COACHING-PERSPEKTIVEN. Группа авторов
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Für die persönliche Beziehungsebene zwischen Coach und Coachee kann das entweder heißen, dass sich die hierarchische Asymmetrie auch auf die persönliche Ebene erstreckt (der Coach als Erfüllungsgehilfe des Managements) oder umgekehrt, dass der Coach als nicht ausreichend unterschiedlich vom Coachee wahrgenommen wird, im Sinne von »wir führen doch beide nur die Anweisungen von oben aus.«
Der Coach und der Coachee
Berater, die aus dem therapeutischen Setting kommen, nehmen häufig an, dass das primäre Ungleichgewicht in der funktionalen Beziehung zwischen Coach und Coachee dadurch entsteht, dass es der Coachee ist, der um Hilfe bittet, weil er »ohne fremde, professionelle Hilfe nicht mehr angemessen weiter zu kommen glaubt (…)«67 Tatsächlich sieht sich der externe Coach inzwischen mindestens genauso häufig mit potenziellen Coachees konfrontiert, die ihn ihrerseits als verordneten oder empfohlenen Dienstleister verstehen, von dem sie erst einmal wissen wollen, was er anzubieten hat. Aus der Position ihres hierarchischen Status und dessen Ausdruck in der Organisation agieren sie zunächst »von oben nach unten« und nicht auf Augenhöhe. Edward Nevis nennt die Anforderungen, die dieser Umstand an den Berater stellt, »Standing up«-Kompetenz, 68 was neben anderem heißt, gestaltend im unvertrauten Umfeld mit Klienten arbeiten zu können, die zudem erwarten, dass der Berater Beweise seiner Kompetenz liefert, bevor sie bereit sind, mit ihm zusammen zu arbeiten. Vor diesem Hintergrund wird deutlich, dass die Ebene der funktionalen Beziehung von zentraler Bedeutung für das Coaching ist und sich, anders als in der Therapie, nicht fast von selbst versteht.
Die persönliche Beziehung im Organisations-Kontext
Während die Beziehung zwischen Coach und Organisation hauptsächlich am Zweck orientiert ist, ist für die wirkungsvolle Zusammenarbeit von Coach und Coachee vor allem die persönliche Ebene von Bedeutung.
Das Ideal in der therapeutischen Beziehung ist die Begegnung von »Mensch zu Mensch«, wobei mit Mensch immer »der ganze Mensch« gemeint ist. Dieser Beziehung wird Heilkraft zugesprochen, 69 weil durch das Erleben einer anderen Art von Beziehung alte Beziehungsmuster aufgelöst werden können. Coaching hingegen adressiert den Menschen vornehmlich in seiner professionellen Rolle als Mitglied in einer Organisation.
»Eine Person, die (…) die Rolle eines Mitglieds übernimmt, verpflichtet sich, bestimmten Verhaltenserwartungen gerecht zu werden. Das bezieht sich, je nach Organisation, auf weitere oder engere Verhaltensbereiche (…) Ein autonomes Individuum verzichtet in gewissen Bereichen des eigenen Lebens darauf, seinen theoretisch gegebenen Freiraum zu nutzen. Es lässt sich seine Unberechenbarkeit (»Nicht-Trivialität«), d. h. die Nicht-Erwartbarkeit seines Verhaltens, gegen ein mehr oder weniger angemessenes Schmerzensgeld abkaufen.«70
Auftrag des Coaching ist es, die individuellen Handlungsmöglichkeiten des Coachee in seiner Auseinandersetzung mit diesen Verhaltenserwartungen zu erweitern, ohne diese komplett in Frage zu stellen. Dass der Coach das eine tut und das andere nicht tut, ist wiederum Teil der Verhaltenserwartungen an ihn und Gegenstand des Arbeitsbündnisses. »Nur« die Rolle des Coachee in der Organisation im Blick zu haben heißt freilich nicht, den Rest des Individuums auszublenden, schließlich sitzen sich nicht nur zwei »Professionelle« gegenüber, sondern auch zwei Menschen. Das individuelle, persönliche, emotionale und spirituelle So-Sein des Coachee beeinflusst die Art und Weise, wie er seine professionelle Rolle ausfüllt (oder auch nicht) und ist damit Teil des Hintergrunds. Üblicherweise werden diese Aspekte jedoch nicht im Organisations-Kontext an- oder ausgesprochen. Genauso wenig ist es dort üblich oder geübt, Themen oder Fragen dialogisch zu adressieren. Orientiert man sich also am dialogischen als Ideal von Beziehung als Norm, fällt das Fazit für »Dialog im Coaching« eher enttäuschend aus. Was nicht heißt, dass der Coach diese Beziehung nicht anstreben kann. Martina Gremmler-Fuhr fasst dieses Streben in ihrem Konzept vom »intentionalen Dialog«71 und bezeichnet damit eine Haltung, die sich zunächst in einem Kommunikationsverhalten ausdrückt:
