Aktive Gewaltfreiheit. Группа авторов

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Aktive Gewaltfreiheit - Группа авторов

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Position verschafft. Trotz der Heterogenität war diesen Gruppierungen gemeinsam, dass sie

      – eher ethnisch-homogen zusammengesetzt waren,

      – eine Gewaltanwendung völlig oder zumindest auf deutschem Boden abgelehnt haben,

      – ihre Politik eher auf die Herkunftsländer bezogen war

      – und die Altersstruktur eher ab 30 Jahre begann.

      Ab den 2000er Jahren taucht eine weitere Bewegung auf, die nicht nur Deutschland als Missionierungs- und Aktionsgebiet betrachtet, sondern sich überwiegend aus jungen Menschen rekrutiert: die Salafisten. Anders als die vorherigen fundamentalistischen Bewegungen handelt es sich auch nicht um ein reines Migrantenphänomen, da sich zahlreiche Konvertiten unter den Salafisten befinden. Es handelt sich hierbei einerseits um Deutschstämmige, die zum Islam konvertiert sind und sich diese extreme Form ausgewählt haben. Zum anderen um Jugendliche, die aus muslimisch-säkularen Familien stammen und wieder zu ihren religiösen Wurzeln zurückkehren möchten. Gemeinsam ist den Anhängern des Salafismus, dass Brüche in ihren Individualbiographien typisch sind. Attraktiv ist diese Bewegung für Jugendliche auch deshalb, weil sie sich als universelle Oppositionsbewegung versteht und ihre Anhänger eine Selbstaufwertung erleben. Vor allem für gescheiterte Biographien fällt dieses Identifikationsangebot auf fruchtbaren Boden. Das Zusammengehörigkeitsgefühl wird durch ein enges Gemeinschaftsleben und durch Dress-Codes zum Ausdruck gebracht.

      Aus einer Außenperspektive wird diese Bewegung oft als eine homogene Gruppe wahrgenommen, obwohl es sich um eine heterogene Strömung handelt. Diese kann man grob in folgende drei Hauptgruppen aufgliedern:

      – puristische Salafisten: Diese Strömung verfolgt das Ziel, ein frommes Leben zu führen und durch Missionierung langfristig eine islamkonforme Gesellschaft nach fundamentalistischen Prinzipien zu schaffen. Das zentrale Motto hierbei ist: Gott verändert eine Gesellschaft nur, wenn jeder Einzelne sich ändert. Daher werden politische wie auch gewalttätige Mittel abgelehnt. Stattdessen konzentriert sich diese Strömung auf das eigene soziale Umfeld, um das eigene Gedankengut zu verbreiten und Frömmigkeit als Basis für eine religiöse Staatsform zu schaffen.

      – politische Salafisten: Anders dagegen sind die politisch-orientierten Salafisten, die durch öffentliche Auftritte und gezielte medienwirksame Inszenierungen für ihr Gedankengut werben wollen. Aktionen wie Koranverteilungen sind nur ein Beispiel dafür, wie sehr diese Strömung die Öffentlichkeit sucht. Ebenso sind politische Demonstrationen usw. ein Mittel, um die eigene Botschaft zu transportieren. Allerdings darf man nicht glauben, dass sie auch an einer politischen Partizipation wie aktive oder passive Wahlen im System interessiert seien. Im Gegenteil: das demokratische System wird als ein polytheistisches System betrachtet, da es nicht auf dem Gotteswillen, sondern auf dem Volkswillen basiere. Daher sei jede Art von Teilnahme an diesem System ein polytheistisches Ritual und Befürworter des Systems seien „Ungläubige“. Ebenso werden Muslime als Häretiker betrachtet, wenn sie sich demokratisch verstehen.

      – gewaltbereite Salafisten: Die gewaltbereite Strömung sieht weder im puristischen Missionieren noch in politischen Aktionen ein legitimes Mittel, um ihre fundamentalistische Weltanschauung zu verbreiten. Vielmehr wird Gewalt sowohl als Mittel zum Zweck als auch als Ziel an sich gesehen. Als Mittel deshalb, um langfristig einen „Islamischen Staat“ zu schaffen. Als Ziel deshalb, weil allein der Kampf gegen „Ungläubige“ einen Gottesdienst darstelle. Seit Kain und Abel sei die Weltgeschichte durch diesen Kampf geprägt, daher müsse man den Unglauben bekämpfen – unabhängig vom Ergebnis. Unter „Ungläubig“ werden jedoch nicht nur Nicht-Muslime wie Juden oder Christen subsumiert, sondern auch der Großteil der Muslime, die nicht der Ideologie der gewaltbereiten Salafisten Folge leisten.8

      Während diese dritte Kategorie die anderen Strömungen zwar immer eher als Ausnahmeerscheinung begleitete, hat sich das durch die sogenannte militante Gruppe „Islamischer Staat“ in Syrien und Irak dramatisch geändert. Ihr brutales Vorgehen gegen Menschen und historischkulturelle Stätten wird dabei mit der religiösen Argumentation untermauert, sie seien gottlos. In einem rasanten Tempo hat diese Bewegung weltweit Anhänger gefunden. Schockierend ist insbesondere die Tatsache, dass in westlichen Gesellschaften sozialisierte junge Menschen aus ihren Heimatländern ausgereist sind, um sich dieser Terrorgruppe anzuschließen. Mittlerweile sind auch mehrere kampferprobte Anhänger wieder in ihre Herkunftsländer zurückgekehrt und stellen eine akute Terrorgefahr dar; so sind sie eine große Herausforderung für pädagogische und religiöse Institutionen.

