Mehr ausbrüten, weniger gackern. Andreas Müller
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LernCoaching ist nicht einfach eine andere Arbeit im System. Es ist auch – und vor allem – Arbeit am System. Es geht darum, auf die lernrelevanten Faktoren bewusst Einfluss zu nehmen und so die individuelle Erfolgswahrscheinlichkeit zu erhöhen. Denn zum Erfolg gibt es keine Alternative.
1 | Autagogik versteht sich als übergeordnetes Konzept für selbstkompetentes, selbstwirksames Lernen. Der Begriff setzt sich zusammen aus griech. autós, »selbst, aus eigener Kraft« und ágein »führen«. |
Eine kleine Auslegeordnung
Wir alle sind ein Produkt unserer eigenen Geschichte: Alles, was jetzt – in der Gegenwart – geschieht, ist das Ergebnis von Entscheidungen, die wir vorher einmal getroffen haben. Mit anderen Worten: Jede Zukunft hat eine Herkunft.
Und Lernen, das sind die Schritte zwischen Herkunft und Zukunft. Schritte hinterlassen Spuren. Auf diesen »Gebrauchsspuren« (Spitzer 2006) bewegt sich unser Denken. »Gute« Spuren ausbauen oder neu anlegen, das ist also – ein bisschen plakativ – das Ziel schulischen Lernens. Dazu müssen die Lernenden aktiv sein, etwas tun. Sie müssen vor allem lernen, konstruktiv mit Schwierigkeiten und Widerständen umzugehen. Und eben nicht: Widerstände zu umgehen.
Das bedeutet: Es geht darum, sich auseinanderzusetzen – mit Dingen, mit anderen Menschen, mit sich selbst. Sich auseinandersetzen wiederum, das funktioniert nicht per Mausklick oder Knopfdruck. Denn sich auseinandersetzen heißt: Widerstände meistern, nicht mit der erstbesten Lösung zufrieden sein. Und es heißt auch: Umwege gehen. Denn: Umwege erhöhen die Ortskenntnis. Für die Schule bedeutet das im Kern:
Lernende müssen Freude entwickeln am Umgang mit Widerständen und Schwierigkeiten.
Das Leben ist gestaltbar. Das Lernen auch. Alles – jede noch so kleine Aufgabe – lässt sich verwandeln in etwas, das wirklich Sinn macht. Es ist letztlich eine Frage des angeborenen oder erlernten Widerwillens, sich in die langweilige Ecke drängen zu lassen. Oder den Widerwillen, die eigene Phantasie auf das Format einer karierten Heftseite zu beschränken.
Lernen versteht sich also keineswegs als ein lineares und monokausales Geschehen. Wissen lässt sich nicht bequem von einem Kopf (jenem des Lehrers) in einen anderen (jenen des Schülers) übertragen. Lernen ist ein individueller Konstruktionsprozess. Wissen wird stets neu konstruiert. Lernen ist – neurobiologisch gesehen – eine Umstrukturierung neuronaler2 Verbindungen. Es entstehen Gebrauchsspuren. Auf diesen – ausgetretenen – Wegen verläuft unser Denken. Wer lernt, legt also auch neue Wege an. Neue Denkspuren. Diese Wege entstehen dadurch, dass wir sie gehen (Spitzer 2006).
Gebrauchsspuren
Schulisches Lernen – ist es auf Nachhaltigkeit ausgerichtet – folgt dem Ziel zu verstehen. Verstehen meint: Informationen umwandeln in Bedeutung. Oder: aus etwas Fremdem etwas Eigenes machen. Kapieren, nicht kopieren. Denn: Aha!, das beglückende Gefühl, etwas verstanden zu haben, ist ein hochgradig emotionales Erlebnis. Wenn der Groschen fällt, steigt das Dopamin3. Das produziert Glücksgefühle.
Und so macht Lernen Freude. Es ist Freude an Leistung. An der eigenen! Etymologisch gesehen sind nämlich Lernen und Leistung gleichbedeutend. Und damit wird zum Ausdruck gebracht: Lernen, Verstehen und die Freude daran sind das Resultat einer Leistung. Oder eben: das Ergebnis eines konstruktiven Umgangs mit Schwierigkeiten.
