COACHING-PERSPEKTIVEN. Группа авторов
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Beziehung im Coaching
Dialog, also das »Fließen von Worten«54 ist zugleich Form und Inhalt des Gesprächs in einer Beratungsbeziehung, deren Zweck und Ziel es ist, gemeinsam Antworten auf Fragen zu erarbeiten. Je nach Auffassung kann Dialog schlicht Rede und Gegenrede meinen oder eine Haltung in Bezug auf »Ich und die Welt«. Mit der Qualität der Beziehung zwischen »Ich« und »Welt« hat sich der Religionsphilosoph Martin Buber intensiv beschäftigt.
Fragt man Gestalttherapeuten nach dem typischen Merkmal der Gestalttherapie, bekommt man meist die Antwort: »die dialogische Haltung«. Die Auseinandersetzung mit dem Dialogverständnis Martin Bubers und seiner Unterscheidung von »Ich-Du« und »Ich-Es«-Beziehungen zieht sich von Beginn an durch die Theorie der Gestalttherapie55 und prägt das professionelle Selbstverständnis von Gestalttherapeuten.
Für Berater mit gestalttherapeutischem Hintergrund stellt sich also die Frage, inwieweit sich dieses Konzept auf ihr Berufsfeld übertragen lässt.
Die dialogische Beziehung in der Gestalttherapie
Das Ideal der Dialog-Philosophie von Martin Buber ist die »Ich-Du«-Beziehung, die im »echten« Dialog erfahren wird,
»in welchem entweder still oder ausgesprochen ›jeder der Beteiligten den oder die anderen in ihrem besonderen Sein im Sinn hat und sich ihnen mit der Absicht zuwendet, eine lebendige wechselseitige Beziehung zwischen sich selbst und ihnen herzustellen‹«56
Die »Ich-Es«-Beziehung drückt sich in einem technischen Dialog aus, in dem es um die sachliche Verständigung geht und nicht um das wechselseitige Erleben des »Du«-Werdens füreinander.
»Wenn man sich auf ein »Es« bezieht (ein Ding oder eine Person, die zu einem Ding gemacht wurde), hält man etwas von sich selbst zurück: Man untersucht es aus vielen möglichen Perspektiven; man kategorisiert es, analysiert es, bewertet es und entscheidet über seine Position im großen Plan der Dinge.«57
Gary Yontef bezeichnet dies als »manipulative contact« und erklärt, »Gestalt therapists prefer experiencing the patient in dialogue to using therapeutic manipulation (I-It).«58 Er beschreibt drei Charakteristika des gestalttherapeutischen Dialogs, 59 die man so oder mit geringfügigen Abweichungen auch bei anderen Autoren findet:
Umfassung (›inclusion‹) und Bestätigung: Der Therapeut öffnet sich empathisch für die Erfahrung des Patienten und lässt gewissermaßen dessen Welt in sich entstehen. Gleichzeitig bleibt er mit seinem eigenen Erleben und seiner Wahrnehmung von sich selbst verbunden, pendelt zwischen beidem hin und her. Dadurch wertschätzt der Therapeut das, was gerade ›ist‹ und bestätigt die Erfahrung des Patienten als real und unterstützt so dessen Vertrauen in die eigene Wahrnehmung. Gleichzeitig ist es der Patient, der darüber zu entscheiden hat, ob der Therapeut mit seinem Eindruck richtig liegt. »In relational Gestalt therapy we tend to believe that if the patient says ›you don’t understand‹, you don’t understand.«60 Das heißt, der Therapeut verzichtet auf die Deutungshoheit über die Begegnung und stärkt damit die Autonomie des Patienten in der Abgrenzung zu ihm.
Präsenz: Beschreibt das Sich-Einlassen als ganzer Mensch auf das Geschehen zwischen Therapeut und Patient im ›Hier und Jetzt‹. Der Therapeut lässt sich von der Wirkung, die der Patient auf ihn hat, berühren, bewegen und beeinflussen.
