Friedlaender / Mynona und die Gestalttherapie. Группа авторов

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Friedlaender / Mynona und die Gestalttherapie - Группа авторов EHP-Praxis

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wie er an verschiedene Stellen prägnant formulierte. Prägnant, aber leider ist er nicht differenziert und ausführlich genug. Aber das hat er auch bei seinen anderen Quellen nicht getan!! Bei einer Darstellung der Gestalttherapie auf Friedlaender nicht einzugehen, in welcher Weise auch immer, ist historisch ignorant und fachlich unangemessen.

      »Fritz Perls hat sich zu keinem Autor so vorbehaltlos bekannt wie zu Friedlaender. Diese Verehrung zog sich von Das Ich, der Hunger und die Aggression (1944) bis in die späten Jahre bruchlos durch. Sie betrifft ausschließlich das Werk Schöpferische Indifferenz.« (Blankertz/Doubrawa 2005, 76)

      »Der vielleicht wichtigste Einfluss auf die Entwicklung der Gestalttherapie ist nebst Freud das Konzept der ›Schöpferischen Indifferenz‹, das philosophische Hauptwerk von Salomo Friedlaender.« (Bongers/Schulthess 2005, 14)

      2. Die Grundstruktur von Friedlaenders Denken, nämlich polare Differenzierung und die Mitte der schöpferischen Indifferenz, findet sich bei Perls in etlichen Konzepten, wenn auch nicht explizit darauf Bezug genommen wird.

      Die elementare Denkkonzeption Friedlaenders, Indifferenz und polare Differenzierung, kommt bei Perls in unterschiedlicher Wortgestalt zur Geltung wie z. B. Mitte, Zentrum, Nullpunkt, Nichts, Leere, Prä-Differenz, Gleichgewicht, Balance, Gegensätze, Pole, Polarisieren. »Der Polaritätsgedanke gehört zur Basis der Gestalttherapie.« (Hartmann-Kottek 2008, 141).Wenn man genauer hinsieht, lässt sich bei diesen Begriffen meist unschwer die Grundstruktur von Friedlaenders Philosophieren ausmachen, aber nicht in der angemessenen Deutlichkeit und mit explizitem Bezug. Hilarion Petzold schreibt in seiner Darstellung der Gestalttherapie (1984, 11):

      »Bei Friedlaender findet Perls die Konzepte, die für die Entwicklung der Gestalttherapie entscheidend werden sollten. Als er später mit der Gestaltpsychologie in Kontakt kommt und mit der Organismus-Theorie von Kurt Goldstein, findet er dort eine Terminologie, die seiner Auffassung nach den Gedankengängen von Friedlaender entspricht: Das Konzept der Homöostase bzw. der organismischen Selbstregulation und das Figur/Hintergrund-Konzept. Der alleinige Rekurs auf diese Theorien, ohne den ideengeschichtlichen und philosophischen Hintergrund von Perls mitzusehen, führt aber zu einer Verkürzung (so Walter 1984). Gegenüber der funktionalen Betrachtungsweise der Gestaltpsychologie greift nämlich das Konzept des ›schöpferischen Ichs‹, das aus sich selber, aus seiner Lage undifferenzierter Innerlichkeit alle Differenzierungen in der objektiven Welt mitbewirkt, weiter.«

      Das entspricht meiner Sicht dieser Zusammenhänge, die Perls wohl aber nicht wirklich reflektiert bewusst waren. Jedenfalls hat er das nicht explizit formuliert.

      3. Das Vordergrund/Hintergrund-Konzept der Gestaltpsychologie wird von mir durch das Verständnis des Grundes ergänzt. Der Grund entspricht dabei der Schöpferischen Indifferenz bei Friedlaender.

      »An dieser Stelle führe ich nun eine neue Unterscheidung ein. Sie wird normalerweise weder in der Gestalttheorie und -psychologie noch in der Gestalttherapie gemacht. Für das hier entwickelte Verständnis des Befreiungsprozesses der Identität – sowohl in der Gestalttherapie als auch im Zen und in der christlichen Spiritualität – ist sie von fundamentaler und entscheidender Bedeutung: Außer der Differenzierung in Vordergrund und Hintergrund muss noch der Grund erfasst werden, um die Dynamik des Gestalt-Prozesses ganz zu verstehen. Der Grund ist dabei als indifferent zu begreifen. Er entspricht dem, was Salomo Friedlaender als ›Schöpferische Indifferenz‹ bezeichnet.

      Der als Gestalt oder Figur prägnante Vordergrund und der diffuse Hintergrund sind, entsprechend Friedlaenders philosophischer Erkenntnis, als polare Differenzierung zu verstehen. Indifferenz und polare Differenzierung als Grundkonzeption für das Verständnis des kreativen Prozesses der Wirklichkeit in der Philosophie von Salomo Friedlaender finden ihre Entsprechung im Verständnis von Grund und polarer Vordergrund/Hintergrund-Differenzierung im Gestalt-Ansatz.

