Non-Profit-Organisationen in die Zukunft entwickeln. Heike Fischer

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Non-Profit-Organisationen in die Zukunft entwickeln - Heike Fischer EHP-Organisation

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nehmen Qualitätszirkel und andere Maßnahmen zur Qualitätssicherung in intersubjektiven Arbeitsfeldern zu. Der Paradigmenwechsel von sozialer Arbeit zur »Sozialwirtschaft« fordert die Einführung von Qualitätsmanagement geradezu heraus, besteht doch immer die Gefahr, dass sich ein Preis- und Verdrängungswettbewerb entwickelt, der nicht zwingend mit der Güte der erbrachten Leistungen zu tun haben muss. Die Qualitätsdebatte ist eine Antwort auf die Risiken der Ökonomisierung. Denn der Legitimationsdruck, Leistung und Erfolg in Zahlen nachzuweisen, ist hoch, obwohl Qualität, die bei den Menschen ankommt, kaum auf diese Weise darstellbar ist. Höhere Fallzahlen pro Zeiteinheit in einer Beratungsstelle oder erhöhter Patientendurchlauf in einem Klinikbetrieb sind eben nicht identisch mit qualitätsvoller Beratung oder guter medizinischer Versorgung.

      Obwohl die oben genannten Entwicklungsmaßnahmen einen Zugewinn an Effizienz und Professionalisierung bedeuten können, bleibt dennoch die Sorge, dass sich die Situation für die beteiligten Menschen verschlechtert. Wenn beispielsweise eine Mitarbeiterin einer Seniorenhilfe in der Supervision äußert: »Ich übernehme zu viel Verantwortung für meine Klienten. Mein Problem ist, dass ich mich in der Beratung so schlecht abgrenzen kann«, dann liegt eine klassische Rollenreflexion mit der Frage nahe, was ist hier mein institutioneller Auftrag, welche Erwartungen stellen andere an mich, und wie definiere ich selbst meine Rolle? Man könnte aber auch der Frage nachgehen, ob denn die Seniorenberaterin in ihrem beruflichen Alltag genügend Anerkennung und Rückhalt für ihr Engagement bei der Arbeit mit den Senioren erfährt. Wird denn die Einfühlung und Achtsamkeit ihrer Beziehungsgestaltung vom Arbeitgeber hinreichend gewürdigt? Manche Rollendiffusion könnte unter anderem auch Ausdruck eines allmählichen Kulturwandels in NPO sein – eines Wandels, durch den routinierte Effizienz beispielsweise mehr Anerkennung erfährt als mitmenschliche Empathie.

      Im Rahmen der betriebswirtschaftlichen Modernisierung werden mit neuen Strukturen zunehmend auch klassische Arbeitgeber/Arbeitnehmer-Verhältnisse etabliert. Und zwar häufig mit der Folge, dass Mitarbeitende ihre Arbeit als »einen Job wie jeden anderen« verstehen. Die ursprüngliche Motivation, Menschen zu helfen und im Dialog mit ihnen passende Unterstützungsformen auszuhandeln, rückt dabei in den Hintergrund. Und Verhaltenserwartungen der Arbeitgeber/Arbeitnehmer-Beziehung treten in den Vordergrund.

      Neue Kontroll- und Steuerungsinstrumente führen außerdem häufig zu vermehrtem Dokumentations- und Verwaltungsaufwand. Die Zeit für diese Aufgaben geht dem direkten Kontakt mit Klienten verloren. So wird es schwieriger, sich mit Werten der Organisation zu identifizieren, die sich ursprünglich auf die Güte der Arbeit mit Menschen beziehen. Was wiederum Leitbilddiskussionen oder entsprechende Entwicklungsmaßnahmen erforderlich macht.

      Die Nachteile des Wandels ehemals bedarfsorientierter in marktorientierte Organisationsstrukturen spüren zuallererst die betroffenen Klienten. Bei der Patientenversorgung oder der Betreuung Hochbetagter in Pflegeeinrichtungen ist diese Entwicklung besonders kritisch zu beurteilen. Hier ist der Bedarf an menschlicher Zuwendung besonders hoch. Und es besteht eine spezielle Verantwortung, die Würde der Betroffenen zu achten. Die zunehmende Rationalisierung von Arbeitsprozessen erschwert den Aufbau kontinuierlicher Beziehungen zu den Hilfebedürftigen. Patienten oder Pflegebedürftige erleben ihre Lage zunehmend als prekäre Abhängigkeitssituation.

      So birgt Produktorientierung die Gefahr, dass die Qualität der Beziehungsgestaltung (z. B. in der Pflege, Betreuung, Erziehung und in Lehr-/ Lernverhältnissen) vernachlässigt wird. Die Wettbewerbslogik lenkt den Blick auf Fallzahlen oder verführt zum »Abhaken« von Leistungen im Zeittakt. Die Ausrichtung auf Produkte, die auf »Sozialmärkten« angeboten und in Leistungskatalogen aufgelistet werden, führt von den spezifischen Bedürfnissen der Menschen weg. Das lässt sich mit formalen Qualitätssystemen, d. h. Standards, die zwischen Kostenträgern und Einrichtungen ausgehandelt werden, allein nicht ausgleichen.

