Geist & Leben 2/2020. Группа авторов

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wird auch die konkrete Wahl der Einsiedelei oder der Entschluss, sich einem erfahrenen Altvater anzuschließen, so begründet: „Ich habe eine solche Hoffnung, dass ich mich bei dir zur Ruhe bringe“, sagt dann etwa ein asketischer Anfänger (III 39).

      Die Mönche wissen, dass mit dem Gang in die Wüste die Ruhe noch keineswegs erreicht ist – und durch die mönchische Lebensweise allein auch gar nicht erreicht werden kann. „Ich bin schon siebzig Jahre im Mönchsgewand, und noch keinen einzigen Tag fand ich Ruhe“, bekennt Abbas Theodoros von Pherme (I 113). Schließlich sind auch die Einsiedler nicht wirklich allein, sondern meist umgeben von anderen Einsiedlern. Das führt zu so viel Streit und Zwietracht, dass ein Bruder ausrufen kann: „Ich habe keine Ruhe, bis ich mich nicht gerächt habe.“ (I 285) Hier muss ein anderer Mönch seelsorgerisch dafür sorgen, dass der Bruder Ruhe findet vor seinen Rachegelüsten; wie es an anderer Stelle heißt: „Wirf von dir alle Verfehlungen und alles Böse, damit du Ruhe findest.“ (III 23) Denn die Ruhe ist auch die des guten Gewissens (III 41), sie hat mit dem Verhältnis zu den anderen zu tun: „Verachte niemanden, verurteile niemanden, verleumde nicht, dann gewährt Gott dir Ruhe.“ (III 41) Und weil dies so häufig nicht gelingt, sind auch Reue und Buße ein Weg zur Ruhe zurück: „Vertrau dich Gott an mit vielen Tränen, und du hast Ruhe.“ (III 55)

      Pause machen

      Wer also ausgezogen ist, um in der Wüste Ruhe zu finden, muss feststellen, dass sie auch dort nicht einfach da ist, sondern erst gefunden, hergestellt und erreicht werden will. „Eine Wüstenerfahrung (…) ist gleichbedeutend mit einer Reise ins Innere, auf der man doch immer wieder mit der Welt konfrontiert wird.“8 Die Existenz des Einsiedlers soll Ruhe von der Welt – im Sinne der profanen, „weltlichen“ Lebensweise – sein. Aber weil sie das dann doch nicht ist, weil „die Welt“ mit und in den Brüdern mitgezogen ist, gilt es, die Unterbrechung, die Pause nun in der asketischen Existenz einzuüben, zu praktizieren. Das bedeutet auch für die strengen Wüstenmönche, mitunter Pause zu machen, auch von der Askese und den geistlichen Übungen. Für frisches Wasser zu sorgen, kann anapauein heißen, also erfrischen, erquicken (I 185). Anapausis kann bedeuten, regelmäßig eine Pause vom Fasten zu machen und besser jeden Tag ein halbes Brot zu essen als nur jeden zweiten Tag ein ganzes (I 206). Auch das Mönchsein benötigt eine Pausentaste, welche das Geschehen zwischendurch anzuhalten vermag – und „aufhören“ oder „anhalten“ ist tatsächlich auch eine der gewöhnlichen Wortbedeutungen von anapauein.

      Nun verbinden wir heute die Pause vor allem mit „Arbeit“. Ihr gilt ja unsere ganze Anspannung. Als Pause von der Arbeit dienen uns deshalb auch Entspannungstechniken. Für die Wüstenmönche sieht es geradezu umgekehrt aus: Ihre Hauptbeschäftigung ist das meditierende Sitzen, das Gebet, das Schweigen. Allerdings arbeiten sie auch, für ihren Lebensunterhalt und um nicht dem Müßiggang zu verfallen. Aber diese Arbeit soll gerade keinen hohen Eigenwert haben. Sie soll wie nebenbei ablaufen, soll „leicht von der Hand“ gehen9. So berichtet eine anonyme Geschichte davon, wie ein großer Alter sich die Arbeit jüngerer Brüder vorführen lässt: Seile flechten oder Binsenmatten oder Siebe anfertigen, all das heißt er gut, auch das Schönschreiben. Aber: „Für das Leinenweben habe ich nichts übrig, weil es geschäftig ist.“ (II 170) Offenbar ist diese Tätigkeit zu sehr auf das Produkt gerichtet und das Produkt zu wertvoll – so wird die Arbeit zum eigentlichen Zweck, sie absorbiert den Mönch, und damit auch seine Ruhe.

      Der Mönch soll sich nicht an seine Arbeit verlieren, indem es ihm in der Arbeit um das Produkt geht. Er soll zur Welt der Dinge Distanz, ja Indifferenz gewinnen, um zu sich selbst zu finden. Die Arbeit der Mönche dient gerade ihrer Loslösung von der „Welt“. Deshalb werden in den Apophtegmata Pausen von der Arbeit nie Thema. Eher hat die Arbeit selbst Pausencharakter, ganz im Wortsinn unseres Leitbegriffs: weil sie ruhig sein soll.

      Versacken

      Doch nun die irritierende Gegenprobe: Anapausis ist an einer Vielzahl von Stellen ein deutlich negativ besetzter Begriff. Anapausis ist geradezu das, wovon der Mönch geflohen ist – und was er unter allen Umständen zu vermeiden hat, was er sogar „hassen“ (III 62) soll!

