Al Qanater. Hannes Führinger

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Al Qanater - Hannes Führinger

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seit dem Rücktritt des langjährigen Staatspräsidenten Husni Mubarak elf Monate zuvor die Macht im Land übernommen. Der regierende sogenannte oberste Rat der ägyptischen Streitkräfte bestand aus 18 hochrangigen Offizieren, die sich als politische Machthaber über den Ministern konstituiert hatten. Sie hatten erklärt, Mubarak nur vorübergehend ersetzen zu wollen und demokratische Wahlen angekündigt. Doch von geordneten Verhältnissen in Ägypten konnte noch keine Rede sein. Die Medien berichteten jeden Tag über die Turbulenzen und Konflikte im Land. Ralf hatte mir versichert, dass die Staatsgeschäfte trotzdem normal liefen und dass ich den Behörden trauen könne. Doch ich war mir da nicht so sicher.

      Ehe ich mir richtige Sorgen machen konnte, blieb ein untersetzter, etwas korpulenter Mann vor mir stehen. Ich sah auf. Er musste etwa vierzig Jahre alt sein und hatte hellbraune, kurz geschorene Haare. »Hannes Führinger?«, sagte er.

      »Ich bin Hannes«, sagte ich. »Du musst Karl sein.«

      Wir gaben uns die Hand. Dann deutete ich auf die Waffenkoffer, die sich neben mir auf einem Gepäckwagen stapelten. »Dein Werkzeug«, sagte ich. »Alles stoßfest und aufbruchsicher verpackt.

      Karl lachte. »Dann kann ja nichts mehr schief gehen.«

      Ich stand auf. Ich war gut und gern einen Kopf größer als er. »Komm, wir melden uns an«, sagte ich.

      Ich wusste nach vielen Einsätzen, wo ich den Sonderschalter für Waffentransporte fand. Während der Polizist am Schalter meine Papiere prüfte, musterte ich Karl von der Seite. Er wirkte gelassen. Zumindest hatte ich schon nervösere Neulinge erlebt. »Bitte folgen Sie mir«, sagte der Polizist und öffnete eine Tür hinter dem Schalter.

      Wir traten in einen engen Raum. Der Polizist schob unsere Waffen hinein. Er öffnete die Koffer, prüfte die Seriennummer der Waffen, ließ sie durch ein Röntgengerät laufen, kontrollierte, ob sie als Kriegswaffen im Register standen oder als gestohlen gemeldet waren, versperrte und plombierte hinterher die Koffer und brachte auf jedem einen großen Aufkleber an. »Weapons« stand in roter Warnschrift darauf. Jetzt waren die Waffen bereit für den Flug.

      »Das funktioniert ja alles wunderbar«, sagte Karl, als wir vom Sonderschalter zum Check-in gingen.

      »Ich habe das inzwischen oft genug gemacht«, sagte ich.

      »Bei unserer Ankunft in Ägypten läuft das genauso reibungslos?«, fragte er.

      Ich nickte. »Der Ablauf ist fast immer und in allen Ländern gleich. Am Rollfeld empfängt uns unsere Kontaktperson von der Polizei und begleitet uns bis zu unserem Zielort am Hafen, natürlich gegen Entgelt. Dort bekommen wir die Waffen.«

      Ich versuchte bei unseren Aufträgen, Reisen mit so wenigen Zwischenstopps wie möglich zu planen. Dennoch mussten wir dieses Mal über München nach Kairo fliegen. Kairo war gerade eine nicht eben beliebte Reisedestination, weshalb es kaum Flüge gab.

      Obwohl meine Lider immer schwerer wurden, erklärte ich Karl in der Maschine von Wien nach München noch einmal genau seine Aufgaben als Waffenoffizier. »Unsere Teams bestehen immer aus vier Personen«, sagte ich. »Es gibt einen Teamleader, einen Waffenoffizier, einen Sanitäter und einen Allrounder, der auch für die Kommunikation zuständig ist. Wir nehmen bauliche Veränderungen am Schiff vor, wenn es uns notwendig erscheint. Wir richten Schutzräume ein, errichten Abwehranlagen und überarbeiten die Navigation. Es ist zu jeder Zeit einer von euch auf der Brücke, das ist wichtig. Ihr überwacht tagsüber das Radar und sucht zusätzlich den Horizont mit dem Fernglas ab. In der Nacht verwendet ihr die Nachtsicht- und Wärmebildgeräte. Außerdem führt ihr Übungen mit der Crew durch. Dabei geht ihr das Verhalten im Brandfall und bei Schiffbruch durch. Deine spezielle Aufgabe ist die Verwaltung der Waffen. Das Öffnen der Waffenkoffer im Ernstfall erfordert zwei Personen, den Kapitän und dich. Die Koffer haben zwei Schlösser. Den einen Schlüssel verwahrt der Kapitän, den anderen du. Du bist dafür verantwortlich, jedem Teammitglied Waffe und Munition auszuhändigen.«

      Karl nickte.

