Lernendenorientierung. Tobias Zimmermann
Чтение книги онлайн.
Читать онлайн книгу Lernendenorientierung - Tobias Zimmermann страница 4
Die Gruppe der sogenannten «alten» Fachbereiche Technik, Wirtschaft, Design (TWD) ist stark mit der dualen Berufsbildung verbunden: Diese Fachbereiche bauen traditionellerweise auf Berufslehren auf und werden durch die Instanzen der Berufsbildung (BBT) gesteuert. Die sogenannten «neuen» Fachbereiche Gesundheit, Soziales, Kunst (GSK) hingegen gehören zu einem traditionell alternativ strukturierten berufsvorbereitenden Bildungsbereich: einem Bereich von allgemeinbildenden Schulen der Sekundarstufe II (Diplom- bzw. Fachmittelschulen, Gymnasien) und höheren Fachschulen, der von den Instanzen der Allgemeinbildung (Kantone, EDK) gesteuert wurde. In diesen Bereichen gibt es keine Tradition der Berufslehren – diese wurden erst in den 1990er-Jahren eingeführt. Ein weiterer Unterschied betrifft die Beziehung zwischen Ausbildung und Person der Studierenden. In den TWD-Bereichen genügt meist der formelle Zulassungsausweis, um in Studiengänge aufgenommen zu werden, in den GSK-Bereichen spielen zusätzlich Eignungs- und Motivationsaspekte, die oft in elaborierten Aufnahmeverfahren überprüft werden, eine grosse Rolle. Hier genügt der formelle Zulassungsausweis nicht. Die Fachhochschulstudiengänge, die professionsspezifische Aspekte aufweisen, enthalten alle auch inhaltliche Elemente (Reflexionsphasen, Supervision usw.), welche die Beziehung zwischen Person der Studierenden und späterer Tätigkeit thematisieren. Sehr oft besteht hier zudem ein klar beschränktes Studienplatzangebot.
Die Lehrkräfteausbildung (Pädagogische Hochschulen PH) – in einigen Klassifikationen den Fachhochschulen zugeschlagen, in anderen als selbstständiger Hochschultyp geführt – bilden einen dritten Bereich, der kaum etwas mit der Berufsbildung zu tun hat.
Die folgende Abbildung zeigt die Grössenverhältnisse der Fachbereiche und die jeweiligen Anteile von weiblichen und ausländischen Studierenden (im Anhang auf S. 28 findet sich die Tabelle mit den Werten zur Grafik).
Abbildung 1 Studierende im Diplom-, Bachelor- und Masterstudium an Fachhochschulen und Pädagogischen Hochschulen nach Fachbereich (Anzahl absolut), Frauen- und Ausländer/innen-Anteil, 2010/11. Quelle: BFS 2011b, S.16
Deutlich ist die unterschiedliche geschlechterspezifische Prägung der Fachbereiche: Der TWD-Bereich wird überwiegend von Männern belegt, der GSK-Bereich und die Lehrkräfteausbildung überwiegend von Frauen.
Personen mit ausländischer Staatsangehörigkeit sind stark im Fachbereich Musik, Theater und andere Künste vertreten.
Das Durchschnittsalter beim Eintritt in die Bachelorstufe liegt bei 23,2 Jahren. Mit Ausnahme zweier Fachbereiche streut das Durchschnittsalter nach Fachbereich wenig (22,1 Jahre in der Lehrkräfteausbildung bis 23,8 Jahre im Fachbereich Sport), in den beiden Ausnahmen jedoch beträgt es 30,9 (Angewandte Psychologie) respektive 25,3 Jahre (Soziale Arbeit) (BFS 2010a, S. 16 f.).
Exkurs: Zu den Studierenden auf Weiterbildungsstufe
In den Bildungsstatistiken über die Studierenden an den FH/PH (BFS 2011b) meint «Weiterbildungsstufe» Master of Advanced Studies MAS und Executive Master of Business Administration EMBA, also Studiengänge mit mindestens 60 ECTS-Punkten. Studierende aller anderen Weiterbildungsformen sind nicht erfasst. 98 % der Studierenden in MAS- und EMBA-Studiengängen besuchen einen berufsbegleitenden Studiengang. Der Frauenanteil beträgt 34 % und ist damit wesentlich geringer als auf der Bachelorstufe (52 %). 16 % sind ausländische Staatsangehörige.
Es ist problematisch, die Weiterbildungs- mit den Bachelor- und Masterstudierenden zu vergleichen, weil die MAS- und EMBA-Angebote nicht gleichmässig auf die Fachbereiche verteilt sind. Wegen der grossen Heterogenität der Lebenssituation dieser Studierenden werden sie in der Sozialerhebung (BFS 2010a) nicht berücksichtigt.
