Non-Profit-Organisationen in die Zukunft entwickeln. Heike Fischer

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Non-Profit-Organisationen in die Zukunft entwickeln - Heike Fischer EHP-Organisation

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die öffentliche Hand bedeutet die vertragliche Ausgliederung von Aufgaben einen Zugewinn an Flexibilität in der Leistungserstellung, und zwar in personeller, zeitlicher und verwaltungstechnischer Hinsicht. Der Staat gründet deshalb auch selbst NPO. Im Rahmen der Verwaltungsreform (Neues Steuerungsmodell) haben solche Ausgründungen zugenommen. Die Nachfrage nach sozialen Diensten und Einrichtungen (z. B. Kinderpflegestellen und Einrichtungen für Jugendhilfemaßnahmen) ist überdies in großen Teilen staatlich gestiftet. Die Steuerung der Produktion, Verteilung und Finanzierung sozialer Dienste finden in Arrangements zwischen dem staatlichen Finanzier und Trägerorganisationen statt (vgl. Buestrich/Wohlfahrt 2008).

      Gemessen an der staatspolitischen Diskontinuität durch mehrere Regimeumbrüche weist Deutschland sozialpolitisch ein großes Maß an Kontinuität auf. Der Non-Profit-Sektor zählt zu den strukturellen Garanten gesellschaftlicher Stabilität. Wobei allerdings die Entwicklung von NPO in der DDR gesondert gewertet werden muss (s. o.: 1. Gewachsene Organisationsformen zwischen Markt und Staat).

      Die sozialpolitische Stabilität in Deutschland ist nicht zuletzt der geregelten Partnerschaft zwischen öffentlicher Hand und freien Trägern geschuldet. Im internationalen Vergleich scheint die dezentrale und plurale Anbieterstruktur für soziale Dienstleistungen vorteilhaft. Eine der Stärken des deutschen Systems ist die verlässliche und ortsnahe Produktion von Dienstleistungen und das hohe Qualifikationsniveau des Personals im sozialen Sektor.

      Die heutige Gewichtung zwischen den drei Sektoren Staat, Markt und Zivilgesellschaft in Deutschland ist eine Errungenschaft, die sich aus dem gesellschaftlichen Leben über Generationen hinweg herausgebildet hat. Sozialpolitischen Durchbrüchen gingen kritische Situationen wie Kriege, soziale Unruhen oder schwerwiegende Arbeitskämpfe voraus. Non-Profit-Organisationen spielten in der Abwendung von Krisen und Notsituationen und für den sozialen Fortschritt eine bedeutende Rolle. Das betrifft vor allem die Bereiche Arbeit, Bildung, Gesundheit, Wohnen, Einkommenssicherung und Schutz vor Armut. Errungenschaften wie Sozialversicherung, Tarifvertragswesen und soziale Dienste sind organisatorisch im Non-Profit-Bereich angesiedelt. Sie waren das Ergebnis politischer Auseinandersetzungen im Kontext unterschiedlicher Machtverhältnisse und wirtschaftlicher Möglichkeiten.

      Die relative Staatsnähe des Non-Profit-Sektors in Deutschland hat Tradition. Ein Grund mag sein, dass z. B. wichtige Reformen »von oben« erfolgten – etwa die schrittweise Modernisierung Preußens (1807-1820) nach der Niederlage gegen Napoleon. Diese Modernisierungswelle umfasste die preußische Verwaltungsreform, die Bauernbefreiung und Entfeudalisierung der Bodenordnung, die Einführung der Gewerbefreiheit sowie eine Finanz- und Heeresreform. Dazu kam noch die Reform des Bildungs- und Universitätswesens mit der Gründung der Berliner Humboldt-Universität (1810). Diese Reformen stützten sich auf Prinzipien der bürgerlichen Freiheit, Rechtsstaatlichkeit und Marktwirtschaft. Sie bildeten den Boden für die Entwicklung der Naturwissenschaften in Deutschland und der darauf aufbauenden Industrialisierung (Kaufmann 2003, 250 ff.).

      Die Industrialisierung setzte in den 1840er-Jahren ein, wobei die Entwicklung des Kapitalismus mit der Staatsentwicklung Hand in Hand ging. Das Deutsche Reich entstand 1871 aus einem Staatenbund. Die Reichsgeschäfte im Kaiserreich führte zunächst im Wesentlichen die preußische Verwaltung.

      Die Ausbildung höherer preußischer Beamter umfasste neben der Kameralistik und Verwaltungslehre auch Wirtschaftslehre. Schon in den ersten Jahrzehnten des 19. Jahrhunderts rezipierte die preußische Beamtenschaft die wirtschaftsliberalen Lehren von Adam Smith. Die Entwicklung des Industriekapitalismus profitierte von staatlichen Garantien, Rechtssicherheit und Hilfen beim Aufbau des Arbeitskräftepotenzials.

