Klingen, um in sich zu wohnen 1. Udo Baer
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10.1 Musikalischer Dialog im therapeutischen Prozess
10.2.1 Offenheit und therapeutische Absicht
10.2.5 Fallen im musikalischen Dialog
10.3.1 Kontakt und Resonanz
10.3.2 Resonanzen im musikalischen Dialog
10.3.3 Resonanzbereitschaft und Schwingungsfähigkeit
10.3.4 Resonanzverläufe und Resonanzmuster
Der Blick über den Tellerrand oder Falsche Bescheidenheit
Kleiner Essay als Einleitung für ein großes Buch Hans-Helmut Decker-Voigt
Leiborientierte Musiktherapie – ein Brückenschlag
„Leiborientierte Musiktherapie“ schildert dies Buch. Eine neue Methodenbezeichnung?
Ist damit das Rad (der Musiktherapie) – wieder einmal neu erfunden? Eine neue, weitere der mindestens zwölf „Schulen der Musiktherapie“, wie sie sich gegenwärtig allein im deutschsprachigen Bereich zeigen? Auf dem mühsamen Weg zu einem einigermaßen gemeinsamen Profil gegenüber dem Arbeitgeber Gesundheitswesen?
Dann wäre dieses neue Rad eines, das den Weg der Musiktherapie hin zu einem selbstständigen Heilberuf im Gesundheitswesen der Zukunft eher mühsamer werden ließe, zum Bremsweg, denn als Erleichterung auf diesem Weg.
Ein solches Rad ist sie nicht, diese in diesem Buch vorgestellte leiborientierte Musiktherapie, bei der nur die Begrifflichkeit vielleicht für manche musiktherapeutisch Informierte oder Profis neu sein mag.
Was die Autoren hinter dem Reichtum ihrer Praxismodelle an Menschenbild und Theoriebildung schildern (ab Kapitel 19) ist mehr als nur ein Verwandter 1. Grades „der“ Musiktherapieszene. Denn tiefenpsychologisch-phänomenologisches Empfinden, Wahrnehmen, Denken und therapeutisches Handeln sind Udo Baer und Gabriele Frick-Baer ebenso „eigen“ wie den meisten der ausgebildeten Musiktherapeuten. Zu denen sich die beiden Autoren im respektvoll-bescheidenen Abstand halten, wenn sie hoffen, dass dieses Buch denen Anregungen geben kann, die mit Musik im psychotherapeutischen Prozess arbeiten. Darunter auch MusiktherapeutInnen.
Zuviel der Bescheidenheit. Ich kann für die Musiktherapie-Szene nur hoffen, dass dieses Buch ebenso positiv überraschte Leser findet – wie ich einer wurde, dem während des Arbeitens mit diesem Buch das deltahafte Gefühl geschenkt wurde, über den Tellerrand der im engeren Sinne musiktherapiespezifischen Fachveröffentlichungen hinausgucken zu können. Fachveröffentlichungen, die für das heutige Profil der Musiktherapie in Forschung und Lehre zwar existentiell wichtig waren und sind, die aber doch – wie in allen Fächern mit zu hohem Tellerrand – von einem ziemlich gleichbleibenden, manchmal inzestuös anmutenden Autorenkernkreis gespeist werden.
Es ist ein Opus magnus, ein großes Werk, was Udo Baer und Gabriele Frick-Baer hiermit der Fachöffentlichkeit vorstellen. Einmal quantitativ, weit mehr noch qualitativ, das die Vielfalt der Musiktherapien nicht anreichert, sondern vorhandene Distanzen zwischen bestehenden Musiktherapien verringern hilft. Besonders die Distanz zwischen den Musiktherapien, die vor dem Hintergrund der Psychoanalyse, der Verhaltenstherapie und der Humanistischen Psychologie gewachsen sind.
Ein Methoden-Schatz und wie er zu heben ist
Methodisch finden Leser, die ohnehin mit aktiver Improvisation oder mit rezeptiven Verfahren der Musiktherapie arbeiten, einen Schatz von weiterführenden oder überraschenden Praxismodellen vor, die in bestehendes Methodenrepertoire integriert werden können.
Beispiele, die ich als Erweiterung, Veränderung, Varianten bestehender musiktherapeutischer Praxismodelle (etwa die von Fritz Hegi, Isabelle Frohne-Hagemann und von mir, s. Literaturverzeichnis) sehe:
das Arbeiten mit der musikalischen Biografie des Klienten (Panorama-Arbeit) in Kap. 2 („Musikalische Biografie“) oder
das Arbeiten mit musikalischen Familien- und anderen Aufstellungen unter systemischen Aspekten (wie sie sich ohnehin durch das Buch durchziehen) in Kap. 7 („Familien- und andere Beziehungsstrukturen“)
das Arbeiten mit Affekten in Kap. 4 („Affektive Leibregungen“). Hier ist für den Leser nur die Akzeptanz der leibphilosophisch begründeten therapeutischen Terminologie nötig, um dahinter vertraute entwicklungspsychologische Begründungen nach Daniel Stern u.a. zu finden. Also „wie bei uns zu haus“ (in der klinischen Musiktherapie). Nur mit dem Vorzug des Überschreitens des Tellerrands
das Arbeiten mit Körperklängen, Körperbildern in Kap. 8 oder
das Arbeiten mit musikalischen Dialogen in Kap. 10.
Beispiele, die ich als neue „Module“ sehe, die im Musiktherapie-Methodenrepertoire ausgezeichnet integrierbar sind:
Das Arbeiten mit den Leibbewegungen des Körpers und der Musik in Kap. 3 (Leibbewegungen in der Musiktherapie) oder
das Arbeiten mit dem „Musikalischen Verraumen“ in Kap. 6 (hocheffizient: „Die Schamsonate“ und „Andere Dreier-Formen“ für das posttraumatologische Arbeiten z. B. in dem wachsenden Bereich der Musiktherapie bei sexuellem Missbrauch oder z. B. in dem Bereich der Frühstörungen durch entgleiste Triangulierungserfahrungen).
Die Bezugsetzung der Musiktherapie zu bestimmter Klientel ist eine gute Reflexion (Kap. 18) und selbst „Banales“ (Kap. 6.3.1) – als solches betitelt – ist es in diesem Buch nicht.