Firmung Jugendlicher im interdisziplinären Diskurs. Christian Lutz

Чтение книги онлайн.

Читать онлайн книгу Firmung Jugendlicher im interdisziplinären Diskurs - Christian Lutz страница 8

Firmung Jugendlicher im interdisziplinären Diskurs - Christian Lutz Studien zur Theologie und Praxis der Seelsorge

Скачать книгу

und terminologischen Übernahmen“60, so Koch. Dies sei beispielsweise in der französischen Liturgiewissenschaft vor dem Zweiten Vatikanischen Konzil wieder aufgegriffen worden und habe Eingang in die Texte des Konzils gefunden.

      Die Sakramente und damit auch die Firmung haben eine soziale Dimension. Sie dienen zum Aufbau der Kirche, gerade auch in den Einzelgemeinden, die besonders als territorial umschriebene Pfarreien, in gewisser Weise die Gesamtkirche darstellen61. In dieser Zuschreibung von Pfarrei / Gemeinde und Kirche sieht Zerndl auch die Wirkung der Initiationssakramente: „christliche Initiation erschöpft sich nicht in ‚Gemeinde’, aber die Eingliederung in ‚Gemeinde’ ist ein wesentliches Ziel“62. Dieses wird schon aus dem Grund deutlich, dass die Wirksamkeit der Sakramente vom Paschamysterium abhängig gemacht wird. So wird in SC 61 die Wirkung der Sakramente und Sakramentalien aus dem Christusereignis abgeleitet und eigens betont, dass der rechte Gebrauch aller materiellen Dinge auf das Ziel hin ausgerichtet ist, den Menschen zu heiligen und Gott zu loben. Initiation und Firmung müssen also von der „metahistorische[n] Bedeutsamkeit der Person Christi“63 her verstanden werden. Damit einher geht aber auch die Öffnung der Gemeinschaft auf andere Menschen und auf die gesamte Schöpfung hin. Christliche Initiation beinhaltet immer auch eine Sendung, denn die Firmung trägt wie alle Sakramente und wie jedes individuelle menschliche Leben64 dazu bei, „das Leben in seinen verschiedenen Gegebenheiten“65 zu heiligen. Diese biographische Bedeutung der Sakramente stellt die Firmung in die Nähe einer Begleitung oder auch Heiligung der Lebenszeit, in der sie empfangen wird, also zum Beispiel dem Jugendalter. Dies kann eben darin geschehen, dass das Leben Jesu für das persönliche Leben von Christinnen und Christen der Gegenwart Bedeutung erlangt. Deshalb wird die Firmung theologisch sowohl im Pfingstgeschehen verortet sein als auch im Pascha-Mysterium.

      Die Dogmatische Konstitution Lumen Gentium über die Kirche hat sich folgendermaßen zur Firmung geäußert: „Durch das Sakrament der Firmung werden sie [die Getauften] vollkommener der Kirche verbunden und mit einer besonderen Kraft des Heiligen Geistes ausgestattet. So sind sie in strengerer Weise verpflichtet, den Glauben als wahre Zeugen Christi in Wort und Tat zugleich zu verbreiten und zu verteidigen“66. Diese Wendung findet sich im Zweiten Kapitel über das Volk Gottes und beschreibt das priesterliche Gottesvolk. Der Christ / die Christin wird in der Firmung also mit der Kraft des Heiligen Geistes ausgestattet und so individuell für das Leben gestärkt, gleichzeitig wird er / sie vollkommener mit der Kirche verbunden und so wird die Gemeinschaft, die Kirche, gestärkt. Die Firmung ist also sowohl subjektiv bedeutsam als auch ekklesial. Sie steht mit der Taufe genau an dem Schnittpunkt der Zugehörigkeit des Einzelnen zur Kirche. Firmung ist zunächst einmal eine Gabe und zwar sowohl an den einzelnen Christen als auch an das gesamte priesterliche Gottesvolk. Die Firmung beschreibt aber auch eine Aufgabe. Während alle Getauften die Pflicht haben, ihren Glauben „vor den Menschen zu bekennen“67, sind die Gefirmten in strengerer Weise verpflichtet, Zeugen Christi zu sein und den Glauben in Wort und Tat zu verbreiten und zu verteidigen. Der christologische Begründungszusammenhang der Firmung wird hier mit einer Theologie des Volkes Gottes ergänzt, das in der Firmung eine Stärkung erfährt. Deshalb wird eine komparative Sprechweise zur Erklärung der Firmung herangezogen. Damit tritt auch die Verpflichtung zur missionarischen Tätigkeit für die Gefirmten deutlich in den Vordergrund. Bei der Verbreitung des Glaubens ist allerdings auch seine Verteidigung mit impliziert. Dadurch beinhaltet die Firmung sogar den Auftrag zu apologetischem Wirken. Die Beziehung der Firmung auf die Verbreitung des Glaubens in Wort und Tat und der Einleitungspassus von LG 1168 verweisen obendrein auf ethische Implikationen des Sakramentes der Firmung. Darüber hinaus weist LG 11 neben dem christologischen Bezug der Firmung auch auf die pneumatologische Dimension hin. Neben der ethischen und missionarischen Verpflichtung werden auch spirituelle Aspekte der Zeugenschaft für Christus erwähnt.

