Zivilstand Musiker. Группа авторов

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auf ein kantonales Gesetz, ein limitiertes Obligatorium der Krankenversicherung in Kraft, das 44 Prozent der Einwohner erfasste. Und Ende des Jahrzehnts folgte die Regelung der Altersbeihilfe mit garantierten Ansprüchen und fixierten Leistungen – eine wichtige Neuerung, auch wenn die über 65-Jährigen erst fünf Prozent der Bevölkerung ausmachten. Alle diese Aufwendungen hielten sich bis zur Krise in den 1930er-Jahren in Grenzen.

      Expandierender Verkehr

      Schon bald nach der ersten Eingemeindung hatten private Unternehmen zur Erschliessung der neuen Stadtquartiere elektrisch betriebene Tramlinien angelegt.58 Das nicht durchwegs zusammenhängende Netz reichte bis in Vororte wie Oerlikon, Seebach, Schlieren und Dietikon. Die 1896 gegründete Städtische Strassenbahn übernahm sukzessive die privaten Gesellschaften und baute das Netz weiter aus. In den frühen 1920er-Jahren kamen etwa die Strecken Rigiplatz – Irchelstrasse, Letzigraben – Albisrieden und Kirche Fluntern – Allmend hinzu, die letztgenannte Verbindung wurde 1924 knapp fünf Monate nach der Volksabstimmung eröffnet.59

      Ideen für eine S-Bahn, wie sie im Stadtplanungswettbewerb aufgetaucht waren, verschwanden für Jahrzehnte, während der motorisierte Individualverkehr rasch zunahm. 1920 waren in Zürich 1400 Autos registriert, 1928 bereits 7000.60 Die erschreckend hohen Unfallzahlen – 1929 kamen 28 Menschen ums Leben, 61 2018 hingegen, bei 25-fachem Autobestand, 10 – sind Folge eines noch wenig geregelten Nebeneinanders von Fussgängern, Velos, Fuhrwerken und Autos (bei offiziellem Tempo 18 innerorts). Die Entwicklung stiess zwar auf Widerstand, gerade auch auf dem Land, wo die eigene Motorisierung geringer war. Die Kritik betraf aber eher nur einzelne Auswirkungen. Die Regierung erliess 1920 ein Fahrverbot an Sonntagnachmittagen im Sommer ausserhalb von Zürich und Winterthur62 und ersetzte es 1923 durch eine Reduktion der Höchstgeschwindigkeit. Ein Initiativbegehren «um vermehrten Schutz vor den Motorfahrzeugen», das unter anderem ein fünfstündiges Nachtfahrverbot und härtere Sanktionen verlangte, wurde 1924 klar verworfen.

      Der Bahnverkehr verbesserte sich durch die Elektrifizierung des Netzes, namentlich der Verbindungen von Zürich nach Zug (1923), Olten und Winterthur (1925). Die Luftfahrt steckte noch in den Anfängen, entwickelte sich aber rasch, auch wenn 1920 zwei Mal ein Wasserflugzeug in den Zürichsee abstürzte. 1919 wurde ein Luftpostdienst innerhalb der Schweiz eingerichtet, 1923 bot eine britische Gesellschaft erstmals drei Flüge pro Woche von Zürich über Basel und Paris nach London an.63 Die Zahl der Passagiere stieg in sechs Jahren von 1302 auf 8493 (1929).64 Das Volk hiess zwar die staatliche Förderung grundsätzlich gut, sagte aber 1930 klar Nein zu einem grösseren kantonalen Kredit für den Ausbau des Flugplatzes Dübendorf, ohne damit das Vorhaben definitiv zu verhindern.

      Kämpfe um neue Freizeitkultur

      Ein gesellschaftlicher Wandel zeigte sich nicht zuletzt in der Art, wie die – spärliche, aber wachsende – Freizeit verbracht wurde. Der Sport65 nahm nach dem Krieg einen Aufschwung. Populär waren besonders Fussball, Leichtathletik und Radfahren, 1923 fand die Rad-Weltmeisterschaft in Zürich statt. Zur direkten Subventionierung von Sportvereinen fehlten der Stadt die Mittel. Sie verpachtete indes 1923 das Letzigrund-Areal an den Fussballclub Zürich und den Utogrund an die Arbeiter-Turn- und Sportvereinigung. 1922 ging nach einem Kampf gegen moralische Widerstände das städtische Strandbad («Sonnen-, Luft- und Schwimmbad») Mythenquai in Betrieb.66 Zur Ertüchtigung (in Badeanstalten) kamen damit Erholung und Vergnügen hinzu – dass eine signifikante Holzwand zwischen Männer- und Frauenbereich auf Druck des Publikums bald entfernt wurde, erschien als besonderer Durchbruch. Der individualistische Zug des Sports, besonders des Leistungssports, im Gegensatz zur kollektiven Disziplin des Turnens, weckte sowohl auf konservativer als auch auf sozialistischer Seite einigen Argwohn. Wegen der weltanschaulichen Spannungen verlor der Schweizerische Arbeiter-Turn- und Sportverband (Satus) Ende des Jahrzehnts zahlreiche Sportorganisationen als Mitglieder.