      Eine erste Abkehr vom Wirtschaftsliberalismus zeichnete sich 1877 ab, als die damalige Wirtschaftskrise die Menschen umtrieb. Die »Arbeiterfrage« wurde zum drängenden Problem. Das heißt, die Verelendung der Industriearbeiter durch gesundheitsschädigende Arbeitsbedingungen und ausbeuterische Entlohnung rief staatliches Handeln auf den Plan. Zu den Hauptforderungen gesetzlicher Eingriffe zugunsten der Arbeiterschaft gehörten die Beseitigung der Sonntagsarbeit, Einschränkung der Kinderarbeit und eine Arbeiterversicherung. Die ersten administrativen Eingriffe galten dem technischen und gesundheitlichen Arbeitsschutz.

      Staatliche Interventionen in der zweiten Hälfte des 19. Jahrhunderts legten den Grundstein für die Entwicklung sozialer Sicherungssysteme, die sich bis heute bewähren. Zahlreiche Institutionen und NPO verdanken ihren Gründungszusammenhang Gesetzesinitiativen jener Jahre.

      Nach dem »Gründerfieber« hatte die »große Depression« zur Betonung nationalwirtschaftlicher Schutz- und Subventionsbestrebungen geführt. Sie war Ausgangsituation der ersten Schutzzölle (1879), weiterer staatlicher Hilfsmaßnahmen sowie der Verstaatlichung der preußischen Eisenbahn. Seit 1876 begann Bismarck, die liberale Handelspolitik aufzugeben. Seine Hinwendung zum Gedanken eines schützenden Wirtschaftsstaates stand in enger Verbindung mit sozialpolitischen Maßnahmen, die dann folgten.

      Die seit 1880 vorbereitete Bismarck’sche Sozialreform umfasste drei epochemachende Gesetzeswerke zur Absicherung gegen die Risiken Krankheit (1883), Berufsunfall (1884) und Invalidität (1889). Gemeinsame Merkmale dieser Versicherungen waren die Versicherungspflicht, die Finanzierung durch Beiträge sowohl der Arbeitgeber wie der Arbeitnehmer, eine selbstständige Organisation der Versicherungen in Form von Körperschaften des öffentlichen Rechts und ein Rechtsanspruch auf die ihrer Höhe nach gesetzlich festgelegten Leistungen. Das 1884 verabschiedete Gesetz zur Berufsunfallversicherung sah die Einrichtung von Berufsgenossenschaften vor.

      Der mit den Bismarck’schen Sozialreformen geschaffene Typus öffentlich-rechtlicher Sozialversicherungen, die vom öffentlichen Budget getrennte Verwaltungseinheiten bildeten, gelten weltweit als vorbildlich und sind bedeutende Prototypen nicht-profitorientierter Organisationen.

      Die Bismarck’schen Sozialversicherungen bildeten also die Basis der sozialen Sicherung innerhalb des Deutschen Reiches. Der Ausbau der Sicherungssysteme ließ dann den Non-Profit-Sektor speziell im Bereich der sozialen Dienste weiter wachsen. Die Krankenkassen verbesserten ihre Leistungen parallel zum medizinischen Fortschritt und bezogen in ihren Leistungskatalog die Zahlung von Krankengeld ein. Die Berufsgenossenschaften entschädigten neben Betriebsunfällen auch Berufskrankheiten und erweiterten ihre Aktivitäten in die Bereiche der Rehabilitation und Prävention. Ab 1911 wurden die Alters- und Invaliditätsversicherung sowie die Hinterbliebenenfürsorge eingeführt – und in der Weimarer Republik schließlich dann auch die Arbeitslosenversicherung.

      Der Erste Weltkrieg und der anschließende Währungszusammenbruch schufen neue Notlagen, die weit in den Mittelstand hineinreichten. Mit der Hyperinflation von 1921/23 verloren die bürgerlichen Mittelschichten den Rest ihrer Finanzvermögen und damit auch ihre Altersvorsorge. Um die Betroffenen nicht der Armenfürsorge zu überlassen, entstanden neue staatlich regulierte Fürsorgeformen für Kriegshinterbliebene, Kriegsbeschädigte und Währungsgeschädigte. Die wirtschaftlichen Schwierigkeiten der Weimarer Zeit führten zu vermehrten Interventionen des Staates, die auch die Lohnpolitik betrafen. Das nationalsozialistische Dritte Reich setzte diesen Kurs verstärkt fort. Allerdings mündete die nationalsozialistische Politik schließlich in eine weitgehend verstaatlichte Kriegswirtschaft.

      Nach der militärischen Überwindung des Dritten Reiches wurden in Westdeutschland früh die Weichen für ein marktwirtschaftliches System gestellt. Im ersten Bundestag der Bundesrepublik Deutschland fand sich eine knappe Mehrheit für das durch Wirtschaftsminister Erhard propagierte Leitbild der Sozialen Marktwirtschaft (s. o.: 2. Paradigmenwechsel von der Bedarfs- zur Marktorientierung).

      Der Zusammenhang zwischen Schulbildung und wirtschaftlichem Fortschritt war frühzeitig erkannt worden. So wurde in Preußen schon 1888 die Schulgeldfreiheit des Volksschulunterrichts eingeführt. Die allgemeine Schulpflicht war im 18. Jahrhundert zunächst in den sächsischen Fürstentümern Weimar und Gotha, dann 1716/17 in Preußen eingeführt worden. Auch die Entwicklung des Bildungsbereichs wurde vornehmlich von staatlicher Seite vorangetrieben. Das Bildungswesen gilt in Deutschland

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