Berufsabschluss für Erwachsene in der Schweiz. Markus Mäurer
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Schliesslich stellen wir bestehende Möglichkeiten zum Erwerb einer Berufsbildung für Erwachsene dar (Kapitel 5) und analysieren die bestehenden Herausforderungen (Kapitel 6). In den Kapiteln 7 und 8 stellen wir konkrete Programme und Angebote im In- und Ausland vor, die aus unserer Sicht über herkömmliche Ansätze hinausgehen und deshalb für die Entwicklung einer Zukunftsvision wichtig sind.
Unter dem Titel «Modell 2025» (Kapitel 10) skizzieren wir schliesslich ein System, das es aus unserer Sicht ermöglichen würde, signifikant mehr beruflich geringqualifizierte Erwachsene zu einem Berufsabschluss zu führen. Dem geht ein kurzer Überblick über die wichtigsten Grundsätze voraus (Kapitel 9), an denen sich ein solches System orientieren sollte. Das Buch schliesst mit einer Reihe von Handlungsempfehlungen (Kapitel 11), die sich an diesem Modell orientieren, die aber auch bei einer bescheideneren Zielsetzung und bei anderen Vorgehensweisen wegleitend sein dürften.
2 Begriffe und Konzepte
Viele Begriffe und Konzepte, die in diesem Buch eine wichtige Rolle spielen, werden in der einschlägigen Literatur unterschiedlich verwendet. Wir zeigen in diesem Kapitel, wie wir sie verstehen.
In einem ersten Abschnitt beschäftigen wir uns mit dem Begriff «Berufsabschluss». Wir stellen dar, welche Abschlüsse wir damit meinen, und kommen auf Funktion und Bedeutung von Zertifizierungen in Gesellschaft und Arbeitsmarkt zu sprechen. Im zweiten Abschnitt geht es um die Personengruppe, an die sich Berufsbildungsangebote für Erwachsene richten.
In weiteren Abschnitten stellen wir Überlegungen zu drei Themenbereichen an, die im Verlauf der Studie besonders wichtig sein werden: erwachsenengerechte Didaktik, formelle Anerkennung erworbener Kompetenzen und Modularisierung in der Berufsbildung.
2.1 Berufsabschluss
Obwohl es auch für Erwachsene seit Jahrzehnten Möglichkeiten gibt, eine berufliche Grundbildung zu erwerben oder informell erworbene Kompetenzen anerkennen zu lassen, fehlt es nach wie vor an treffenden, von allen Beteiligten einheitlich verwendeten Ausdrücken für entsprechende Angebote. Man spricht (fälschlicherweise) von «Abschluss nach Art. 32 (BBV)», veraltet vom «Abschluss nach Art. 41», oder man verwendet die etwas gewundene Formulierung des «direkten Zugangs zum Qualifikationsverfahren». Die Bezeichnung «Nachholbildung» wird für Unterschiedliches genutzt, im Übrigen zuweilen als abwertend empfunden; das «Validierungsverfahren» wird teilweise auf sämtliche Formen der Berufsbildung für Erwachsene bezogen. Glücklich, wer sich mit Erwachsenen an Mittelschulen befasst: In diesem Bereich wurden mit dem «zweiten Bildungsweg», der zur «Erwachsenenmatur» führt, Begriffe gefunden, die heute geläufig sind und von allen verstanden werden. Wir hingegen sahen uns gezwungen, mit «Berufsabschluss» einen Begriff zu benutzen, der den Kernpunkt der Thematik, den Erwerb und die Anerkennung von Kompetenzen, nicht trifft und zudem an das unselige und veraltete «ausgelernt sein» erinnert.
2.1.1 Formale und nichtformale Berufsabschlüsse
Unter «Berufsabschluss» verstehen wir Zertifikate, die formale oder nichtformale Berufsausbildungen bestätigen. Gegenüber Dritten wird damit bescheinigt, dass die zertifizierte Person über bestimmte berufliche Kompetenzen verfügt.
