Zivilstand Musiker. Группа авторов

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und Galizien «sich unserem Volk schwer oder nicht assimilieren» könnten.87 Hinzu kam das Konstrukt des staatsgefährdenden «Judeo-Bolschewismus».88 Die mit der Wohnungsnot oder dem Ausländerrecht begründeten Wegweisungen, besonders nach Kriegsende, trafen Juden aus Osteuropa weit überproportional; es soll sich um Hunderte von Familien gehandelt haben.89

      Die vorher im Allgemeinen recht grosszügige Einbürgerungspraxis wurde durch eine restriktivere und diskriminierende Politik abgelöst, indem der Stadtrat, dem demokratischen Polizeivorstand Hans Kern geschlossen folgend, für Ostjuden die «Assimilation» als Vorbedingung betonte und die Wohnsitzfrist (Wartezeit) 1911 von den üblichen 2 auf 10 und 1920 von den sonst geltenden 10 auf 15 Jahre verlängerte.90 Neben dem «Fremdtum» der Betroffenen diente auch die Gefahr einer feindlichen Haltung der Bevölkerung als Argument. Im Weiteren wurde ein beträchtlicher Teil der Gesuche abgelehnt. Alexander Schaichet hatte bereits nach 13 Jahren – im dritten Anlauf – Erfolg, musste allerdings unschöne öffentliche Vorwürfe über sich ergehen lassen. Der Schuldispens am Sabbat wurde trotz wiederholten Angriffen faktisch gewährt.

      Manifestationen des Antisemitismus riefen immer wieder Reaktionen – von Betroffenen und von Nichtjuden – hervor. Beachtlich sind jedenfalls die Beispiele von Juden aus Osteuropa, die in diesem Umfeld besondere Positionen erlangten. David Farbstein, 1868 in Warschau geboren und als Student in die Schweiz gekommen, wurde Rechtsanwalt, engagierte sich in der SP, ebenso als Zionist, und wurde 1922 Nationalrat.91 Der in Kiew aufgewachsene Ökonom Manuel Saitzew wurde 1921 Professor an der Universität. Tadeusz Reichstein, ab 1937 ETH-Professor für Chemie und später mit dem Medizin-Nobelpreis gewürdigt, war in Polen geboren worden, als Kind in die Schweiz gekommen und 1914 Zürcher Bürger geworden. Lazar Wechsler, polnischer Herkunft, seit 1914 in Zürich, gründete 1924 die Praesens-Film AG, die in den 1930er-Jahren «den Schweizer Film» hervorbringen sollte. Die gebürtigen Ukrainer Sinai Tschulok und Max Husmann waren Pioniere mit ihren Privatschulen, die auf die Maturität vorbereiteten.92 Gegen subtile oder massivere Widerstände hatten wohl viele Ostjuden anzukämpfen. Der bereits erwähnte Wladimir Rosenbaum ist allerdings ein Beispiel, das sich nicht verallgemeinern lässt. Er gelangte nach einer schwierigen Jugend als Anwalt zu grossem Erfolg, eckte allerdings manchenorts an, wurde später im Zusammenhang mit Transaktionen im Spanischen Bürgerkrieg zu einer Haftstrafe verurteilt, verlor fast alles und machte im Tessin als Antiquitätenhändler einen Neuanfang. «Einen Juden aus Russland, den kann nichts schrecken!», bemerkte er in seinem Tagebuch.93

      Ein Ort der Integration

      War Zürich in den frühen 1920er-Jahren nun modern oder konservativ, weltstädtisch oder eng und xenophob, rot oder reaktionär, krisenhaft oder aufblühend? Es war wohl – eben eine Grossstadt – all dies mehr oder weniger, abhängig auch von den sich überlappenden Phasen in einem «Jahrzehnt der Widersprüche» (Sigmund Widmer).94 Der geistigen und politischen Offenheit (und Verunsicherung) nach dem europäischen Zusammenbruch folgten die Zwänge der wirtschaftlichen Depression, dann war ein wirtschaftliches Wachstum mit einer gewissen Entpolitisierung verbunden.