      Angesichts jüngster Marktexzesse und wiederkehrender Krisen muss der Glaube an effiziente und zum Gleichgewicht tendierende Märkte – selbst in der Welt des Profitstrebens – als widerlegt gelten. Welchen Sinn sollte es also haben, Systeme in anderen gesellschaftlichen Bereichen marktlich zu koordinieren? Speziell, wenn es sich dabei um Organisationen handelt, die öffentliche Güter bereitstellen oder gemeinnützig arbeiten. In den meisten Feldern der sozialen Arbeit, der Patientenversorgung oder der öffentlichen Verwaltung ist Wettbewerbslogik nicht angemessen. Viel naheliegender sind dagegen Prinzipien der Gegenseitigkeit, Solidarität und Kooperation.

      Im Non-Profit-Sektor muss sich also der Organisationserfolg in erster Linie an den originären Non-Profit-Zielen messen lassen. Umso erstaunlicher ist es, dass bei Umstrukturierungen so häufig ökonomische Ziele die Hauptrolle spielen. Schließlich sind die jeweiligen Non-Profit-Werte und -Funktionen nicht nur für die jeweilige Zielgruppe wichtig, sondern auch für die Reputation der Einrichtung. Letztlich wird die Organisation daran gemessen, ob sie ihrer wertegebundenen Ausrichtung gerecht wird. Keine NPO kann Vertrauen allein aus wirtschaftlichem Erfolg generieren.

      In der Gesellschaft übernehmen NPO das, was profitorientierte Organisationen nicht leisten können. Profit- und Non-Profit-Bereiche ergänzen sich. Viele NPO gehen denn auch auf Initiativen zurück, durch Märkte produzierte Ungerechtigkeiten und Krisen abzufedern. Bürgerschaftliches Engagement ist eine Triebfeder vieler genossenschaftlicher Organisationen. Bürgerbeteiligung oder soziale Inklusion, Minderheitenrechte und Selbstbestimmung oder Verantwortung für die Umwelt haben in den Leitlinien vieler Non-Profit-Organisationen einen hohen Stellenwert.

      Ohne das entsprechende Engagement zivilgesellschaftlicher Organisationen, ohne den Beitrag kirchlicher und säkularer Wohlfahrtsverbände im Rahmen sozialer Hilfssysteme und ohne das breite Spektrum von Non-Profit-Zwecken wäre unsere Gesellschaft sehr viel ärmer und es stünde schlecht um den sozialen Zusammenhalt.

      Es gibt also eine ganze Reihe von Gründen, weshalb der Paradigmenwechsel von der Bedarfs- zur Marktorientierung kritisch zu bewerten ist. Immer mehr Menschen beschäftigt die Frage, wie Mehrwert geschaffen werden kann, der nicht nur dem Geldverdienen dient, sondern Grundbedürfnisse eines »guten Lebens« und eines »guten Miteinanders« stärker berücksichtigt. Ökonomische Faktoren erscheinen heute überbewertet. Der Nachholbedarf bei Entwicklungskonzepten im Non-Profit-Bereich liegt eher bei der Konturierung der jeweiligen Non-Profit-Identität und der Stabilisierung ausgleichender Non-Profit-Funktionen.

      NPO sollten sich nicht in Profit-Organisationen zweiter Klasse wandeln, sondern ihre Identität stärken, indem sie Entwicklungsmaßnahmen in erster Linie an den jeweiligen Organisationszwecken ausrichten. Profilrelevant sind Kriterien, die das Vertrauen der unterschiedlichen Anspruchsgruppen in die NPO rechtfertigen. Wozu gibt es uns als Organisation? Wer profitiert am meisten von unserer Arbeit? Was würde fehlen, wenn es uns nicht gäbe? Auf welche Werte stützt sich unsere Vitalität? Solche und ähnliche Fragen helfen, nachhaltige Erfolgskriterien zu identifizieren. Non-Profit-Werte gehören nicht nur in Präambeln und Leitbilder, sondern müssen auf allen Ebenen der Organisationspraxis und systematisch verankert und gepflegt werden.

      Die Wurzeln der Staatsnähe des Non-Profit-Bereichs in Deutschland reichen bis in das 19. Jahrhundert zurück. Die Verflechtung von öffentlichen Institutionen mit den freien Trägern der Wohlfahrtspflege ist vielfältig. Der Staat kann nicht alle Leistungen, für die er politisch verantwortlich ist, selbst erbringen. Die Übertragung staatlicher Aufgaben an nichtstaatliche Organisationen entspricht dem Subsidiaritätsprinzip. Dieses politische und gesellschaftliche Ordnungsprinzip ist in der Sozialgesetzgebung (Sozialgesetzbuch/SGB XII, § 5) verankert und weist nichtstaatlichen Organisationen den Vorrang bei der Erstellung sozialer Dienstleistungen zu. Diese Festschreibung regelt also eine spezifische Form der Partnerschaft zwischen dem Staat und Teilen des Non-Profit-Sektors, bedeutet aber auch wechselseitige Abhängigkeit.

      Im Non-Profit-Bereich profitierten vor allem die Wohlfahrtsverbände durch hohe Wachstumsraten vom Subsidiaritätsprinzip. Die Träger der freien Wohlfahrtspflege

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