und Firmung bezeuge154. Diese Kritik an der Theologie Thomas’ blieb wiederum selbst nicht unhinterfragt. So wurde die Frage gestellt, ob es nun einzelne Theologen seien, die entscheiden, was ein Sakrament der Kirche ist oder was es nicht ist155. Sollen Fragen nach der Berechtigung einer von der Taufe und der Erstkommunion losgelösten Feier der Firmung überhaupt beantwortet werden können, dann laut Karl Lehmann „nur im Rahmen einer umfassenden neutestamentlichen Theologie

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