Al Qanater. Hannes Führinger

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Al Qanater - Hannes Führinger

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      Drei Tage vergingen, nachdem mich Hannes vom Flughafen aus angerufen hatte. Zwei Mal insgesamt. Jetzt hörte ich wieder nichts von ihm und er war nicht erreichbar. Die Mitarbeiter der Botschaft in Kairo waren freundlich, aber sie wussten auch nichts über seinen Verbleib.

      Sie versuchten, mich zu beruhigen. Doch mir gingen ständig diese quälenden Fragen durch den Kopf. Was machten sie mit ihm? Wo hielten sie ihn fest? Folterten sie ihn womöglich?

      Ich hatte inzwischen einen Anwalt gefunden. Das war nicht einfach gewesen, denn die Botschaft hatte abgewunken, als ich nach einer Empfehlung gefragt hatte. Sie wolle keine Werbung machen, hieß es. Sie stellte mir bloß ein Register mit den Namen von Anwälten zusammen, mit der sie schon einmal Kontakt hatte. Ob die kompetent oder nicht und billig oder teuer waren, sagte mir niemand. Ich konnte nur hoffen, eine gute Wahl zu treffen.

      Ich wollte noch mehr tun, aber ich wusste nicht, was. Es überforderte mich, einfach nur warten zu können. Wenn Hannes sich bis zum Abend nicht meldet, fliege ich hin, dachte ich.

      Gleichzeitig gelang es mir immer schwerer, eine Einsicht zu verdrängen. Eine, die sich mir genauso aufdrängte wie mein Gefühl am Anfang, dass er diesen Auftrag besser ausließ. Doch irgendwann ergab ich mich ihr. Ich wusste, dass Hannes eine lange Zeit nicht zurückkommen würde. Eine sehr lange Zeit.

      6

      Dieses Herumfahren hatte etwas Sinnloses. Es schien weniger um das Erreichen von Zielen zu gehen, als um das Herumfahren selbst. Diesmal fuhren wir etwa eine Stunde lang. Alles verschwamm vor meinen Augen zu einem Nebel. Die endlosen Fahrten, die ausdruckslosen Gesichter immer neuer ägyptischer Beamter, dazwischen nichts als Einöde. Ich war erschöpft und durstig. Schließlich fanden wir uns in einem Gang im 5. Stock eines großen Gebäudes wieder.

      Es sah anders aus als die, die Karl und ich bisher kennengelernt hatten. Der Gang war mit Marmor ausgekleidet. Prächtige Gemälde hingen an den Wänden und Luster von den Decken. Wieder mussten wir warten. Ich sah, dass Karl langsam die Hoffnung verlor. »Karl«, sagte ich, »ich …«

      Er winkte ab. Er hatte offenbar an meinem Tonfall erkannt, was ich sagen wollte. Doch wie absurd unsere Odyssee auch war, dies war nicht der richtige Zeitpunkt für die Klärung der Frage, wer sie verschuldet hatte. Wir brauchten unsere Energie, um durchzuhalten.

      Ich lehnte mich an die Marmorwand des Ganges. Die Müdigkeit machte mir immer schwerer zu schaffen. Ich konnte mich kaum noch konzentrieren. Ich war es gewöhnt, längere Zeit ohne Schlaf auszukommen, doch jetzt kamen der Durst dazu und die Hoffnungslosigkeit dieser kafkaesken Situation.

      Eine Tür ging auf. Ein Mann, etwa Mitte dreißig, trat zu uns heraus. Er war Europäer. Sportlich. Gepflegt. Gut ausgeschlafen. Darum beneidete ich ihn am meisten. Er kam direkt auf Karl und mich zu. Streckte mir die Hand entgegen. »Hannes Führinger?«

      Er hieß Peter Schönburg, und obwohl er auf den ersten Blick als Diplomat der österreichischen Botschaft zu erkennen war, hatte ich nicht das Gefühl, dass jetzt alles besser werden würde. Warum eigentlich nicht? Ich wusste es nicht.

      Während ich ihm die Hand gab, sah ich hinter ihm zwei ägyptische Beamte auf den Gang treten. »Sie müssen uns helfen«, sagte ich rasch. »Was die hier mit uns abziehen, spottet jeder Beschreibung.«

      Die beiden ägyptischen Beamten stellten sich zwischen uns und redeten auf Arabisch auf Schönburg ein. Er diskutierte mit ihnen, dann sah er mich bedauernd an. »Ich darf nicht mit Ihnen sprechen«, sagte er. Er drehte sich um und verschwand wieder in dem Büro, aus dem er gekommen war.

