Firmung Jugendlicher im interdisziplinären Diskurs. Christian Lutz

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Firmung Jugendlicher im interdisziplinären Diskurs - Christian Lutz Studien zur Theologie und Praxis der Seelsorge

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beziehungsweise ermöglicht den subjektiven und persönlichen Vollzug dieser Heilsgabe im alltäglichen Leben.

      In diesem Zusammenhang steht auch die Sendung in der Firmung, wenn sie wirklich eine Sendung der Kirche ist und die Kirche in ihrer Zugehörigkeit zu Jesus Christus ausgesandt wird. Die Herausforderung für das Handeln der Kirche und damit für das Handeln der Getauften und Gefirmten liegt in den Erklärungen Rahners vor allem darin, dass im jeweiligen Akt sakramentalen Lebens, aber auch des alltäglichen Lebens von Christinnen und Christen Gottes Gegenwart präsent werden soll und muss. Nur so wird verständlich, dass alle Christen tatsächlich einen Auftrag zur Seelsorge haben und Rahner sogar von einer Weihe des Laien zur Seelsorge spricht, wobei an dieser Stelle das Wort Weihe nicht in Konkurrenz zum hierarchisch verfassten Priestertum treten soll. Es geht hier eher um den Anspruch an die Laien, also an die Getauften und an die Gefirmten, die Botschaft von Gottes Heilshandeln in Liturgie und im alltäglichen Leben konkret greifbar werden zu lassen. Es geht dabei um den Anspruch, Gottes Liebe und damit Gott selbst deutlich zu machen und zwar für alle Menschen zum Zeichen dafür, dass Gott tatsächlich in der Welt handelt und dass Gott eschatologisch endgültig gehandelt hat. Wenn sich Gott tatsächlich selbst schenkt und wenn Orte des kirchlichen Handelns für Rahner gerade Wahrheit und Liebe sind, dann müssen umgekehrt diese Orte auch zu wichtigen Erkennungszeichen für Getaufte und Gefirmte werden. Christinnen und Christen müssen demnach, wie die Kirche selbst, zunächst hören und dann zum Mittel für Gottes Heilsangebot an alle Menschen werden. Dass dabei auch für Gefirmte die Unterscheidung zwischen dem, was der Kirche eschatologisch gültig anvertraut ist und dem, was als aktueller Selbstvollzug zu verstehen ist, schwierig ist, fordert mit Sicherheit Bildung. In Rahners Sprache aber vor allem Zeugnis der tätigen Liebe Gottes im alltäglichen Leben der Christinnen und Christen.

      Ein Verständnis, das hierarchisch verfasstes Priestertum und allgemeines Priestertum aller Getauften voneinander absondert, kommt für Rahner nicht in Frage. Die verschiedenen Gaben Gottes an die Christinnen und Christen lassen sich nach Rahner nur als „Amt und freies Charisma“203 verstehen. Diese Gaben gehören für Rahner zusammen, sie können nicht vollständig voneinander getrennt werden, weil einerseits echtes charismatisches Handeln nur in der Kirche stattfinde und andererseits das Amt nur in der Kirche, nicht gegenüber der Kirche, Vollmacht habe, beziehungsweise jedem Amtsträger selbst freies Charisma mit gegeben ist. Rahner umschreibt das Charisma der Amtsträger auch als freies Charisma, weil „biblisch und sachlich auch die Amtsvollmachten in der Kirche Gnadengaben Gottes sind“204. Im Grunde genommen geht es ihm um die Einheitlichkeit des göttlichen Heilswirkens an der Kirche und um die Zusammengehörigkeit jeglichen Handelns der Kirche, also aller Christinnen und Christen, auf der Basis der eschatologisch gültigen Präsenz Gottes im kirchlichen Dasein und Handeln.

      Was Rahner nun genau unter Charisma versteht, zeigt sich in einem Aufsatz, in dem er über das Handeln von Christinnen und Christen als einzelnen in der Kirche spricht. Er fragt:

      „Wie rüste ich den konkreten Christen mit der Einsicht und Kraft aus, die er zum christlichen Bestehen der Situation braucht, die ihm eine sittliche Aufgabe stellt, deren richtige Lösung konkret ihm nicht mehr so unmittelbar von der amtlichen Kirche gesagt werden kann?“205

      Wenn es darum geht, im jeweiligen sakramentalen Handeln der Kirche und in der Glaubensverkündigung, Gottes Gegenwart zu präsentieren und wenn die Christinnen und Christen dazu aufgerufen sind, in ihrem alltäglichen Tun auch die Gegenwart Gottes erfahrbar und wirklich werden zu lassen, dann sind der Kirche nach Rahner Charismen mitgegeben. Die Bestimmung des Charismas bei Rahner hält sich nahe an die paulinische Definition als „geordnete Entfaltung der christl. Berufung in ihren versch. Trägern, die sich u. U. als außergewöhnl., dem Wunder verwandte Erscheinung manifestiert, grundsätzlich aber die der Kirche zum Heilsdienst gegebene, bleibende Gnadenkraft bedeutet“206. Gerade an den Orten, an denen die hierarchisch verfasste Amtskirche am wenigsten präsent zu sein scheint, ist deshalb ein Handlungsort für die Getauften und Gefirmten, indem sie ihr Leben als Christinnen und Christen bestehen. Alltag und der Kirche abständige Gemeinschaften sind deshalb genuine Orte christlichen freien Charismas. Denn das Charisma entfaltet sich immer im Bekenntnis zu Jesus Christus, dem Herrn, in dem Gottes eschatologische Heilszusage unüberbietbar geworden ist207. Und das Charisma ist dort als echt zu bezeichnen, wo es zum Dienst am Aufbau der Gemeinde beziehungsweise zur Handlungsauftrag der Kirche beiträgt208.