Vor dem Studium
Bildungslaufbahnen vor Studienbeginn
Abbildung 2 auf Seite 19 zeigt die sehr unterschiedliche Bedeutung der Zulassungsausweise je Fachbereichsgruppe.
Den jeweils grössten Anteil haben im TWD-Bereich die Berufsmatur mit 58 %, im GSK-Bereich und in den PH die gymnasiale Matur mit 30 % respektive 62 %. Die Fachmatur spielt für den GSK- und den PH-Bereich mit je ca. 10 % eine gewisse Rolle. Die ausländischen Ausweise (vgl. dazu unten mehr) liegen für alle drei Fachbereichsgruppen in einer ähnlichen Grössenordnung (9 bis 13 %). Interessant sind die Anteile der sogenannten «anderen schweizerischen Ausweise», zu denen Diplome wie eidgenössische Berufsprüfungen und höhere Fachprüfungen und Diplome höherer Fachschulen u. a. gehören, aber auch die Zulassung durch die FH auf der Basis eines Dossiers und die vollständige Aufnahmeprüfung durch die FH. Diese Restkategorie der «anderen schweizerischen Ausweise» beträgt je nach Fachbereich immerhin 11 % bis 25 %.
Abbildung 2 Eintritte in die Fachhochschulen nach Typ der Fachhochschule und Zulassungsausweis, 2010/11. Quelle: BFS 2011a, S. 33
Man kann diese Daten aus unterschiedlicher Perspektive unterschiedlich interpretieren: zum Beispiel als Beleg dafür, dass die Berufsmatur tatsächlich den Normalzugang zu den quantitativ bedeutsamsten Fachbereichen bildet, oder umgekehrt als Beleg dafür, dass sogar im TWD-Bereich nur drei von fünf Studierenden eine Berufsmatur mitbringen.
Bei diesen gesamtschweizerischen Daten ist übrigens die unterschiedliche Verteilung der Lernenden auf der Sekundarstufe II nach Sprachregion zu berücksichtigen. Im Tessin und in der Westschweiz ist der Anteil der gymnasialen Matur an einem Altersjahrgang seit Langem wesentlich höher als in der Deutschschweiz.
Von bildungspolitischem Interesse ist vor allem das Verhältnis von Berufsmatur zu gymnasialer Matur. Offensichtlich handelt es sich dabei um weit mehr als um den Unterschied zweier Maturtypen. Die Berufsmatur als Studierbefähigung erwirbt man parallel zum Erwerb der Berufsbefähigung in einer Berufslehre. Mit anderen Worten: Seit dem Alter von 16 Jahren bewegt man sich in einem eingegrenzten Tätigkeitsgebiet (Beruf/Berufsfeld) und übt die entsprechende Denkweise ein, seit diesem Alter arbeitet man unter Erwachsenen in einem Betrieb in einer ganz anderen Rolle als der Rolle «Schülerin/ Schüler» – und besucht daneben die allgemeinbildende Berufsmittelschule. Allerdings: Dieses Modell des gleichzeitigen Erwerbs von Berufs- und Studierfähigkeit ist durchaus nicht das einzige. Beinahe die Hälfte der Berufsmaturitäten (43 % im Jahr 2009; BFS 2010c, S. 35) wird als «Berufsmatur 2» erworben, d. h. nach der Lehrabschlussprüfung, meist in einem Vollzeitjahr für die entsprechende Allgemeinbildung.
Der Erwerb der gymnasialen Matur hingegen ist ausschliesslich mit der Rolle «Schülerin/Schüler» verbunden und geht mit dem Anspruch einher, bis zum Alter von 19 Jahren eine breite Allgemeinbildung vermittelt zu bekommen. An der ZHAW war ca. ein Drittel der Studienbeginnenden des Jahres 2008 mit einer gymnasialen Matur vor ihrem FH-Eintritt an einer universitären Hochschule eingeschrieben. Wieweit Umorientierung und Misserfolg dabei eine Rolle spielten, ist nicht bekannt (Kiener 2010, S.13 f.).
Herkunft der Studierenden
In- und Ausland
17 % aller FH/PH-Studierenden (alle Stufen) sind ausländische Staatsangehörige (Bachelorstufe: 15 %, Masterstufe 31 %; BFS 2011b, S. 7).
Diese 17 % teilen sich auf in 6 % sogenannte «Bildungsinländer» und 11 % sogenannte «Bildungsausländer». Mit «Bildungsinländern» werden Personen mit ausländischer Staatsangehörigkeit, aber schweizerischem Bildungsabschluss bezeichnet. «Bildungsausländer» hingegen sind Personen ausländischer Staatsangehörigkeit, die mit einem ausländischen Berechtigungsausweis in die FH/PH eintreten.