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      Ein Höhepunkt des Kammerorchesters Zürich war die Aufführung der Marionetten-Kurzoper «El retablo de Maese Pedro» von Manuel de Falla mit Bühnenbild und Figuren von Otto Morach im Juni 1926 am IV. Fest der Internationalen Gesellschaft für Neue Musik in Zürich.

      Traditionelle Vergnügungen wie das Tanzen67 waren in der Kriegszeit unter Druck geraten. Sie entsprachen aber gerade auch damals einem Bedürfnis und erhielten kräftige neue Impulse aus Amerika – Jazz wurde zum Beispiel im Hotel Baur au Lac gespielt.68 Reglementierungen entsprachen demgegenüber auch einer konservativen Grundhaltung. Das 1915 vom Regierungsrat verhängte Verbot des fasnächtlichen «Maskentreibens» auf öffentlichem Grund wurde erst 1920 aufgehoben. Die Brennstoffverordnung des Bundesrats, eine Massnahme zur Sicherung der Versorgung, diente dazu, Wirtschaften und Unterhaltungsbetriebe auch im Sommer einzuschränken. Der kantonale Polizeidirektor, Mitglied der Bauernpartei, reduzierte 1920 die Zahl der Tanztage, wohingegen der Stadtzürcher Polizeivorstand für eine Ausdehnung eingetreten war. Die Kritik an «Festseuche» und «Vergnügungssucht», wie es etwa die Regierung nannte, hatte eine deutliche moralische Komponente. Sie entsprach den Bestrebungen der Kirche und von Organisationen wie den Sittlichkeitsvereinen. Während namentlich die Gemeinnützige Gesellschaft im Hang zum Festen eine potenzielle Ursache sozialer Not sah, argumentierten die Kirchenbehörden religiös, aber durchaus auch mit Blick auf die Schweiz. Nicht ein materialistischer und egoistischer Geist, hiess es im Bettagsmandat von 1921, sondern der Geist der göttlichen Gesetze und ein Geist der Zucht machten ein Volk stark.

      Wie auch zu anderen Zeiten waren Kasinos besonders suspekt. Eine schon vor dem Krieg lancierte eidgenössische Volksinitiative für ein generelles Geldspielverbot wurde 1920 auch im Kanton Zürich klar angenommen. Das Verbot wurde 1928 gelockert und erst Ende des 20. Jahrhunderts aufgehoben. Weniger populär war die Idee einer Vergnügungssteuer. Eine entsprechende Kompetenzerteilung an die Gemeinden scheiterte 1922 in einer kantonalen Abstimmung. Das Schwanken der SP, die sich schliesslich gegen das «Asketengesetzlein»69 wandte, scheint insofern bezeichnend, als kommerzielle Unterhaltung nicht gerade sozialistischen Idealen, wohl aber einem allgemeinen Bedürfnis entsprach.

      Ähnliches gilt für das «Theater der Armen»: Die Verbreitung des Kinos stiess auf erhebliche Widerstände, zum Teil auch bei Sozialdemokraten.70 Städtische Unterhaltungskultur war an sich nichts Neues. Seit 1884 bestand das Pfauentheater als Variétébühne, 1900 wurde das Corso-Theater eröffnet, das von Artistik über Kabarett bis zu Operetten vielerlei Unbeschwertes bot. Filme (bis in die späteren 1920er-Jahre «stumm», meist von separater Musik71 begleitet) galten indes rasch als unsittlich oder verrohend. Christian Beyel, unter anderem Zentralsekretär der Schweizerischen Gemeinnützigen Gesellschaft, sprach 1919 von einer «Schule für das Verbrechertum» und meinte, speziell mit den Bildern aus Amerika komme «die verpestete moderne Weltstadtluft in die Schweiz». Die Polizeidirektion des Kantons Zürich qualifizierte die «sogenannten Charlot-[Chaplin-]Filme» fast durchwegs als Schund. Die 1916 zusammen mit einem Verbot für Kinder eingeführte Überwachung der Kinos ermöglichte es nur, nachträglich einzugreifen. 1922 wurde daher die Vorzensur eingeführt. Der Erlass, den der Kantonsrat mit 121 gegen 33 Stimmen (aus SP und FP) guthiess, galt dann bis 1971. Dass sich die Zahl der – zum Teil sehr grossen – Kinos in Zürich in den 1920er-Jahren von 12 auf 24 verdoppelte, liess sich nicht verhindern. Gerade skeptische Kreise erkannten im Übrigen auch ein pädagogisches Potenzial und förderten über mehrere Organisationen Filme, die sich ihrer Meinung nach für die Schule oder zur Volksbildung eigneten.

      Zentren des kulturellen Lebens

      1918 eröffnete die Stadt bei der Wohnkolonie Letten ein Haus mit 14 Arbeitsräumen für Maler und Bildhauer.72 Die Idee war nach Kriegsausbruch aufgekommen, als Schweizer Künstlerinnen und Künstler aus dem Ausland zurückgekehrt und zum Teil in eine schwierige Lage geraten

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