      Mitte des Jahrzehnts konnte ein Stadtführer im Nebelspalter ein ziemlich unbeschwertes Bild mit mondänen wie auch kleinstädtischen Zügen zeichnen:95 In der Bahnhofstrasse («Balkanstrasse») verkehren «Schieber, Kokotten, Exoten und Strohwitwen» sowie, erst recht, «das solide Bürgertum» – und zwei Mal pro Woche findet der Gemüsemarkt statt. «Der Zürcher» schimpft über die Fremden, das Tram, die Kabaretts, über alles, doch er macht vom Kino wie vom Autotaxi oder anderem Gebrauch und hat die Fremden längst lieben gelernt.

      Das «rote Zürich» (linke Mehrheit in Stadt- und Gemeinderat, SP-Stadtpräsident) war das symbolisch wichtige Resultat einer längeren, trotz beidseitiger Kampfrhetorik stabil abgestützten Entwicklung. 1928 schrieb der neue Stadtpräsident Emil Klöti zufrieden, «wie vorteilhaft die grossen kommunalen und genossenschaftlichen Siedelungen mit ihrer gefälligen und rationellen Gruppierung der Bauten und ihrer Zusammenfassung der Grünflächen praktisch und ästhetisch von den mit Spekulationsbauten überstellten Quartieren abstechen und wie sehr sie zur Verbesserung und zur Verschönerung der ganzen Stadt beitragen».96 In der gleichen Publikation erklärte Adolf Jöhr, Generaldirektor der Kreditanstalt, die Stellung des Bankenplatzes mit einem liberalen Geist: «Es ist, wenn man will, das Untraditionelle, das leicht Amerikanische im Wesen der Stadt, welches sie vorwärts getrieben hat und vorwärts treibt, unbekümmert darum, ob überfeinfühlige Ästheten dabei mitkommen oder nicht.»97 Ordnungsliebe und Disruptionslust hatten gewissermassen die Seiten gewechselt und gingen nebeneinander her.

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      Irma und Alexander Schaichet als Kammermusiker in der «Oberen Kapelle» im Westflügel des Landesmuseums.

      War Zürich für die wirtschaftliche und politische Krise der 1930er-Jahre gewappnet? Die mehrfache Abhängigkeit von Entwicklungen im Ausland blieb bestehen. Soziale Gräben wurden nur langsam überwunden, und der sozialstaatliche Schutz war noch sehr lückenhaft. Die Rolle der SP hätte eine Vorstufe für deren Einbezug in den Bundesrat sein können, doch wurde Klöti zwei Mal nicht gewählt. Zürich ging in manchem voran – nicht nur im positiven Sinn. Gewisse ideologische Strömungen mündeten in den Frontismus. Aber auch Netze für und von Emigranten bestanden fort. Aufs Ganze gesehen nahm das Jahrzehnt eine gute Entwicklung. Ihr Ende war nicht zwingend gegeben.

      Literatur

      König, Mario; Kurz, Daniel; Sutter, Eva: Klassenkämpfe, Krisen und ein neuer Konsens. Der Kanton Zürich 1918–1945. In: Geschichte des Kantons Zürich, Bd. 3. Zürich 1994. S.250–349.

      Hundert Jahre Gross-Zürich. 60 Jahre 2.Eingemeindung 1934. Hg. vom Stadtarchiv und vom Baugeschichtlichen Archiv. Zürich 1994. Darin: Lendenmann, Fritz: Die Grossstadt Zürich zwischen 1914 und 1939 (S. 8–28); Allgemeine Daten (S. 159–164); Kurz, Daniel: Städtebau, Verkehrs- und Siedlungsentwicklung (S. 29–41).

      ZTB: Zürcher Taschenbuch. Jahre 1926–1929. Chronik 1920 (Otto Hauser), 1921/22, 1922/23, 1924 (Emil J. Hofmann).

      Historisches Lexikon der Schweiz. hls-dhs-dss.ch

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      Ursprünglich als Jugend-Ensemble zu rein pädagogischen Zwecken gegründet, beeinflusste das Kammerorchester Zürich alle nachfolgenden Formationen in der Schweiz erheblich. Mit seinem Orchester vermittelte Alexander Schaichet wesentliche Impulse für das 1926 ins Leben gerufene Basler Kammerorchester und das 1941 gegründete Collegium Musicum Zürich.

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