      »Denk immer daran, den ganzen schriftlichen Kram zu erledigen, egal wie stressig die Situation gerade scheinen mag«, sagte ich. »In der Regel hast du genug Zeit dafür.«

      In München nahmen uns wie geplant am Rollfeld Polizisten in Empfang. Als unsere Ausrüstung kam, brachten sie uns direkt zum Gate unseres Anschlussfluges. Als wir in der Maschine nach Kairo Platz genommen hatten wandte ich mich noch einmal an Karl. »Alles klar soweit?«

      »Ich kenne mich aus«, sagte er.

      Ich rief Ralf an. Das Klima zwischen ihm und mir war nie richtig entspannt gewesen. Es lag wohl an unseren unterschiedlichen Rollen in Lisas Leben. Als sich Lisa von ihm getrennt hatte, hatten Lisa und ich uns schon gekannt. »Ich wollte nur ein letztes Mal fragen, ob alles in Ordnung ist«, sagte ich.

      Ralf räusperte sich. »Es gibt eine kleine Änderung«, sagte er. »Euer Kontaktmann nimmt euch nicht gleich am Rollfeld in Empfang, sondern erst im Ausgangsbereich.«

      Das hörte sich für mich nicht gut an, doch ich versuchte, vor Karl meine Verwunderung zu verbergen. »Das ist unüblich«, sagte ich. »Kannst du das bitte noch klären?«

      Er seufzte. »Geht in Ordnung.«

      Ich war beunruhigt, aber die Müdigkeit übermannte mich, noch bevor das Flugzeug startete.

      4

      Die unsanfte Landung der Maschine weckte mich aus meinem tiefen Schlaf. »Morgen«, sagte Karl. Er lächelte, doch jetzt wirkte er doch etwas angespannt. Ich nickte ihm zu und gähnte. Wir waren in Kairo.

      Die Umstände, unter denen ich den Transport unserer Ausrüstung organisieren musste, waren mir im Grunde von Anfang an suspekt gewesen. Doch mir war nichts anderes übrig geblieben. Meine Firma lief gut, sehr gut sogar. Von einer etwas instabilen Lage in einem Land wie Ägypten wollte ich mich da nicht aufhalten lassen.

      Wäre ich alleine unterwegs gewesen, hätte ich mir kaum Sorgen gemacht. Ich konnte gut auf mich aufpassen. Das hatte ich mir in meinem Leben oft genug bewiesen. Bei Einsätzen mit dem Bundesheer in Problemregionen wie dem Kosovo zum Beispiel. Ich war dort einer von 466 Soldaten des österreichischen Bundesheeres gewesen, die zur Aufrechterhaltung der Sicherheit auf Basis der UN-Resolution 1244 aus dem Jahr 1999 unter anderem Überwachungs- und Sicherungsaufgaben übernommen hatte. Ich konnte auch die Risiken von maritimen Einsätzen inzwischen gut einschätzen. Doch für Karl war es der erste Einsatz dieser Art und ich war verantwortlich für ihn. Deshalb übertrug sich seine jetzt spürbare Unruhe auf mich.

      »Es ist alles organisiert und abgesprochen«, sagte ich. »Wir haben alle notwendigen Papiere, unsere Ausrüstung ist ordnungsgemäß verstaut und gesichert und wir haben uns angekündigt. Ich bin in diesen Dingen genau. Deswegen hatte ich noch nie Probleme beim Transit, und glaub mir, ich bin schon durch gefährlichere Länder als Ägypten gereist.«

      Das schien Karl zumindest ein wenig zu beruhigen.

      Das Flugzeug kam zum Stillstand. Wir hatten unsere Parkposition erreicht. Ich sah auf die Uhr. Wir waren im Plan. Es war gegen 16 Uhr und wir hatten genug Zeit für den Transit.

      Wir verließen das Flugzeug als letzte. Ralf war es offenbar nicht gelungen, unsere Abholung noch wie üblich für das Rollfeld zu organisieren. Weder Polizeioffizier Mohamed Diab noch seine Leute waren da. Damit hatte ich auch nicht mehr gerechnet. Also fuhren wir mit den wenigen anderen Passagieren im Bus zum Flughafengebäude.

      Die internationale Ankunftszone war wie ausgestorben. Im gesamten

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