Dazu gehören in der Schweiz zunächst die Abschlüsse der beruflichen Grundbildung (EBA und EFZ) und der höheren Berufsbildung, die durch das Berufsbildungsgesetz (BBG) geregelt sind und sich deshalb als formale Berufsabschlüsse bezeichnen lassen. Wir rechnen jedoch auch Abschlüsse nichtformaler Ausbildungen dazu, etwa der Lehrgänge des Schweizerischen Roten Kreuzes (SRK) für Pflegehelferinnen und Pflegehelfer oder Ausbildungen von Handelsschulen, die zu einem Bürofach- oder einem Handelsdiplom führen (→ Abschnitt 5.5). Massgebend ist für uns, dass die Ausbildung strukturiert erfolgt (also nicht einfach informell in einem Betrieb) und dass das Zertifikat durch eine Organisation (z. B. durch einen Berufsverband, eine Schule) verliehen wird. Ebenfalls zu den nichtformalen Berufsabschlüssen zählen wir staatlich anerkannte, aber nicht auf dem BBG basierende Abschlüsse. So erfordert etwa das Führen gewisser Baumaschinen ein Zertifikat der Schweizerischen Unfallversicherungsanstalt (Suva), das sich auf eine Verordnung des Bundes bezieht.[3]
Für dieses Buch ist die Berücksichtigung nichtformaler Berufsabschlüsse von zentraler Bedeutung: Zum einen sind viele dieser Abschlüsse trotz mangelnder staatlicher Anerkennung im Arbeitsmarkt etabliert. Zum andern handelt es sich häufig um eher niederschwellige Abschlüsse (→ z. B. Abschnitt 7.9), die in kürzerer Zeit erreicht werden und geringqualifizierten Erwachsenen oft ein erstes Erfolgserlebnis ermöglichen, das ihnen den Einstieg in anspruchsvollere Ausbildungen erleichtert.
2.1.2 Funktion von Berufsabschlüssen
Zertifikate «sind Medien der Ungewissheitsreduktion, sie erklären etwas für (relativ) gewiss» (Moser, 2003, S. 42). Sie haben dabei unterschiedliche Funktionen. Für die zertifizierte Person tragen sie zur Identitätsstiftung bei, sie begründen Ansprüche im Arbeitsmarkt und im Bildungssystem und haben eine Orientierungsfunktion. Arbeitgebern, Kunden und Behörden geben sie eine gewisse Sicherheit bei der Frage, was vom Zertifikatsinhaber erwartet werden kann (Moser, 2003, S. 42 f.).
Im Unterschied zu Abschlüssen allgemeinbildender Schulen bestätigen Berufsabschlüsse den Erwerb von Kompetenzen, die in bestimmten beruflichen Tätigkeiten vorausgesetzt werden. Die grosse Bedeutung der Handels- und Gewerbefreiheit in der Schweiz hat zur Folge, dass ein beträchtlicher Teil aller Berufstätigkeiten auch von Personen ohne einschlägigen Berufsabschluss ausgeübt werden kann und dass diese Personen – etwa im Unterschied zu Deutschland – sogar Unternehmen gründen und leiten dürfen. Je nach Branche ist der Anteil unqualifizierter Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter jedoch unterschiedlich hoch: So sind im Gastgewerbe oder in der Bauwirtschaft die Anteile wesentlich höher als etwa im Versicherungswesen.
Berufsabschlüsse können jedoch Zugänge zu weiterführenden Ausbildungen eröffnen. So erlaubt ein EFZ den Übertritt in die höhere Berufsbildung (je nach Bildungsgang allerdings erst nach mehreren Jahren Berufspraxis), ein EBA den Einstieg in eine verkürzte Grundbildung in Vorbereitung auf ein EFZ.
2.1.3 Steigende Bedeutung von Zertifikaten
In jüngerer Zeit haben Berufsabschlüsse