Friedlaender / Mynona und die Gestalttherapie. Группа авторов

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Friedlaender / Mynona und die Gestalttherapie - Группа авторов EHP-Praxis

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Traditionen aller Religionen, in unterschiedlicher Akzentuierung. Und alle ernst zu nehmenden Formen von Meditation oder Kontemplation praktizieren eine »Einübung ins Da-Sein« (Frambach 1994, 370–373), die Sammlung und Öffnung des Geistes in der Gegenwart, um dem entgegen zu warten, was das Bewusstsein im Zustand der Präsenz erfüllt. »Der gegenwärtige Augenblick muss eure Wohnung werden«, schreibt der protestantische Mystiker Gerhard Tersteegen (1697–1769).

      Von Fritz Perls gibt es einige sehr prägnante Äußerungen zum Thema des Jetzt. Er konnte seinen psychotherapeutischen Ansatz sogar als »Hier und Jetzt-Therapie« bezeichnen (Perls 1976, 81). Leider hat er, wie so oft, seine Sicht des Jetzt nicht mit der nötigen Ausführlichkeit und Genauigkeit erläutert. Darum ist diese Betonung des »Hier-und-Jetzt« nicht selten sehr unreflektiert klischee- und schlagwortartig verstanden oder besser nicht verstanden worden und zu einer Floskel des Psycho-Jargons verkommen. Ich habe das mit der Unterscheidung von »Hier und Jetzt-Zentrierung« und »Hier und Jetzt-Fixierung« versucht zu thematisieren (Frambach 2001, 14 ff.). Bei der Fixierung werden Vergangenheit und Zukunft weitgehend ausgeblendet. Man ist in kurzsichtig hedonistischer Weise auf die Gegenwart fixiert: »Ich lebe im Jetzt! Und alles andere interessiert mit nicht. Gestern ist vorbei. Und nach mir die Sintflut!« So die, zugegeben überzeichnete, Haltung der Fixierung. Aber die Einstellung »Ich will Spaß, und zwar sofort!« ist doch für viele Menschen der Konsum- und Event-Gesellschaft ein lebensbestimmendes Motto, nicht zuletzt dank des massiven Einflusses der hedonistisch konsumstimulierenden Werbeindustrie.

      Perls hat das »Hier und Jetzt« im Sinne einer Zentrierung verstanden, bei der Vergangenheit und Zukunft ausgewogen sinnvoll auf die Gegenwart als Zentrum bezogen sind:

      »Die Gegenwart ist der sich ständig bewegende Nullpunkt der Gegensätze Vergangenheit und Zukunft. Eine gut ausgewogene Persönlichkeit berücksichtigt Vergangenheit und Zukunft, ohne den Nullpunkt, die Gegenwart, aufzugeben, ohne Vergangenheit und Zukunft als Realitäten anzusehen.« – »Das Zeitzentrum unserer selbst als raumzeitlicher Ereignisse ist die Gegenwart. Es gibt keine andere Realität als die Gegenwart. Unser Wunsch, mehr von der Vergangenheit zu behalten oder die Zukunft vorwegzunehmen, kann dieses Realitätsempfinden völlig überwuchern … Ein Mangel an Kontakt mit der Gegenwart, ein Mangel an aktuellem ›Gefühl‹ unserer selbst, führt zur Flucht, entweder in die Vergangenheit (historisches Denken) oder in die Zukunft (vorwegnehmendes Denken).« (Perls 1978, 115, 111)

      Was Perls nicht thematisiert hat, ist die Flucht in die Gegenwart, das Ausblenden von Vergangenheit und Zukunft. Auch das ist eine Gefahr. Sich auf die – oder besser – in der Gegenwart zu zentrieren bedeutet nicht, Vergangenheit und Zukunft zu ignorieren, sondern sie ausgewogen polar aufeinander zu beziehen über die Mitte ihrer Transdifferenz.

      Was bei diesen Perls-Zitaten wieder einmal deutlich wird, ist der grundlegende Einfluss von Friedlaenders polarer Indifferenzphilosophie, auch wenn er ihn wieder einmal nicht namentlich erwähnt.

      3.3.3 Die Mitte der Materie

      Wie bei Raum und Zeit kann man auch radikal in die Mitte der Materie hineinfragen. Das läuft auf die Frage nach der kleinsten Einheit der Materie hinaus und führt in die Gefilde der Atomphysik. Darüber habe ich mir in besagtem Aufsatz Von der Unfähigkeit des Intellekts das Absolute zu erkennen … (1996), inspiriert durch Friedlaenders Philosophie, Gedanken gemacht. Etwas vermessen, da diese Materie nun überhaupt nicht die meine ist. Darum habe ich mir seinerzeit 1990 meine Überlegungen dem Quantenphysiker Thomas Görnitz, damals Mitarbeiter des Physikers und Philosophen Carl Friedrich von Weizsäcker, ansehen lassen und er hat ihnen im Wesentlichen zugestimmt. Sie können also nicht völlig falsch sein. Hier der entsprechende Abschnitt:

      »Die Atomphysik stellt wohl den ausgeprägtesten naturwissenschaftlichen Versuch dar, mit dem Mittel des unterscheidenden Intellekts der phänomenalen Realität auf den Grund zu gehen und restlos = absolut zu erkennen. Durch einen immer weiter fortschreitenden Prozess exakt unterscheidender Beobachtung versucht man, die kleinste unteilbare Einheit oder Ganzheit (griech. atomos = unteilbar, unschneidbar) zu erkennen, aus der sich die Materie aufbaut. Das, was man Atom genannt hatte, erwies sich aber nicht als die gesuchte unteilbare Einheit und man gelangte in den Bereich der subatomaren Phänomene. Diese – Elektronen wie auch Protonen und Neutronen – zeigten jedoch eine verwirrende Zweideutigkeit, welche die daran beteiligten internationalen Forscher zur Entwicklung einer revolutionären, neuen Theorie führte, der sogenannten »Quantentheorie«. Die subatomaren Phänomene erschienen nämlich, je nach Beobachtungsmethode, einmal als Teilchen, Korpuskel, und ein anderes Mal zeigten sie sich als Welle. Eine charakteristische Eigenart ließ sich nicht eindeutig festlegen. Dieser sich ausschließende »Teilchen-Welle-Dualismus« wurde von Niels Bohr als »Komplementarität« interpretiert, als sich gegenseitig ausschließende und ergänzende Aspekte derselben Realität. Werner Heisenberg definierte das Verhältnis dieser komplementären Aspekte in komplexen Gleichungen als »Unschärferelation«. Ganz grob vereinfacht läuft sie im Prinzip auf Folgendes hinaus: je präziser der eine Aspekt (Korpuskel) wahrgenommen und beobachtet wird, desto unschärfer wird der andere Aspekt (Welle) und umgekehrt. Diese Entdeckung der Physik an der Grenze des exakt intellektuell Erkenn- und Unterscheidbaren deckt sich genau mit den hier vorgelegten erkenntnistheoretischen Einsichten. Das Prinzip der Polarität und der Vordergrund/ Hintergrund-Differenzierung des unterscheidenden Intellekts findet seine konkrete naturwissenschaftliche Entsprechung in der Komplementarität und der Unschärferelation der Quantentheorie. Auf Grund der hier dargestellten Strukturprinzipien der differenzierten Realität und des differenzierenden Intellekts wird einsichtig, dass die Erkenntnisbemühung der Physiker im Bereich kleinster Teilchen formal voraussagbar notwendigerweise zu diesem Ergebnis gelangen musste. Eine letzte eindeutige Einheit, Ganzheit, ist prinzipiell nicht restlos zu erkennen, weil Einheit, Ganzheit grundsätzlich als differenziertes Phänomen nicht zu erkennen ist. Wir erkennen nie restlos, ganz absolut, weil wir eben nur auf dem Hintergrund des Restes erkennen. Unser Erkennen ist prinzipiell unscharf. Die »Heisenbergsche Unschärferelation« ist nicht auf die subatomare Physik beschränkt, sondern ist ein erkenntnistheoretisches Grundfaktum. Im Bereich der Mathematik z. B. findet sie ihre logische Entsprechung im sogenannten »Unvollständigkeitstheorem« des Mathematikers Kurt Gödel, der nachwies, dass jedes logische System eine logische Voraussetzung haben muss, die selbst nicht logisch beweisbar ist. Auf Grund der Einsicht in die prinzipielle Polarität aller differenzierten Phänomene ist weiterhin von vorneherein klar, dass als letzte Erkenntnis im Bereich der kleinstmöglichen Teilchen die Wahrnehmung zweier sich ausschließender und ergänzender, d. h. komplementärer, polarer Phänomene übrig bleiben muss. Das, was polar als subatomares Teilchen- oder Wellenphänomen differenziert erkennbar wird – wie auch beim Licht – ist in seiner Einheit Ganzheit, indifferent. Es ist kein differenziertes Phänomen und damit dem forschenden Blick des Intellekts entzogen. Teilchen und Welle sind die polare, komplementäre Differenzierung desselben, das in seiner Identität indifferent unerkennbar ist. Was das »an sich« ist, das sich da in seinen polaren Phänomenen zeigt, lässt sich nicht erkennen und daher auch nicht sprachlich ausdrücken und begrifflich definieren. Die Physik hat die Materie bis in den subatomaren Bereich hinein verfolgt, drückte es einmal ein Physiker aus, und dann die Spur verloren. Dieses Verlieren der Spur wird durch die Einsicht in die prinzipielle Polarität der phänomenalen Realität erklärbar, als das Erreichen der intellektuellen Erkenntnisgrenze des differenzierenden naturwissenschaftlichen Erkennens im Mikro-Bereich. Das »Ding an sich« ist prinzipiell unerkennbar, wie das schon Kant in seiner Kritik der reinen Vernunft intellektuell schlüssig nachwies, und zwar bezogen auf die Wahrnehmung aller Phänomene. Das »Ding an sich«, die Ganzheit, Einheit der Realität, ist das intellektuell unerkennbare Noumenon, das sich, können wir Kant mit Friedlaender präzisierend ergänzen, als Phänomen immer nur in seinem polaren Doppelaspekt zeigt. Diese Sichtweise der philosophischen »Metaphysik« Friedlaenders findet in den Erkenntnissen der exakten »Physik« ihre klare Bestätigung.« (Frambach 1996, 57 f.)

      Thomas Görnitz hat sein Verständnis der Quantenphysik (2006) weiterentwickelt und auf dem Konzept der Quanteninformation ein umfassendes, über den materiellen Bedeutungsbereich der Physik

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