      Theologische Herausforderungen und interreligiöse Akzentsetzung

      Zwar stellen die Salafisten mit etwa 10.000 Anhängern eine absolute Minderheit innerhalb der mittlerweile 5 Millionen Muslime in Deutschland dar, doch nehmen sie im Islamdiskurs eine gewichtige Rolle ein. Sie tragen wesentlich dazu bei, dass der Islam mit Gewalt assoziiert wird. Während die Mainstream-Muslime seit Jahren versuchen, gerade nicht diesem Image zu entsprechen, versuchen vor allem gewaltbereite Salafisten, genau diese Assoziation zu zementieren. Die Mainstream-Gemeinden wie die muslimischen Dachverbände, die als Ansprechpartner für die Politik fungieren, versuchen zudem dem Salafismus entgegenzuwirken. Sie verfügen aber weder über das pädagogische noch das deutschsprachige theologische Personal, um in dieser Sache effektiv zu handeln. Daher nehmen sie in Präventionsprogrammen als Kooperationspartner und „Wegweiser“ eine begleitende und beratende Rolle ein. Es sind die Pädagog/innen, die versuchen auf sozialräumlicher Ebene Jugendliche von extremistischen Milieus fernzuhalten. Ebenso werden Aussteigerprogramme angeboten, um eine Wiedereingliederung der Jugendlichen in unsere Gesellschaft zu gewährleisten. Weitere Akteure im Feld sind die Akademiker, überwiegend aus den Sozialwissenschaften, die sich mit diesem Phänomen beschäftigen. Mit Analysen und Ursachenforschung wird versucht, diese Bewegung zu verstehen und Handlungsempfehlungen zu formulieren. Allerdings ist anzumerken, dass trotzdem kaum empirische Untersuchungen zum Salafismus im deutschen Kontext existieren. Die wenigen Studien wie die Analyse der Chatprotokolle des Forschungsnetzwerkes Radikalisierung und Prävention (FNRP) versprechen aber wichtige Hinweise, wie die gruppeninterne Dynamik funktioniert und welche Faktoren zur Radikalisierung beitragen.9 Ebenso existieren mittlerweile auch Handbücher für die Praxis, um auf der Ebene von Schule, Gemeinde und Jugendeinrichtung dieses Phänomen zu verstehen und entsprechend zu handeln. Darüber hinaus existieren bereits zahlreiche populärwissenschaftliche Bücher, die sich mit dem Thema Salafismus auseinandersetzen.

      Während also in den (Populär-)Wissenschaften Publikationen zu diesem Thema entstanden sind, sind bisher kaum genuin theologische Untersuchungen zum Thema Salafismus initiiert worden. Obwohl bereits mehrere Institute für Islamische Theologie in den letzten Jahren gegründet worden sind, wird die Forschung zum Salafismus von den Sozialwissenschaften dominiert. Gerade historische und gegenwartsbezogene Analysen zum theologischen Hintergrund sowie Ansätze einer gewaltfreien Theologie sind akuter denn je. Nur wenige deutsch-muslimische Autoren haben zu Gewaltfreiheit gearbeitet. Einer der Pioniere, die die Friedenstradition des Islam besonders akzentuiert haben, war Abdoldjavad Falaturi mit seinen Schriften in den 1990er Jahren.10 Gegenwärtig arbeitet besonders Muhammad Sameer Murtaza – der zugleich in der Stiftung Weltethos tätig ist und sich diesen universellen Werten verantwortlich fühlt – zu diesem Thema.11 Im christlichen Kontext kann dieser Ansatz auf eine lange Tradition zurückblicken. Insofern stehen zahlreiche christliche Theologen als potenzielle Kooperationspartner für interreligiöse Studien zur Verfügung. Denn wie oben gesagt, haben alle Weltreligionen in ihrer Geschichte und Gegenwart fundamentalistische Strömungen hervorgebracht. Im Kontext der abrahamischen Religionen ist zu konstatieren, dass aufgrund der geistigen Affinität von Judentum, Christentum und Islam sich eine interdisziplinäre Zusammenarbeit besonders empfiehlt.

      Fazit

      Die monotheistischen Religionen haben bis heute mit dem Vorurteil zu kämpfen, dass sie aufgrund ihrer Gottesvorstellung intolerant sind und die Wurzel von Konflikten bilden. Gegenwärtig wird vor allem auf die abrahamische Religion

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