Geist & Leben 2/2020. Группа авторов

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mehr um die Erfahrung der Ruhe mühen kann, in der er sich Gott ganz überlassen muss – könnte da nicht die letzte Gottverlassenheit drohen?

      Ich ahne, dass diese dunkle Seite die Geschichte aller asketischen und mystischen Spiritualität, jedenfalls im Christentum, begleitet. Sie entspringt gerade der utopischen Kraft, etwas von Erlösung realisieren, erfahren zu wollen, etwas vom „engelgleichen Leben“ schon auf die Erde zu holen. Doch andererseits: Wäre ein Glaube ohne solche utopische Kraft nicht erstarrt zu einem reinen Bewusstseinsinhalt, einem „glauben, dass“ und „glauben an“?

      Positiv gewendet: Bezieht der christliche Erlösungs-Komplex seine Kraft nicht gerade aus der Verbindung des utopischen mit dem eschatologischen Moment, d.h. aus der Verbindung der tätigen Sehnsucht nach Erfahrbarkeit und dem Glauben, ja Wissen um das Jenseits aller Erfahrung? Ausgerechnet von jenem Abbas Hesaias, den wir gerade in seiner Todesangst erlebt haben, ist auch dieses umfassende Wort überliefert: „Die Liebe ist das Flüstern zu Gott verbunden mit unablässigen Danksagungen. Gott freut sich über die Dankbarkeit. Sie ist ein Zeichen der Ruhe.“ (III 70)

      1 So der Untertitel des Buches von Hans C. Zander über die Wüstenväter (ders., Als die Religion noch nicht langweilig war. Die Geschichte der Wüstenväter. Köln 2004).

      2 Ich bin kein Philologe und kein Spezialist für die Alte Kirche, sondern systematischer Theologe mit einem systematischen Frageinteresse. Dankenswerterweise bietet die dreibändige Ausgabe der Apophtegmata Patrum von Erich Schweitzer in der deutschen Übersetzung stets den Hinweis auf den griechischen Originalbegriff bei uneindeutigen Zentral-Worten. So kam ich den hier entwickelten Thesen auf die Spur. Vgl. E. Schweitzer (Hrsg.), Apophtegmata Patrum. Teil I: Das Alphabetikon – Die alphabetisch-anonyme Reihe. Beuron 2012; ders., Apophtegmata Patrum. Teil II: Die Anonyma. Beuron 2012; ders., Apophtegmata Patrum. Teil III: Aus frühen Sammlungen. Beuron 2013. Zitiert werden die Apophtegmata stets aus dieser Ausgabe mit Band- und Seitenangabe.

      3 Erich Schweitzer übersetzt es immer so, mitunter mit einem näher erklärenden Adjektiv. Wo im Folgenden das Wort „Ruhe“ auftaucht, ist es stets die Übersetzung von Anapausis; nur wo im Griechischen ein anderes Wort steht, wird dies vermerkt.

      4 Vgl. G. Schulz / J. Ziemer, Mit Wüstenvätern und Wüstenmüttern im Gespräch. Zugänge zur Welt des frühen Mönchtums in Ägypten. Göttingen 2010, 132.

      5 R. Roux, „ Vita Antonii“ des Athanasius aus der Perspektive des Resilienz-Begriffes, in: C. Sedmak / M. Bogaczyk-Vormayr (Hrsg.), Patristik und Resilienz. Frühchristliche Einsichten in die Seelenkraft. Berlin 2012, 31–52, hier: 48.

      6 H. Holze, Anapausis im anachoretischen Mönchtum und in der Gnosis. Überlegungen zur Geschichte der frühen Christenheit Ägyptens, in: ZKG 106 (1995), 1–17, hier: 1.

      7 Die spirituelle Ruhe wird in der Literatur meist mit dem Wort Hesychia verbunden – weil dies in der späteren byzantinischen Theologie in der Tradition des Herzensgebetes bei den „Hesychasten“ Karriere machte. In den Apophtegmata ist Hesychia jedoch keineswegs theologisch „aufgeladener“ als Anapausis gebraucht (was ich hier aus Raumgründen nicht näher nachweisen kann).

      8 So M. Bogaczyk-Vormayr, in: C. Sedmak / dies. (Hrsg.), Patristik und Resilienz, 189 f. [s. Anm. 5].

      9 So die schöne Erklärung bei Schweitzer II, 471.

      10 H. Holze, Anapausis, 5 [s. Anm. 6].

      11 Vgl. G. Schulz / J. Ziemer, Mit Wüstenvätern und Wüstenmüttern im Gespräch, 164–168 [s. Anm. 4].

      12 Nicht zufällig kann anapauein mitunter auch als „befreien“ übersetzt werden; so Schweitzer in III, 52: David befreite (anapauo) Saul vom bösen Geist.