      Karl und ich blieben zurück. Was wir erlebten, hatte sich bisher wie ein düsterer Traum angefühlt. Jetzt war es, als würden wir daraus erwachen, in eine Wirklichkeit, die noch düsterer war. Was geschah hier? Wir hatten uns nichts zuschulden kommen lassen. Wir wollten bloß ordnungsgemäß angemeldete, kontrollierte, verpackte und versiegelte Waffen vom Flughafen zum Schiff bringen, im Rahmen des dafür von Amts wegen vorgesehenen Prozederes. Warum behandelten die uns wie Verbrecher? Weil ein eifersüchtiger Exfreund Lisas sie gegen uns aufgehetzt hatte? Das konnte nicht alles sein. Ralf wollte uns vielleicht einen Streich spielen, aber damit konnte er nicht gerechnet haben. Die Sache schien eine verhängnisvolle Eigendynamik entwickelt zu haben.

      Die Beamten winkten uns zu einer doppelflügigen Tür am Ende des Ganges. Sie war aus schwerem Holz und mit goldenen Ornamenten verziert. Der Raum dahinter, in den uns die Beamten schoben, sah aus, wie ich mir ein englisches Botschaftsbüro aus der Kolonialzeit vorstellte. Ein wuchtiger Schreibtisch mit einem Globus und einem Füllfederhalter. Ein langer Besprechungstisch. Alle Möbel aus dunklem Holz. Hohe Fenster mit Vorhängen aus Damast. Auszeichnungen und auch hier Gemälde an den Wänden. Der Raum war sauber und aufgeräumt.

      Sieben Männer befanden sich darin. Drei von ihnen waren offenbar höhere Beamte. Gut gekleidete, gepflegte Ägypter. Hinter jedem von ihnen stand ein Sekretär. Der siebente Mann war ein Dolmetscher.

      Einer der drei Beamten trat an uns heran. Das musste der »Attorney« sein, von dem im Gefängnis die Rede gewesen war. Er war ein hagerer Mann Mitte dreißig, der seine mit Öl geglättete Frisur wahrscheinlich für chic hielt. Zumindest ließ sein grauer, glänzender Anzug vermuten, dass er Wert auf Äußerlichkeit legte, und da es ihm offenbar an Geschmack fehlte, sah er aus wie ein Schnösel.

      Der Staatsanwalt bildete einen skurrilen Kontrast zu dem Dolmetscher, der mit ihm vortrat, ein klein gewachsener, dicker, etwa siebzig Jahre alter Mann. Der Anzug des Dolmetschers bestand aus einem abgewetzten Sakko und einer durchgesessenen Hose. Schon als er sich vorstellte, vermutete ich, dass er nicht viel besser Deutsch konnte als ich Arabisch. Was für ein Dreamteam, dachte ich.

      »Excuse me«, sagte ich zu dem Staatsanwalt. »I …«

      Er unterbrach mich mit einer abfälligen Geste, worauf der Dolmetscher sich zu Wort meldete. »Nicht sprechen«, sagte er.

      Der Staatsanwalt drehte sich zu den anderen Beamten um und redete mit ihnen auf Arabisch. Ich sah den Dolmetscher fragend an, doch der zeigte keine Reaktion.

      Während die Beamten redeten, betrat ein weiterer Mann den Raum. Er war groß, schlank und gepflegt. »Das ist Ihr Anwalt«, sagte der Dolmetscher.

      Lisa hatte es offenbar geschafft. Das war immerhin ein Hoffnungsschimmer. Unser Anwalt hieß Ahmed Abouelkassem.

      »Sagen Sie ihm, dass wir ohne Grund festgehalten werden«, sagte ich zu dem Dolmetscher. »Er soll herausfinden, was die uns vorwerfen. Ich will wissen, was hier los ist, verdammt noch mal.«

      Durch meinen Ton wurden die Beamten wieder auf uns aufmerksam. Der Staatsanwalt schritt langsam zu uns herüber. Der Dolmetscher und der Anwalt erstarrten. Sie schienen regelrecht zu schrumpfen. Der Staatsanwalt sagte zwei Sätze, ganz ruhig und bedacht. Ich verstand sie nicht, aber seine Stimme klang drohend.

      Der Anwalt drehte sich daraufhin wortlos um und setzte sich auf einen Stuhl in einer Ecke des Raumes. Dann wandte sich der Staatsanwalt an uns. Der Dolmetscher übersetzte. »Wer sind Sie und was machen Sie hier?«, fragte er.

      Ich erklärte ihm so ruhig wie möglich, dass wir mit dem Auftrag, ein Schiff namens Four Smile vor Piraten zu schützen, auf der Durchreise seien, im Hafen von Suez an Bord gehen würden, und dass wir für uns und unsere Waffen alle nötigen Papiere hätten.

      Der Staatsanwalt nickte und beriet weiter mit seinen Kollegen. Ich versuchte, Blickkontakt mit Abouelkassem, unserem Anwalt aufzubauen, doch der saß eingesunken und weiterhin stumm in seiner Ecke und ignorierte uns. Schließlich wies uns

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