Auf der Ebene der Kommunikation umfasst und bestätigt der Coach das, was der Coachee beschreibt und erlebt. Er ist präsent im Hier und Jetzt und stellt kontextbezogen und selektiv authentisch seine Eindrücke und sein Wissen zur Verfügung. Er hält den Prozess, öffnet sich für das »Dazwischen« und variiert situationsbezogen das Maß der Steuerung und der Kontrolle über diesen Prozess. Getragen ist sein Verhalten von einer »Grundhaltung, die eine Verständigung beabsichtigt und gleichzeitig akzeptieren und wertschätzen kann, was ist.«72 Für den gestalttherapeutisch geschulten Coach kann das bedeuten, dass er die zahlreichen Ich-Es-Momente im Coaching als erwartbar und nutzbringend wahrnehmen kann, statt sie als defizitären Kontakt oder platte Interaktionen abzuwerten.
»Zu leicht übersehen wir in unserem Engagement für das Dialogische, dass der Klient zwar eine diffuse Sehnsucht nach Begegnung spüren, diese aber gleichzeitig für ihn sehr beängstigend sein kann.73
Intentionaler Dialog heißt auch, die jetzt bestehenden Grenzen der Verständigung oder Begegnung zu akzeptieren und gleichzeitig um ihre Erweiterung im gegebenen Rahmen bemüht zu sein. Dazu gehört auch anzuerkennen, dass ein Dialog derzeit nicht möglich ist.
Verantwortung im Coaching
Ob und wie sich die Grenzen der Verständigung und damit die Beziehungsqualität verändern, ist dabei nicht allein vom Coach und seinem Wollen und Können abhängig. Coaching ist, wie die meisten anderen Beratungsformate auch, immer eine Ko-Kreation, 74 salopp gesagt: it takes two to tango. Das ist für viele Coachees zunächst befremdlich, denn schließlich zahlt die Organisation dafür, dass jemand sie coacht. »Jetzt bin ich mal gespannt, was Sie mit mir machen«, ist ein oft geäußerter Satz am Beginn eines Coaching-Prozesses. Die einfache Formel zur Verteilung der Verantwortung im Coaching lautet: Der Coach ist verantwortlich für den Prozess, der Coachee für den Inhalt. Ohne Anliegen, Fragen und Themen des Coachee fehlt es dem Coaching an Inhalt. Ohne die Steuerungskompetenz des Coaches wird es keine runde Sache.
Aber auch auf der Prozessebene ist der Coachee gefragt, Verantwortung zu übernehmen. Ohne sein Engagement, seine Veränderungsenergie, Neugierde und Motivation zu lernen fehlt es den einzelnen Sitzungen an Energie und Fokus. Ohne seine Bereitschaft zu einer dialogischen Arbeitsbeziehung kann das Coaching eine Aneinanderreihung platter Interaktionen und damit bedeutungslos sein. Diese Mitverantwortung auf der Prozess- und Beziehungsebene macht Coaching auch für den Coachee zu einem anspruchsvollen Beratungsformat. Für den Coach kann es wiederum nützlich sein, sich an den »Ersten Hauptsatz der Verantwortungsdynamik« zu erinnern, der besagt:
»Das Maß der Verantwortung in einem Interaktionssystem bleibt konstant. Die Verantwortungsabgabe des einen ist die Verantwortungsübernahme des anderen. Wo nichts ist, kann auch nichts abgegeben werden.«75
Neben diesem praktischen Aspekt schwingt bei der Mitverantwortung des Coachees zugleich der Verweis auf dessen existenzielle Verantwortung bezogen auf sein Leben mit, also die konstante Anforderung, »Ja« und »Nein« zu sagen und zu entscheiden, wie die Antwort auf eine Situation lautet, die jetzt der inneren Wahrheit entspricht.
Auch hier gilt, dass im