      Das christliche Charisma hat deshalb nichts mit der charismatischen Herrschaft zu tun, die Max Weber in seinem Werk Wirtschaft und Gesellschaft analysiert hat209. Für Weber ist Charisma und die im Charisma begründete Herrschaft etwas Außeralltägliches. Die Beherrschten stehen dem von Gott gesandten oder übernatürlichen Helden gegenüber und vertrauen in ihrer Not auf ihn. Christliches Charisma soll aber im Alltag seine Auswirkung finden – im Tun und Handeln aller Christinnen und Christen. Es hat nichts mit Herrschaft zu tun, sondern eher damit, dass der Träger des Charismas, der Christ, Gottes Herrschaft über sich anerkennt als Gottes liebende Zuwendung. Charisma wird dadurch auch zu einer Befähigung, in der persönlichen Situation als Christ / als Christin bestehen zu können.

      Aus diesem Grund ist es nicht falsch, wenn Hans Küng in seinem umstrittenen Buch Die Kirche das Charisma als eine alltägliche, vielfältige und in der ganzen Kirche allgemeinen Erscheinung210 versteht. Beginnt man nun aber wie Küng von einer charismatischen Grundstruktur der Kirche zu sprechen, der die kirchliche Ämterstruktur nur dienend beigeordnet wäre211, so ist das in der Theologie Rahners weder durch die eschatologische Präsenz Gottes in der Kirche gedeckt, noch durch die Aktualpräsenz des apriorischgnadenhaften Existentials, durch das Gottes Gegenwart Wirklichkeit werden will. Denn wenn die charismatische Berufung „mit bestimmten Personen verbunden bleibt“212, dann stellt sich die Frage, wie die Kirche als Ganze denn nun bestimmt, wer in welcher Weise charismatisch berufen ist. Unter Umständen wäre mit der charismatischen Grundstruktur der Kirche dem Besonderen und Exotischen der Vorrang gegenüber dem Alltäglichen eingeräumt. Genau das hat Rahner aber in seiner Konzeption des Charismas vermieden.

      Für Gotthold Hasenhüttl, der seine Habilitationsschrift bei Hans Küng angefertigt hat, bedeutet die angesprochene charismatische Grundstruktur der Kirche, dass „jeder seinen Platz in der Gemeinde hat, der ihm durch die Vollmacht geschenkt ist, daß dieser Platz der Ort ist, an dem er durch sein Charisma gestellt wurde, und daß er gerade an diesem Ort Kirche mitkonstituiert“213. So wichtig es ist, dass jeder Christ und jede Christin ihren Platz in der Kirche findet, so sehr müsste man in der Theologie Rahners darauf hinweisen, dass alle Christen diesen Platz schon haben, indem sie in ihrem Glauben und Leben die Gegenwart Gottes wirklich werden lassen. In Rahners Denken ist es deshalb weniger ein Platz oder ein Ort, durch den die Mitkonstitution der Kirche durch jeden Christen persönlich zustande kommt, sondern es ist eher das eigene Handeln, das zum Zeichen für die gnadenhaft geschenkte Präsenz Gottes in der Kirche und in der Welt werden soll. Dieses charismatische Handeln muss sich nicht durch große Begabungen äußern. Rahner verweist neben den großen enthusiastischen Bewegungen auch auf die Tugenden, auf die „Bewältigung des Alltags, [das] Durchhalten in geistesgeschichtlich ungünstigen Situationen“214, denen charismatische Valenz zukommt und zählt „nüchterne Gaben und Talente unter die Charismen […] zum Wohl der ganzen Kirche“215.

      In einer immer unübersichtlicher werdenden Welt, die durch Automation, Kybernetik und einem „schon neurotisch werdenden Sicherheitsbedürfnis“216 gekennzeichnet ist, entdeckt Rahner auch Kräfte, die dem Charismatischen feindlich gegenüber stünden. Er nennt unter anderem die Einstellungen, alles wäre planbar und habe deshalb auch Erfolg, die Macht der Masse, die das Leben des Einzelnen weniger wichtig erscheinen ließe, die Abhängigkeit von gesellschaftlichen Institutionen und vieles mehr. Charismatisches Handeln ist deshalb ein Tun, das nicht auf Planbarkeit setzt, sondern auf Gottesbeziehung. Es ist ein Handeln, das den einzelnen Menschen persönlich angeht und kaum über eine große Masse verfügen

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