Die inneren Fesseln sprengen. Phyllis Krystal
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Ich hebe dann das Datum des Tages hervor und dass sie sich in meinem Arbeitszimmer befinden und sich jetzt langsam aufrichten können, das Tuch von den Augen nehmen, zu vollem Tagesbewusstsein zurückkehren und langsam, nach der gerade vollzogenen Ablösung, frei tätig sein können.
Ich erkläre ferner, dass es empfehlenswert ist, nach einer Ablösung, besonders bei jener von den Eltern, einen Brief zu schreiben, der nicht abgeschickt wird, in dem man die gerade vollzogene Ablösung und Befreiung zum Ausdruck bringt. Dieser Brief umgeht den bewussten Verstand der Person, an die er gerichtet ist, erreicht aber das Unterbewusstsein. Der Brief wird am besten unmittelbar nach der Ablösungszeremonie geschrieben, weil dann die während des Rituals stark aufgetretenen Emotionen normalerweise noch präsent sind. Je emotionaler der Brief geschrieben wird, desto tiefer ist die Wirkung auf das Unterbewusstsein, sowohl der Person, die den Brief schreibt, als auch derjenigen, an die er adressiert ist, denn Emotionen sind die Energie, die notwendig ist, um die Botschaft ins Unterbewusstsein zu transportieren. Der Brief sollte eine Wiederholung der Aussage sein, die während des Rituals an die andere Person gerichtet wurde, nämlich dass nun beide frei sind, als ein getrenntes Individuum zu leben. Der Brief sollte nichts Negatives wie etwa Kritik oder Vorwürfe enthalten und sich auf die Freiheit konzentrieren, die beide nun erleben werden. Ich habe einschneidende Resultate erlebt, wenn dies mit starken Emotionen durchgeführt wurde.
Ich erinnere mich an den Fall eines jungen Mannes, der über einige Jahre keinerlei Kontakt zu seinen Eltern gehabt hatte. Plötzlich, ohne den Grund dafür zu kennen, führte er ein Ferngespräch mit seinen Eltern. Seine Mutter hatte gerade zuvor die Zeremonie der Ablösung durchgeführt, in der ihr die engen Bindungen, die noch zu ihm existierten, gezeigt worden waren, und hatte den nicht abzuschickenden Brief geschrieben.
Ein anderer junger Mann rief ebenfalls, ohne zu wissen, warum er dies tat, seine Eltern an, um ihnen mitzuteilen, dass er sie liebe. Vorher war er nie fähig dazu gewesen, dies zu sagen. Dies passierte, nachdem sein Vater die Bindungen zu ihm abgelöst hatte und ihn somit in ein freies, selbstbestimmtes Leben entlassen hatte.
Es gibt viele Beispiele von Eltern, die ihre alten Verhaltensweisen gegenüber ihren erwachsenen Kindern ändern, wenn letztere die Bindungen gelöst haben. Ihre Berichte beziehen sich immer auf ein Wegfallen von Spannung und das Entstehen von Beziehungen, die weit mehr im Fluss sind. Zusätzlich zur Reduzierung von Spannungen berichten Menschen, dass es wesentlich leichter als je zuvor fällt, zu sprechen und sich zum ersten Mal als Menschen und nicht als Verwandte zu sehen.
Wenn eine Person nicht von den biologischen Eltern, sondern von anderen Personen aufgezogen wurde, dann sollten die Bindungen auch zu diesen Personen gelöst werden, sobald die Bindungen zu den biologischen Eltern gelöst wurden. Die Methode ist nahezu identisch zu der oben beschriebenen, außer dass an Stelle des Dankes an die Eltern dafür, dass sie einem das Leben geschenkt haben, es hier angebracht ist, dafür zu danken, dass jene die Verantwortung und die Fürsorge anstelle der Eltern übernahmen. Für andere Familienmitglieder, die teilweise Einfluss auf das Heranwachsen des Kindes hatten, wie beispielsweise Großeltern, kann die Wortwahl der Zeremonie entsprechend angepasst werden.
Während der vielen Jahre, in denen Phyllis die Methode in Seminaren, Trainings und Einzelsitzungen lehrte und anwendete, passte sie einzelne Teile der Übungen an. Um sicherzugehen, dass du die Übung genau so erhältst, wie Phyllis sie in all den Jahren lehrte, ist die Anleitung sowohl in der überarbeiteten Ausgabe des Arbeitsbuches als auch in diesem Buch auf Seite 216 zu finden. Auf jeden Fall ist es aber ratsam, sich bei Fragen oder Unklarheiten von einer mit der Methode vertrauten Person durch diese Übung leiten zu lassen.
Das Arbeiten mit negativen elterlichen Archetypen
Um als Person nach der Pubertät frei für eine unabhängige individuelle Entwicklung zu sein ist es, wie ich bereits erwähnte, notwendig, sich von beiden Elternteilen abzulösen, unabhängig davon, ob diese einen guten oder negativen Einfluss auf das betreffende Kind, welchen Alters auch immer, ausgeübt haben.