      13 G. Schulz / J. Ziemer, Mit Wüstenvätern und Wüstenmüttern im Gespräch, 296 f. [s. Anm. 4].

      14 So H. Holze, Anapausis, 4 [s. Anm. 6].

      15 G. Schulz / J. Ziemer, Mit Wüstenvätern und Wüstenmüttern im Gespräch, 148 [s. Anm. 4].

      16 G. Agamben, Herrschaft und Herrlichkeit. Frankfurt/M. 2010, 293. Den Bezug zum Tier greift Agamben an anderer Stelle wieder auf, wenn er vom „Sabbat sowohl des Tieres als auch des Menschen“ spricht, zu dem auch die Versöhnung des Menschen mit seiner eigenen Animalität gehört (ders., Das Offene. Der Mensch und das Tier. Frankfurt/M. 2003, 100). Dies respondiert genau auf die vielen Wüstenvätergeschichten, in denen die Mönche einvernehmlich mit wilden Tieren zusammen leben. S. dazu mein Wüstenväter-Kapitel Nackt unter Antilopen, in: S. Horstmann / T. Ruster / G. Taxacher, Alles was atmet. Eine Theologie der Tiere. Regensburg 2018, 168–183.

      17 G. Agamben, Herrschaft, 297 [s. Anm. 16].

      18 Ebd., 299.

      Jules Monchanin

      Die Mission des Katholischen und die Begegnung mit Indien

      1958 wird Angelo Roncalli zum Papst gewählt und kündigt im Januar des folgenden Jahres die Einberufung des Zweiten Vatikanischen Konzils an, mit dem die katholische Kirche sich für die „Welt von heute“ öffnen und das u.a. auch ihr Verhältnis zu den anderen Weltreligionen in den Blick nehmen sollte. In der diesbezüglichen Erklärung Nostra Aetate ist über den Hinduismus folgendes niedergelegt: „So erforschen im Hinduismus die Menschen das göttliche Mysterium und drücken es in einer unerschöpflichen Fruchtbarkeit an Mythen und durch scharfsinnige Versuche der Philosophie aus, und sie suchen Befreiung aus der Beschränktheit unserer Bedingung durch aszetische Lebensformen, durch tiefe Meditation oder durch die Zuflucht zu Gott mit Liebe und Vertrauen.“ (NA 2) Schnell sind wir wohl geneigt, in diesen allgemein gehaltenen Sätzen auch nicht mehr als eine ebenso allgemein gehaltene Anerkennung des Anderen, hier des Hinduismus, seitens der Kirche zu vermuten. Das hieße jedoch unterschlagen, dass es bis zu diesem Zeitpunkt bereits tiefe spirituelle Begegnungen zwischen katholischen Christ(inn)en und Hindus gegeben hat – und dass es auch diese Erfahrungen sind, vor denen die Aussagen des Konzils zum Hinduismus gelesen werden müssen. Einer der Wegbereiter der katholischhinduistischen Begegnung war ein Jahr vor der Wahl Johannes XXIII. verstor-ben – am 10.10.1957. In seiner Wahlheimat Indien nannte er sich Swāmi Paramārūbyānandam („Wonne des höchsten gestaltlosen Einen“). Die Entscheidung von Jules Monchanin, so sein christlicher und bürgerlicher Name, im Jahr 1939 nach Indien aufzubrechen und einen Aschram (der allerdings erst 1948 entstand) zu gründen, kann leicht dazu führen, das Leben vor dieser Entscheidung zu verdecken oder zumindest als ein allein auf diesen Punkt ausgerichtetes darzustellen. Dabei ist das im Falle Monchanins keinesfalls so, sondern es ist – und das ist das Leitmotiv dieses Beitrags – die folgerichtige Suche nach der Mission des Katholischen in der Welt von heute.

      Kindheit, Jugend und Studium1

      Jules Monchanin wird am 10. April 1895, einem Aschermittwoch, in Fleurie (Département Rhône) in der bekannten Weingegend Beaujolais geboren. Die Familie ist wohlhabend, der Vater arbeitet als Weinhändler und ist viel unterwegs, so dass Jules und seine ältere Schwester vor allem bei der Mutter und den Großeltern aufwachsen. Der Junge ist von schwacher Gesundheit und wird Zeit seines Lebens an Asthma leiden, was wohl auch ein Grund dafür ist, dass er nicht der normalen Schullaufbahn folgt, sondern Privatunterricht bekommt. Während dieser Zeit liest er schon eine Legende über das Leben Buddhas und sein besonderes Interesse für Indien erwacht. Nach zwei Jahren im kleinen

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