      Während für Peter Hünermann in LG 11 die einzelnen Christinnen und Christen als „Empfänger der Sakramente im Blickfeld“69 stehen, verweist Josef Zerndl auf die Aussagerichtung von LG 1170: Alle Aussagen beziehen sich auf die Wirkung des Sakramentes der Firmung. Die Entstehungsgeschichte von LG 11 zeige aber zudem, dass ursprünglich ein eigenes prophetisches Betätigungsfeld der Gefirmten angedacht war, das ein Desiderat geblieben ist. Anstelle dessen stünde in der Endfassung der Verpflichtungscharakter im Vordergrund. Entscheidende neue Aspekte in der Firmtheologie seien die Verlagerung des Schwerpunktes von der Verteidigung des Glaubens auf die Ausbreitung des Glaubens, ebenso wie die subjektive und ekklesiale Dimension im Sakrament der Firmung. Auch die Zeugenschaft für Christus in Wort und in Tat habe die bis zum damaligen Zeitpunkt vorherrschende Theologie der Firmung bereichert. Man könne dabei aber nicht von einem eigenen Auftrag an die Gefirmten sprechen, denn die Zugehörigkeit zur Kirche und die Verpflichtung zum Glaubensbekenntnis vor den Menschen ist in der Taufe bereits Grund gelegt71. Bedacht werden müsse ebenso, dass in LG 11 nicht von einer einheitlichen christlichen Initiation gesprochen wird. Die Firmung wird eher komparativ mit der Taufe in Beziehung gestellt, indem erneut von einem mehr die Rede ist. Dieser Komparativ erscheint aber eher als eine Zunahme, ein Wachstum oder eine Steigerung, als eine Herabsetzung der Taufe. Dennoch komme, so Peter Hünermann, das Volk Gottes als ein „in der Öffentlichkeit agierendes Handlungssubjekt [nicht deutlich zum Vorschein. Gesprochen wird] lediglich davon, dass durch die Gläubigen die Einheit des Volkes dargestellt wird“72. Auf dieser Grundlage wird in Herders Theologischem Kommentar zum Zweiten Vatikanischen Konzil die Passage aus LG 11: Sacramento confirmations perfectius Ecclesiae vinculantur übersetzt mit der deutschen Wendung: „Durch das Sakrament der Firmung werden sie vollkommener an die Kirche gebunden“73. Deutlich wird dadurch ersichtlich, dass Hünermann die Beziehung der Firmung zum „messianischen Charakter des Gottesvolkes“74 vermisst.

      Dafür wird die Zeugenschaft für Christus in der Firmung noch einmal besonders bedeutsam, wenn von der Mitarbeit der Laien an der Sendung der Kirche in LG 33 die Rede ist: „Der Apostolat der Laien ist Teilnahme an der Heilssendung der Kirche selbst. Zu diesem Apostolat werden alle vom Herrn selbst durch Taufe und Firmung bestellt“. Durch das Zueinander von Laienapostolat, Heilssendung der Kirche und den nicht genau differenzierten Sakramenten Taufe und Firmung wird die Berufung des christlichen Lebens mit dem Laienapostolat identifiziert. Das bedeutet, dass das Mittun der Laien keine Hilfsarbeit für die Priester ist, sondern aus Taufe und Firmung direkt abgeleitet werden muss: es ist ein Grundcharakter christlicher Existenz75. Über LG 11 hinaus wird damit das Laienapostolat auf eine sakramentale Grundlage gestellt und nicht nur als eine Verpflichtung verstanden, die sich aus Taufe und Firmung heraus ergeben würden. Bemerkenswert ist, dass auf der Grundlage einer eschatologischen Sichtweise der Sakramente auch dem Laienapostolat eine eschatologische Dimension zugesprochen wird, wenn auch nur am Rande76.

      Dass die Kirche als allumfassendes Heilssakrament verstanden wird77 und dass die Taufe Christus gleich gestaltet und der Empfang der Eucharistie Anteil am Leib des Herrn ist78, führt zu einer Theologie der Taufe als Begründung der Eingliederung in die Kirche und einer Theologie der Eucharistie als Zielpunkt der Eingliederung. Dies zeigt sich im Besonderen im Dekret Presbyterorum Ordinis. Über Dienst und Leben der Priester 2 und 5. Wenn es „kein Glied [am mystischen Leib Christi gibt], das nicht Anteil an der Sendung des ganzen Leibes hätte [, dann muss jedes Glied] vielmehr Jesus in seinem Herzen heilighalten und durch den Geist der Verkündigung Zeugnis von Jesus ablegen“79. Für Zerndl ist deshalb das gemeinsame Priestertum aller Gläubigen die „Voraussetzung für das Amtspriestertum“80. An eine Beauftragung des Amtspriestertums durch das gemeinsame Priestertum aller Gläubigen sei damit allerdings nicht gedacht. Dadurch, dass das Amtspriestertum nicht aus der Taufe abgeleitet wird, würde PO 2 den Gedanken an eine Weihe des Laien zum Apostolat nicht rechtfertigen: „Firmung kann nicht als eine Art niedere Weihe betrachtet werden; sie gehört theologisch zur Taufe, nicht zum Amt“81. Deshalb absorbiert der sakramentale priesterliche Dienst „Taufe und Firmung nicht, sondern [er] setzt sie voraus“82. Die Befürchtung, das Amtspriestertum vom gemeinsamen Priestertum aller

Скачать книгу