      Zunächst einmal gibt es die falsche, satte, bürgerliche „Ruhe dieser Welt“ (I 166). Das kann die „leibliche Ruhe“ sein (I 232), oder auch „Gewinn und Ehre“ (III 43), also natürlich auch „Geld“, das bekanntlich beruhigt (III 51), aber auch die eigenen „Wünsche und die Selbstrechtfertigungen“ (III 45 f.). All dies wird in offensichtlich ablehnendem Sinn mit Anapausis identifiziert. Von ihr wendet der Mönch sich gerade ab. „Kennzeichen des zur wahren αναπαυσις führenden Weges ist der von Mühe und Entbehrung gekennzeichnete Anfang; wo das Gegenteil der Fall ist, handelt es sich um eine irdische, gewissermaßen teuflische Ruhe.“10

      Da freut sich zum Beispiel einer, dass er die Leidenschaften überwunden hat: Er habe Ruhe gefunden und keinen inneren Kampf mehr. Doch Johannes Kolobos tadelt den selbstsicheren Bruder: „Geh und bitte Gott, dass der Kampf (wieder) zu dir komme, und die Not und Demut, die du vorher hattest. Denn durch die Kämpfe schreitet die Seele fort.“ (I 131) Ein anonymer Alter spricht paradox von einer Anapausis, welche das Anapauein verhindert: „Solange du mit Zufriedenheit (anapausis; d.h. die Ruhe, die satte Zufriedenheit) handelst, solange kannst du Gott nicht beruhigen (anapauo).“ (III 39) Hier schlägt die Rede von der Anapausis in einem Satz von der gewonnenen eigenen Ruhe zur verlorenen Ruhe um, die eigentlich die Ruhe Gottes selbst ist.

      Dagegen hilft nur der erneute Aufbruch: „Wer Ruhe hat, lasse sie und ergreife den engen Weg.“ (I 250) In diesem Sinn gibt es nie Ruhe für die Mönche. Sie dürfen mit ihrem Bemühen, mit ihrem inneren Weg „nicht aufhören“ (I 295), und Aufhören heißt eben auch Anapauein. Die Mönche suchen die Ruhe – indem sie die (falsche) Ruhe fliehen. Aber was macht den Unterschied zwischen gesuchter und falscher Ruhe aus? Sicher lassen sich, wie gerade gezeigt, Faulheit und spirituelle Ruhe unterscheiden – aber ist dieser Unterschied immer sichtbar, äußerlich, phänomenal zu beobachten?

      „Viele nahmen sich jetzt schon die Gelegenheit zur Ruhe, bevor Gott sie ihnen gewährte“, sagt Abbas Theodoros von Pherme (I 116). Hier unterscheidet die Zeit zwischen richtiger und falscher Ruhe. Gelegenheit heißt im Original: Kairos – ein wichtiges Wort des Neuen Testaments. Kairos ist der gegebene, geschenkte, von Gott gewirkte richtige Augenblick, den es zu erkennen und zu erfassen gilt. Ihn eigenmächtig vorwegzunehmen, bedeutet, zu früh aufzuhören und eine Flucht vor der Berufung. Echte Ruhe ist nicht machbar: „Wenn wir der Ruhe nachjagen, flieht uns die Gnade Gottes, wenn wir (die Ruhe) fliehen, jagt sie uns nach.“ (III 45)

      Dagegen zitiert Poimen einmal mit bewusster Freude an der Paradoxie einen Ausspruch des Presbyters Isidoros, nach dem die Mönche „der Mühe wegen an diesen Ort gekommen“ seien. Wenn die Brüder zu versacken drohen, dann möchte Isidoros wieder aufbrechen, „um wegzugehen, wo Mühe ist und ich dort Ruhe finde“ (I 233). Ruhe finden, wo Mühe ist: Das erinnert an den Vers aus dem (mittelalterlichen, klösterlichen) Pfingsthymnus Veni Creator Spiritus, wo es vom Heiligen Geist heißt: „In der Unrast schenkst du Ruh‘.“ Diese Ruhe wird also nicht nach oder zwischen der Unrast geschenkt, gerade nicht als Pause, sondern mitten darin, mitten in der Mühe. Darin wird sie erkennbar als Zustand, den wir nicht selbst herstellen, jedenfalls nicht eigenmächtig jederzeit herbeiführen können.

      In diesem Sinne stehen bei Poimen zwei gegensätzliche Verwendungen von Anapausis betont in zwei Sprüchen gleich hintereinander: „Der (Eigen)wille, die Ruhe und die Gewöhnung daran werfen den Menschen nieder.“ (I 242) Das ist geistliche Selbstgefälligkeit. „Wenn du verschwiegen bist, wirst du die Ruhe haben an jedem Ort, wo du wohnst.“ (I 242) Das ist die stille Erwartungshaltung für das Geschenk der Ruhe, die sich überall einstellen kann, also auch, wo die äußeren Bedingungen denkbar schlecht dafür zu sein scheinen.

      Was diese Sprüche in paradoxer Verkürzung ausdrücken, bringt eine Geschichte um Abbas Rhomaios in eine narrative Logik. Dieser Rhomaios – ein Römer

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