Der Prozess des Lernens hat also im Grunde genommen nichts mit dem Was zu tun. Sondern einzig und allein mit dem Wie! Auf die Frage »Was lernst du?« gibt es so gesehen keine vernünftigen Antworten. Die Englischvokabeln von Kapitel 12. Das Kürzen von gemeinen Brüchen. Der Verlauf der Schlacht bei Bibrakte. Das sind allenfalls zukünftige Ergebnisse von Lernaktivitäten. Das Lernen selber findet aber immer in der Gegenwart statt. Hier und jetzt. Lernen ist Tun. Und die entsprechenden Aktivitäten antworten nur auf die Frage nach dem Wie!
Um sich selbst zu erkennen, muss man handeln. Albert Camus
Es ist das Wie des Lernens, das die Spuren von der Herkunft in die Zukunft legt.
Kompetenzen
Wer kreativ und konstruktiv sein Lernen (und sein Leben) gestalten will, braucht Kompetenzen. Kompetenzen sind Fähigkeiten und Fertigkeiten, die von Lernenden entwickelt werden und sie befähigen, bestimmte Tätigkeiten in variablen Situationen auszuüben.
Oder ein bisschen genauer (Weinert): »Kompetenzen sind die bei Individuen verfügbaren oder durch sie erlernbaren kognitiven Fähigkeiten und Fertigkeiten, um bestimmte Probleme zu lösen, sowie die damit verbundenen motivationalen, volitionalen und sozialen Bereitschaften und Fähigkeiten, um die Problemlösungen in variablen Situationen erfolgreich und verantwortungsvoll nutzen zu können.« Lernen zielt also darauf ab, Kompetenzen zu entwickeln.
Dabei geht es einerseits um fachliche Kompetenzen. Um den Aufbau eines lebendigen und anwendungsbezogenen Fachwissens. Je mehr Wissen ein Lernender hat und je besser es strukturiert ist, umso leichter kann er damit »spielen« und neue Informationen damit in Beziehung setzen.
Es geht damit auch um methodische Kompetenzen. Oder neudeutsch: um learning skills. Ums Handwerk also. Und um die Werkzeuge dazu. Ein vielfältiges Strategie- und Methodenrepertoire erhöht die Erfolgswahrscheinlichkeit. Weshalb sonst sagte Abraham Maslow: Wer als einziges Werkzeug einen Hammer kennt, für den ist jedes Problem ein Nagel.
Was nicht in die Wurzeln geht, geht nicht in die Krone. Friedrich Georg Jünger
Und es geht um Anschlusskompetenzen. Um Haltungen und Einstellungen. Dazu gehört der Umgang mit sich selber. Aber auch der Umgang mit anderen: Kommunikations-, Konflikt- und Integrationsfähigkeit. Und dazu gehört: beginnen, die Dinge nicht vor sich herzuschieben wie eine Wanderdüne. Und auch: zu Ende führen. Freude an der Widerständigkeit.
Wer den Anforderungen mehr oder weniger systematisch aus dem Weg geht, wird permanent von so etwas wie einem schlechten Gewissen verfolgt sein. Wer im Grunde genommen weiß, was er sollte, und es trotzdem nicht tut, findet sich nicht so toll. Und wer sich selber nicht mag, ist, so jedenfalls glaubt Friedrich Nietzsche, »fortwährend bereit, sich dafür zu rächen«. Schule muss also auch ein Ort sein, der den Lernenden gute Gründe gibt, sich selber zu mögen.
Die Bereitschaft, aktiv zu werden, sich mit Dingen auseinanderzusetzen, ist gekoppelt an die Wahrscheinlichkeit, damit erfolgreich zu sein. Es braucht Selbstwirksamkeitsüberzeugungen4. Es braucht den Glauben an die eigenen Fähigkeiten. Auch das ist eine Gebrauchsspur. Und das heißt im Klartext:
Die Schule muss ein Ort sein, den die Lernenden als erfolgreich erleben.
Denn eben: Zum Erfolg gibt es schlichtweg keine Alternative.
Lernrelevante Faktoren
Lernen