      Fritz Perls hat diese Entsprechung nie explizit formuliert und Grund und Indifferenz gleichgesetzt. Vorgeprägt durch Friedlaenders Philosophie hat ihn m. E. jedoch genau diese strukturelle Entsprechung am Gestalt-Ansatz fasziniert und angezogen, wenn er sich dessen auch nicht völlig reflektiert bewusst war.

      Der Grund darf nicht mit dem Hintergrund verwechselt werden, wie das häufig in der Formulierung ›Figur/Grund‹ geschieht. Der Hintergrund ist diffus gegenüber dem prägnanten Vordergrund. Der Grund jedoch ist indifferent, er ist kein unterscheidbares Phänomen. Er ist das, was sich differenziert. Perls spricht, wie wir später sehen werden, in seinem Verständnis des Nichts der Implosionsschicht des Fünf-Schichten-Modells, das an, was unter dem Grund zu verstehen ist.« (Frambach 1994, 55)

      Der Grund ist transdifferent. Er ist in der Differenzierung in Vordergrund und Hintergrund präsent in Überunterschiedenheit. Er ist das, was sich differenziert und damit als Phänomen existent wird.

      4. Mit dem Grund als Entsprechung zur schöpferischen Indifferenz kann das von Fritz Perls mehrdeutig und unklar beschriebene »Fünf-Schichten-Modell« der Neurose als stimmiger Prozess verstanden werden.

      Perls hat das »Fünf-Schichten-Modell« der Neurose an drei Stellen unterschiedlich und widersprüchlich beschrieben (1969, 145; 1974, 63/64; 1980, 101). Meine Interpretation beruht vor allem auf dem Bezug zu Friedlaenders Philosophie und dem Verständnis des transdifferenten Grundes. Dadurch wird eine stimmige Dynamik deutlich, die sich in den Phasen oder Stadien von Fixierung, Differenzierung, Diffusion, Vakuum und Integration ausdrückt. Im Vakuum wird die schöpferische Indifferenz oder der transdifferente Grund erfahren. Das ist der Punkt, auf den der Prozess, in einer unbegrenzten Variation von Intensität, Zeitdauer und Wiederholung, zuläuft, der Wendepunkt, der aber keineswegs in spektakulärer Weise erlebt werden muss, sondern oft erst im Nachhinein als solcher erkannt wird. Hier nun eine dichte Beschreibung dieses Prozesses. Ausführlicher und damit weniger Missverständnissen ausgesetzt kann das an anderer Stelle (Frambach 1994, 83–106) nachgelesen werden:

      »Die ›Aufgesetzte Schicht‹ der Rollen und Spiele ist bei Perls die Ausgangssituation. Die neurotische Unfreiheit besteht prinzipiell in einer Fixierung auf bestimmte Aspekte der Identität, die den Vordergrund der Bewusstheit besetzt halten. Andere, aus welchen Gründen auch immer, nicht angenommene Aspekte der Persönlichkeit, werden mehr oder weniger permanent in den Schatten des Hintergrundes, hinter die Kulissen der Lebensbühne, verdrängt. In der ›Phobischen Schicht‹ werden diese vermiedenen Impulse, unterstützt durch die therapeutische Arbeit, zunehmend bewusster, und damit auch die Angst, die phobische Haltung, die zur Vermeidung führte und sie aufrecht erhält. Es wird eine Differenzierung vollzogen, die Bewusstheit wird differenzierter, da bislang ungelebte gegenpolige Seiten und Bedürfnisse der Psyche zumindest teil- und zeitweise die Möglichkeit haben, ins Erleben zu treten und Gestalt zu werden. Zum Beispiel tritt eine permanent in den Hintergrund gedrängte Aggression in den Vordergrund, der sonst durchgehend von einer aufgesetzten, gleichsam chronischen Freundlichkeit besetzt ist. Der Widerstreit der E-motion, der Heraus-bewegung und der zurückdrängenden Gegenbewegung der Angst, verdichtet sich weiter zu einer Diffusion, von Perls als ›Impasse‹ bezeichnet. In diesem Engpass, dieser Sackgasse oder Blockierung, hat sich die alte Struktur der bisherigen vordergründigen Identifikations-Fixierung in eine diffuse Verwirrung aufgelöst. Hält man in dieser beängstigenden Phase aus, dann tritt ein Vakuum ein, von Perls ›Schicht des Todes‹, ›Fruchtbare Leere‹ oder ›Implosion‹ genannt. Hier findet keine polare Differenzierung in Vorder- und Hintergrund statt, hier wird deren kreative Mitte erfahren, der Grund, das Nichts der schöpferischen Indifferenz. Nach einseitiger, schiefer Identifikation findet der Mensch wieder zum ›Mittleren Modus‹, aus dem heraus das Selbst frei und spontan gestaltet. Das geschieht dann auch umgehend in der Phase die Perls als ›Explosion‹ bezeichnet. Ein bislang hintergründiger psychischer Aspekt, wie z. B. Aggression oder Trauer, kann sich nun unbehindert im Vordergrund entfalten und dadurch eine ›unerledigte Situation‹, eine ›offene Gestalt‹ schließen. Es kommt zu einer Integration eines nicht angenommenen seelischen Aspektes, der zusammen mit seinem bereits

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