Non-Profit-Organisationen in die Zukunft entwickeln. Heike Fischer

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Non-Profit-Organisationen in die Zukunft entwickeln - Heike Fischer EHP-Organisation

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/ Wohlfahrt 2008). Die Steuerung von »Dienstleistungsunternehmen« im öffentlichen wie im Non-Profit-Sektor erfolgt somit über Kontrakte auf der Basis von Produkt- oder Leistungskatalogen.

      Nachdem Wirtschaftsstandorte miteinander weltweit konkurrierten, schien die grundsätzliche Neuordnung des Sozialstaates unausweichlich. Auf das Ausgabenvolumen des Sozialsektors wurde vor allem aus Wirtschaftskreisen hingewiesen. Es mehrten sich kritische Stimmen, die sozialstaatliche Aufwendungen nicht mehr als historischen Erfolg bewerteten, sondern als Belastung. Der Blickwinkel verschob sich von der Bedarfslage zu den Kosten. Dem entsprach die politische Forderung nach mehr Eigenverantwortung und Eigeninitiative der Bürger bei der Daseinsvorsorge. Der Staat solle sich aus der Versorgerrolle zurückziehen und seine Interventionen lediglich auf Anregung und Rahmensetzung beschränken.

      So kam Anfang der 1990er die Rede von der Krise des Wohlfahrtsstaates auf. Die Zahl der Sozialhilfeempfänger hatte sich seit den 1970er-Jahren vervierfacht. Soziale Leistungen kamen zunehmend unter Rechtfertigungsdruck: Angesichts der Herausforderungen des demografischen Wandels sei der Sozialstaat in der bisherigen Form nicht mehr finanzierbar. Deshalb solle sich der Staat auf seine Kernaufgaben besinnen. Die richtigen Anreizsysteme und die Effizienz von Märkten seien in der Bekämpfung von Arbeitslosigkeit wirksamer und gerechter als die »soziale Hängematte«. Doch gleichzeitig sprudelten in den 1990er-Jahren reichlich steuerlich begünstigte Spekulations- und Aktiengewinne. Die Zahl der Vermögensmillionäre nahm in dieser Zeit überproportional zu. Die öffentlichen Kassen dagegen leerten sich.

      Haushaltsprobleme und neoliberale Prinzipien, die den Primat der Wirtschaft suggerierten, prägten das politische Klima der 1990er-Jahre nicht nur in Deutschland. In allen westlichen Industrienationen begann man, die sozialen Sicherungssysteme nach dem Modell von Anreiz und Sanktion (Fördern und Fordern) umzubauen. Umverteilung als Mittel der Sozialpolitik entsprach nicht mehr dem Geist der Zeit.

      Durch den weltweiten Wettbewerb gerieten Löhne und Wohlfahrtsleistungen unter Druck. So wurde in Deutschland mit der Agenda 2010 ein umfassendes Reformprogramm auf den Weg gebracht. Dazu gehörten Einschnitte beim Arbeitslosengeld, die Zusammenlegung von Arbeitslosen- und Sozialhilfe sowie eine Flexibilisierung beim Kündigungsschutz. Im Jahre 2004 billigte der Bundesrat die Hartz-IV-Reformen.

      Auch die Trägerlandschaft der Wohlfahrtspflege konnte sich dem Megatrend zu mehr Wettbewerb nicht entziehen. Mit der Einführung der Pflegeversicherung waren private Anbieter und freigemeinnützige Träger der Altenhilfe gleichgestellt. Damit wurde Trägerkonkurrenz erzeugt. Die Neufassung des SGB XI §80 von 1994 formulierte erstmals Wirtschaftlichkeitsregeln für Träger von sozialen Einrichtungen. Durch Präzisierungen der Sozialgesetzgebung (1996-2003) wurden Leistungsvereinbarungen und Qualitätsentwicklung bindend. Auf diese Weise regeln Rahmenverträge im Pflegebereich nicht nur Maßstäbe und Grundsätze für eine wirtschaftliche und leistungsbezogene Pflege, sondern auch Wirtschaftlichkeitsprüfungen und Personalrichtwerte. Leistungsvereinbarungen zwischen Kommunen und freien Trägern sind inzwischen in allen sozialen Bereichen Standard.

      Auch in anderen Feldern – z. B. Wissenschaft, Kultur und Bildung – ist der Paradigmenwechsel deutlich spürbar. Museen präsentieren und vermarkten ihre Ausstellungen zunehmend mit Blick auf bestimmte Besucherschichten. Im Hochschulbereich organisiert die Deutsche Forschungsgemeinschaft (DFG) in Kooperation mit dem Wissenschaftsrat bereits die dritte Runde der Exzellenzinitiative. Deren erklärtes Ziel ist die Förderung der Spitzenforschung sowie die Anhebung der Qualität des Hochschul- und Wissenschaftsstandortes Deutschland.