(…) Sich für einen anderen Menschen zu interessieren bedeutet, sich für das Sein und Wachstum des anderen zu interessieren mit seiner ganzen Erkenntnis, die man durch genuines Zuhören erhält, bemüht man sich, dem anderen dabei zu helfen, im Augenblick der Begegnung ganz lebendig zu werden. (…)61
Präsenz heißt auch, dass der Therapeut seine persönlichen Wahrnehmungen, Beobachtungen, Reaktionen, Gefühle etc. auf die gegenwärtige Situation bezogen mitteilt. Damit unterstützt er die Achtsamkeit des Patienten für dessen Erleben und öffnet sich selbst für den Austausch, unter Umständen auch darüber, wie der Patient ihn wahrnimmt. Diese authentische Begegnung auf Augenhöhe ist auch für den Therapeuten eine Möglichkeit zu lernen und zu wachsen, der Therapeut wird davon ebenso verändert wie der Patient.
Hüten des Dazwischen:62 Der Therapeut ›hält‹ den Raum für den Dialog und lässt ihn damit geschehen. Das erfordert seine Achtsamkeit, Vertrauen und Zutrauen in den Prozess der Figurbildung und damit den Verzicht auf Steuerung oder Kontrolle. Das Dazwischen ist das, was entsteht und was mehr ist als die Summe der Beteiligten.
Eine ›echte‹ Ich-Du-Begegnung entspricht dem vollen Kontakt im Kontaktzyklus, dem Einander-Erkennen in der jeweiligen Einzigartigkeit, und befriedigt das menschliche Verlangen, wirklich gesehen zu werden.
In der Alltagserfahrung sind solche Momente eher selten, (Gestalt-) Therapeuten lernen diese Form der Kommunikation in ihrer Ausbildung. »Dialogue is something done rather than talked about.«63 schreibt Yontef und verweist damit auch darauf, dass ›Dialog‹ einerseits eine therapeutische Technik ist, die andererseits paradoxer Weise nicht wie eine Technik angewandt werden kann, weil sie auf einer existenziellen Haltung der Welt gegenüber beruht, die durch persönliches und professionelles Lernen erworben werden muss.64 Ohne eine dialogische Haltung ›funktioniert‹ die dialogische Technik nicht.
Neben der persönlichen Herausforderung, die in dem eben Gesagten für den Therapeuten als Mensch und Vertreter einer Profession liegt, ist die Übertragung des dialogischen Ideals in die therapeutische oder beraterische Praxis auch deshalb differenziert zu sehen, weil es sich bei Therapie und Beratung/ Coaching um eine zunächst funktionale Beziehung handelt, die asymmetrisch ist, also nicht auf der uneingeschränkten Gegenseitigkeit eines Ich-Du-Dialogs beruht. Es ist eine professionelle Beziehung, in der der eine den anderen für seine professionelle Kompetenz bezahlt. Dieser professionelle Rahmen ist das Umfeld, in dem die persönliche Beziehung gleichsam stattfindet und der sie durch seine Regeln begrenzt und schützt, sollte einer der Beteiligten das vergessen.
Funktionale Beziehungen im Organisations-Kontext
Zwei Beziehungsachsen sind für den Coachingprozess von zentraler Bedeutung: Die Achse Coach-Organisation und die Achse Coach-Coachee. Ich will zunächst den funktionalen, also zweckorientierten Aspekt dieser beiden Achsen betrachten.
Der Coach und die Organisation
Im Fall von Coaching ist der eine, der den anderen bezahlt, häufig eine Organisation, 65 repräsentiert durch einen oder mehrere ihrer Funktionsträger in ihren jeweiligen Rollen. Das Beziehungsgeschehen zwischen dem Coach (Nicht-Mitglied der Organisation) und dem oder den Mitgliedern der Organisation (Manager, Personalentwickler, Einkäufer) wird unter anderem bestimmt durch die jeweiligen Rollenerwartungen und -verständnisse der Beteiligten und die expliziten und impliziten Regeln, die die Organisation sich gegeben hat, wenn es z. B. um den Einkauf von Beratungsleistung geht.66
Wenn wir uns weiterhin an der Differenzierung zwischen funktionaler und persönlicher Beziehung orientieren, dann gehören Auftragsklärung und Vertragsgestaltung zur Ebene der funktionalen Beziehung, die, selbst wenn der Coachee nicht Teil des Geschehens ist, doch als Element des Hintergrunds die persönliche Beziehung zwischen Coach und Coachee beeinflusst: