Der Topophilia-Effekt. Roberta Rio
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Deshalb informierte ich mich sicherheitshalber über Martelli, den Mann, der dem Geheimnis der etruskischen Hohlwege mit einem Gaußmeter auf der Spur war. Der Physiker war zwanzig Jahre lang, von 1964 bis 1984, Vorstand der Space und Plasma Physics Group der University of Sussex gewesen, die eine der angesehensten britischen Universitäten ist. Sie benannte sogar, um ihn zu ehren, einen Asteroiden nach ihm.
Martelli war also offenbar esoterisch unverdächtig und seine Erkenntnisse kamen für mich wenig überraschend. Alle von ihm untersuchten etruskischen Hohlwege wiesen offensichtliche Anomalien auf. Außerhalb dieser Wege lieferte das Gerät normale Werte. Bloß blieb auch er die Antwort auf die eigentliche Frage schuldig: Was hatte dieses faszinierende Volk mit den Hohlwegen bezweckt? Wenn es ihm um den Magnetismus ging, warum? Welche medizinischen oder vielleicht auch spirituellen Beweggründe könnten sie gehabt haben, ihn in dieser Form zu verdichten?
Die Vermutung, dass die Etrusker mit ihren Hohlwegen tatsächlich medizinische Ziele verfolgten, liegt nahe. Auch die moderne Alternativmedizin setzt auf die so genannte Magnetfeld- oder auch Magnettherapie, bei der Patienten einem künstlich erzeugten Magnetfeld ausgesetzt werden. Laut den Befürwortern dieser Therapie lassen sich Wundheilungsstörungen, degenerative Erkrankungen des Bewegungsapparates und der Wirbelsäule sowie Knochenbrüche oder Migräne damit behandeln. Sie argumentieren außerdem damit, dass chinesische Mediziner bereits vor rund 2.000 Jahren magnetische Steine zur Heilung einsetzten. Auch in Schriften, die dem antiken Arzt Hippokrates zugeordnet werden, ist vom Einsatz magnetischer Steine die Rede.
Desgleichen sprechen Überlieferungen davon, die alten Römer hätten schon an die positive Wirkung von Magneten geglaubt. Womöglich übernahmen sie dieses uralte Wissen von den Etruskern. Auch die alten Ägypter sprachen magnetischem Schmuck die Wirkung zu, sich stärkend auf die Gesundheit auszuwirken.
Doch was sagt die Forschung im 21. Jahrhundert dazu? Wie steht es um die Wirkung von magnetischen und elektromagnetischen Feldern auf uns Menschen?
Gespaltene Welt der Wissenschaft
Schenken wir dem Deutschen Bundesamt für Strahlschutz (BfS) Glauben, so ist der Fall klar. Auf der Homepage der Einrichtung ist Folgendes zu lesen:
Statische Magnetfelder üben Kräfte auf magnetisierbare Metalle sowie auf sich bewegende elektrisch geladene Teilchen aus. Der Mensch nutzt starke Magnetfelder beispielsweise für bildgebende medizinische Verfahren. Untersuchungen zeigen bisher keine direkten negativen biologischen und gesundheitlichen Wirkungen statischer Magnetfelder bis zu einer Magnetflussdichte von vier Tesla.
Dazu muss man wissen: Tesla ist nicht nur eine Elektroautomarke, sondern auch die Maßeinheit für die magnetische Flussdichte, benannt 1960 nach dem Erfinder, Physiker und Elektroingenieur Nikola Tesla. Und: Vier Tesla sind für irdische Verhältnisse eine ganze Menge.
Ein handelsüblicher Hufeisenmagnet hat etwa 0,1 Tesla. Ein Kernspintomograph, wie wir ihn von medizinischen Behandlungen mittels Magnet-Resonanz-Therapie (MRT) kennen, kommt auf etwa 0,35 Tesla. Ein Neodym-Eisen-Bor-Magnet (der zurzeit stärkste herstellbare Dauermagnet) hat 1,61 Tesla. Die supraleitenden Dipolmagnete des Teilchenbeschleunigers im unterirdischen Kernforschungsbunker von CERN bringen es auf 8,6 Tesla.
Für uns hier auf der Erde sind aber im Allgemeinen nur die eher niedrigen Werte von Belang. Das Magnetfeld der Erde, so heißt es, könnten Menschen gar nicht wahrnehmen, weil es so gering sei. In Deutschland beispielsweise beträgt es gerade einmal 0,00005 Tesla. Also fünf Mikrotesla. Am Äquator sind es sogar nur drei Mikrotesla, an den beiden Polen wiederum doppelt so viel. Sechs Mikrotesla also.
Höhere Dosierungen (im Vergleich zum natürlichen Erdmagnetfeld) kämen, so das BfS weiter, üblicherweise nur vor, wenn der Mensch sie künstlich erzeugt, wie zum Beispiel bei Kernspintomographen. Ob die relativ hohe magnetische Flussdichte die Gesundheit beeinflussen könne, sei unbekannt, weil die Technologie noch verhältnismäßig jung sei und Langzeitstudien Mangelware wären.
Müssen wir uns also in Anbetracht der recht geringen Strahlungsdosierungen von Magnetfeldern, mit denen wir es im Alltag zu tun haben, überhaupt noch Gedanken zu dem Thema machen? Nein, würde die vorherrschende Gelehrtenmeinung klar sagen, wäre da nicht eine noch ganz neue Forschungsarbeit, die das gründlich in Frage stellt.
Unter dem Titel »Wie magnetische Felder in menschlichen Zellen wirken« berichtete 2018 das deutsche Science Media Center, eine unabhängige und gemeinwohlorientierte Wissenschaftsredaktion und Plattform, auf der Wissenschaft und Journalismus aufeinandertreffen und sich austauschen können, über die Ergebnisse einer Studie, die zuvor im Fachmagazin PLOS Biology publiziert worden war.
Darin geht es um die so genannte »gepulste Magnetstimulation«, ein seit rund fünfzig Jahren angewandtes Verfahren, bei dem bestimmte Hirnregionen des Menschen mit kurzen magnetischen Impulsen stimuliert werden. Die längste Zeit wurde dieses Verfahren in der Therapie von ausgewählten Krankheiten eingesetzt, von Depressionen bis hin zu bestimmten Krebsarten. Die Universität Innsbruck berichtete von Versuchen, um damit Leiden, wie Tinnitus und Bulimie, zu lindern. Welche zellulären Wirkmechanismen die Magnetstimulation hat, war über all die Jahre jedoch unklar.
Bis zu der erwähnten Studie, die die Fachwelt seither spaltet, weil sie einen Magnetsinn von Tieren und womöglich auch von Menschen, der selbst auf so geringe Feldstärken, wie die des Erdmagnetfeldes, reagiert, wissenschaftlich plausibel macht.
Das Science Media Center stellte Stellungnahmen von Experten online, von denen einige die brisanten Ergebnisse der Studie offen anzweifeln oder ganz vernichten, während andere von »wichtigen neuen Ansätzen« sprechen. Letztere kommen aus allen Ecken der Wissenschaft, aus der Biologie, der Wissenschaftsethik, der Technik, der Medizin und auch der Physik, wie etwa von dem Briten Daniel R. Kattnig vom Department of Physics and Living Systems Stimulation an der Universität von Exeter.
Kattnig fasst das spannende Ergebnis der Studie in seinem Beitrag zusammen und spricht aus, was immer mehr seiner Forscherkollegen denken: »Die Autoren (der Studie, Anm.) geben erstmalig Einblicke in die mechanistischen Grundlagen des Magnetfeldeffektes«, schreibt er. »Im speziellen identifizieren sie das Protein Cryptochrom als essentiell. Dieses wird (…) als zentraler Baustein eines magnetischen Kompass-Sinns von einigen Tieren angesehen, wie zum Beispiel von Zugvögeln. Unter der Annahme, dass hier ähnliche physikalische Prinzipien zur Anwendung kommen, lässt uns das vermuten, dass die präsentierten Resultate weitaus breitere Gültigkeit haben. Es ist also durchaus plausibel, dass auch bei weitaus geringeren Feldstärken und anderen Frequenzen markante Magnetfeldeffekte (…) möglich sind.«
Magnetfelder scheinen sich also tatsächlich und wissenschaftlich nachweisbar positiv und negativ auswirken zu können, je nachdem, unter welchen Rahmenbedingungen sie auftreten und wirken. Und, was besonders wichtig ist: Dass »schwache« Magnetfelder, wie von weiten Teilen der Wissenschaft bisher postuliert, keinerlei zelluläre Wirkung bei Menschen, Tieren und Pflanzen hinterlassen, ist dank dieser neuen Erkenntnisse keineswegs in Stein gemeißelt. Im Gegenteil. Es sieht danach aus, als stünden wir einmal mehr erst am Anfang eines langen Weges der Forschung.
Konsequent weitergedacht würde das auch Fragen im Hinblick auf elektromagnetische