      Auf den Wettbewerb von Hochschulstandorten und die Internationalisierung der Arbeitsmärkte berufen sich auch die Initiatoren des Bologna-Prozesses zur schulischen Bildung. Im Mai 1998 wurde von Bildungsministern aus vier europäischen Staaten (Frankreich, Italien, Großbritannien und Deutschland) die Sorbonne-Erklärung (Gemeinsame Erklärung zur Harmonisierung der Architektur der europäischen Hochschulbildung) auf den Weg gebracht. Die Erklärung enthielt bereits Hinweise auf Reformziele, die ein Jahr später die Agenda des Bologna-Prozesses (Bologna Declaration 1999) bestimmen sollten: internationale Anerkennung von leicht verständlichen und vergleichbaren Abschlüssen, gestufte Studienstrukturen und die Einführung eines Leistungspunktesystems.

      Im Bereich der schulischen Bildung sollen die PISA-Studien für internationale Vergleichbarkeit sorgen. Dieses Programm zur internationalen Schülerbewertung ist ein Projekt der Organisation für wirtschaftliche Zusammenarbeit und Entwicklung (OECD). In Deutschland wird die Studie von der Kultusministerkonferenz durchgeführt. Seit 2000 untersuchen OECD-Mitgliedsstaaten in dreijährigem Turnus Kenntnisse und Fähigkeiten von 15-jährigen Schülern. 2009 beteiligten sich daran insgesamt 34 Saaten.

      In Deutschland hatte die Veröffentlichung der ersten Studie 2001 den sogenannten PISA-Schock ausgelöst. Denn die Leistungen deutscher Schüler waren im internationalen Vergleich mäßig bis schlecht ausgefallen. Zudem offenbarte das Ranking soziale Ungerechtigkeit. In keinem anderen Land war der Bildungserfolg so stark von der sozialen Herkunft abhängig wie in Deutschland. Der »PISA-Schock« führte zum Ausbau von Ganztagsschulen und zu vermehrten Anstrengungen zur Förderung frühkindlicher Bildung.

      Schon bei der Betreuung der Jüngsten in Kindertagesstätten beginnt die Wettbewerbsorientierung. Fremdsprachen und Mathematik sollen den Kindern bereits im Vorschulalter nahegebracht werden. Manche Eltern wollen ihrem Nachwuchs durch die Wahl einer besonderen Kita verbesserte Startchancen verschaffen. Und Einrichtungen, die diesen Wünschen nachkommen, erfreuen sich langer Wartelisten.

      Komparative Kriterien wie schneller, besser, effektiver haben sich in den Köpfen festgesetzt. Wir sind »überdurchschnittlich«, »im oberen Drittel«, »bei den Besten« oder »Spitze«. Sicherlich gehört Wettstreit zu Sport und Spiel und macht Spaß – produziert aber auch Verlierer. Im organisierten Sport, speziell im Spitzensport, geht es dabei schon lange auch um Kommerz.

      Die Sinnstrukturen der Marktlogik ziehen sich als Spur der Modernisierung durch alle Non-Profit-Bereiche. Der Anpassungsdruck ist stetig gewachsen. Insofern sind die häufig genannten Sachzwänge als Auslöser für Strukturmaßnahmen real. Aber es gehören immer auch bewusste Entscheidungen dazu – vor allem politische Weichenstellungen.

      Die Devise »mehr Markt, weniger Staat« war ja nicht nur ein Appell der Wirtschaft, sondern wurde von den politischen Akteuren – z. B. durch die Veräußerung öffentlicher Einrichtungen an Privatinvestoren – aktiv umgesetzt. Viele NPO wurden in Aktiengesellschaften, GmbH oder andere Kapitalgesellschaften umgewandelt. Umstrukturierungen, die vornehmlich betriebswirtschaftlich ausgerichtet sind, haben auch heute noch Konjunktur. Und immer mehr Einrichtungen in sozialen Feldern oder im Gesundheitssektor verstehen sich als Marktteilnehmer. Freie Bildungsträger oder karitative Verbände oder Kliniken wirtschaften wie gewinnorientierte Unternehmen. Partnerschaften zwischen staatlichen und Profit-Organisationen (Private Public Partnership ) gelten als innovativ und kostengünstig. Inzwischen treten aber auch die Risiken dieser Praxis deutlicher in den Blick. Manche wirtschaftlichen Erwartungen an die Privatisierung öffentlicher Einrichtungen oder an deren betriebswirtschaftlichen Umbau haben sich sogar in ihr Gegenteil verkehrt. Außerdem lässt heute die weltweite Erschütterung der Finanzmärkte im Herbst 2008 die neoliberale Doktrin in einem neuen Licht erscheinen. Die Finanzmarktkrise und die Verschuldung von Staaten und Haushalten in der Folge haben vielen Menschen bewusst gemacht, dass ungezügelte Märkte Ungerechtigkeit, Ungleichheit und gefährliche Exzesse produzieren können.

      In der Praxis der Organisation erfordert Wettbewerb die Messbarkeit und Vergleichbarkeit von Leistungen. Marktgerecht verhält sich eine Non-Profit-Organisationen, wenn sie einen Leistungskatalog mit wettbewerbsfähigen Angeboten präsentiert. Damit wirbt sie um Aufträge und Kostenübernahmen. So werden soziale Aufgaben in Angebote umformuliert, katalogisiert und als standardisierte Leistungen abgerechnet.

      Das führt immer öfter zu Qualitätseinbußen, etwa bei der Pflege hochbetagter oder kranker Menschen. Denn für diese Leistungen ist die Qualität des zwischenmenschlichen Kontaktes

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