Im Falle von negativen Eltern ist dennoch ein weiterer Schritt notwendig, da solche Eltern unausweichlich eine archetypische, überlebensgroße Dimension in den Augen des Kindes annehmen. Auch mit dem Archetyp muss man sich beschäftigen. In solchen Fällen gibt es zwei unterschiedliche Rituale: eines, um das Kind von der negativen Mutter und ein weiteres, um es vom negativen Vater zu befreien. Um dies zu erleichtern, wurden uns symbolische Verkörperungen gegeben, so wie Drachen, Hexen, Riesen oder Unholde aus Märchen sowie die Schwarze-Witwen-Spinne, Kraken und diverse Monster.
Nachdem die Entspannungsübung abgeschlossen und das Dreieck aufgestellt ist, schlagen wir der Person vor, das Höhere Selbst darum zu bitten, ihm oder ihr eine Figur zu zeigen, die den diese Person überschattenden, negativen elterlichen Archetyp repräsentiert. Ich werde eine typische Erfahrung beschreiben, die von meiner eigenen Arbeit mit einer übermächtigen negativen Mutter handelt.
Nachdem ich relativ kurze Zeit mit der Wachtraum-Technik an mir selbst gearbeitet hatte, erlebte ich eine typische Konfrontation mit dem Drachen, der für mich den negativen Mutter-Archetyp repräsentierte. Zu jenem Zeitpunkt erfasste ich nur vage die Bedeutung von dem, was vorging. Erst später, als uns andere symbolische Figuren und deren Bedeutung erklärt wurden, begriffen wir, dass uns eine Methode gezeigt worden war, die Menschen hilft, sich von solchen mächtigen Kräften befreien zu können.
Sobald ich im Wachtraum-Zustand war, wurde mir bewusst, dass ich auf einem Pferd ritt und mit einer Ritterrüstung aus alten Zeiten bekleidet war. Bald wurde mit klar, dass ich einem inneren Abenteuer verpflichtet und auf dem Weg war, einen Drachen zu töten, der in besorgniserregendem Maße Menschen verschlang. Instinktiv wusste ich, dass ich den Drachen unerwartet treffen musste. Ich stieg also vom Pferd ab, band es an einem nahen Baum fest und näherte mich einer Höhle, von der ich sicher war, sie wäre das Versteck des Drachens. Mit meinem Schild in der linken und meinem Speer in der rechten Hand näherte ich mich heimlich der Höhle, in der ich den Drachen schlafend liegen sah. Ich wusste, dass ich seinen verwundbaren Punkt unter dem Bauch über dem Herz finden und diesen mit meinem Speer durchbohren musste. Da ich überraschend kam, hatte ich einen Vorteil und nach einem kurzen Kampf mit ihm drang mein Speer in den weichen Bauch ein, aus dem Blut drang, während er schnaubte und im Todeskampf mit dem Schwanz schlug. Ich wartete, bis all sein Blut ausgeflossen und in die Erde, auf der er lag, eingesickert war. Ich realisierte, dass das Blut den Boden düngen und Neues, Kraftvolles, Reichhaltiges daraus erwachsen würde. Sobald ich sicher war, dass dies stattgefunden hatte und keine Bewegungen oder Geräusche mehr von dem Drachen ausgingen, stieg ich auf ihn, stellte mich auf seinen Rücken und hielt den Speer zum Zeichen meines Triumphes hoch über meinen Kopf. Ich war allein, niemand konnte mich sehen, und ich wusste, dass es ein innerer Sieg war. Mir wurde bewusst, dass der Speer ein Brennen in meiner Hand verursachte, da er immer noch mit Blut überzogen war. Ich schob den Helm aus dem Gesicht zurück und hielt den blutigen Speer wie eine Gabe an Gott hoch und empfand ein wundervolles Hochgefühl durch den erfolgreichen Triumph über den Drachen.
So stand ich einige Minuten, hatte meine Füße so stark gegen den Rücken des Drachens gestemmt, dass ich seine farbenprächtigen Schuppen spüren konnte, mich aber kein bisschen egoistisch fühlte, nur tief dankbar, dass der Drachen unter meinen Füßen lag und sein Blut den Boden düngte. Ich war erfüllt von Ehrfurcht. Ich kniete neben dem toten Körper nieder, stieß den Speer durch ihn, der nur noch eine Hülle war, zog meinen Helm ab und hängte ihn oben auf den Speer. Ich nahm die Rüstung ab und drapierte sie um den Speer, kniete mich bescheiden vor dieser Art Altar nieder und dankte dafür, dass es nichts mehr zu befürchten gab.
Als ich aufzustehen begann, sah ich vom Ende der Höhle ein altes, gebeugtes Weib hervortreten. Sobald sie mich und den toten Drachen erblickte, richtete sie sich plötzlich auf und währenddessen begann ihre vorher faltige, trockene Haut zu knacken und aufzuspringen,