Systemisches Coaching. Bernd Schmid
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Bei dieser Art von Interventionen geht es darum, freundlich vieles im Kleinen zu tun, ohne einen großen Konflikt zu provozieren. Oft ist es sinnvoll, sich nicht zu weigern, eine unsinnige Anweisung zu befolgen, dabei aber deutlich zu machen, dass der Anweisende die Folgen zu verantworten hat. Das hindert viele Vorgesetzte daran, etwas, das sie selbst nicht verantworten wollen, einem anderen Menschen zuzumuten.
Andererseits kann ein Chef einen Mitarbeiter, der in symbiotisches Verhalten einlädt, wirksam in verantwortliches Verhalten einladen, indem er ihm eindeutige Anweisungen gibt und ihm klare Erwartungen mitteilt. Häufig verweigert ein Vorgesetzter aus einer fehlplatzierten Idee darüber, wie sich ein autonomer Mitarbeiter verhalten müsste, die angemessene Formulierung seiner Erwartungen. Man trifft oft auf die Einstellung: »Ich sage dem lieber nicht genau, was ich von ihm erwarte, sonst muss ich wieder den Hund zum Jagen tragen.«
3.5 Schuld und Würde
In Unternehmen können also nicht nur Führungskräfte, sondern alle Arbeitnehmer Verantwortung für die Minderung von Symbioseaspekten übernehmen. Der Widerstand gegen ausbeuterische Verhältnisse wird allerdings oft durch Bestechung, Nötigung oder Bedrohung gemindert. Auch Verwöhnungsdynamiken können in Unternehmen zum Problem werden. Nicht weil es den Arbeitnehmern gut geht, sondern weil sie ihre Motivation und ihre Kraft verlieren, symbiotische Abhängigkeiten zu konfrontieren. Sie sind nicht bereit, die symbiotischen Gewinne für die eigene Würde und Autonomie aufzugeben.
Um die eigene Autonomie zu wahren oder zurückzugewinnen, muss man bereit sein, Symbiosegewinne aufs Spiel zu setzen. Viele Menschen machen sich da ein selbstgezimmertes Gefängnis. Sie sagen: »Ich kann nicht anders«, obwohl sie eigentlich sagen müssten: »Natürlich kann ich anders, aber ich bin nicht bereit, den Preis zu zahlen.« Ein solches Eingeständnis gibt ein Gefühl von Würde, denn schon das Anerkennen von Mitschuld kann ein wesentlicher Schritt zu persönlicher Verantwortung und Würde sein.
Wenn jemand an etwas nicht schuld sein möchte, was er zu verantworten hätte, ist das ein erbärmlicher Vorgang. Auch hier gibt es Verzweiflungsfallen: Je mehr jemand weiß, dass er etwas schuldig bleibt, um so mehr sucht er danach, was andere ihm schulden und kämpft darum. Manche Menschen fühlen sich dann regelrecht erlöst, wenn sie irgendwann sagen:
»Das wäre meine Verantwortung gewesen. Das war meine Sache und ich habe es nicht getan.«
Manche Mächtige halten symbiotische Verhältnisse aus Berechnung aufrecht. Das führt dann zu sozialer Ungerechtigkeit und Schuld. Auf irgendeine Weise wissen sie aber im Inneren, dass sie ihre Verantwortung nicht tragen. Was die meisten allerdings nicht wissen ist, dass sie es büßen müssen. Es stiehlt ihnen die Würde. Sie versuchen dann die verlorene Würde durch noch mehr Einfluss, den sie wieder nicht verantworten und durch noch mehr Gratifikationen und Größenvorstellungen zu kompensieren; sie bleiben dabei aber kläglich. Häufig ist das Einzige, womit man diese Menschen erreichen kann, ihnen zu sagen: »Seine Verantwortung wahrzunehmen ist eine Sache der Würde. Man bekommt nicht später die Bestrafung – die Bestrafung liegt unmittelbar in einem schleichenden Verlust der Würde. Es zehrt am eigenen Stolz und am eigenen Selbstverständnis.« Ähnliches gilt analog für die schwächer erscheinenden Positionen in symbiotischen Beziehungen.
Vieles was in unseren Organisationen im Argen liegt, hat mit einer weitreichenden Erosion von Verantwortung zu tun und damit, dass die Inanspruchnahme von Verantwortlichkeit unterbleibt oder Unverantwortlichkeit nur mangelhaft konfrontiert wird. Diesbezüglich herrscht in vielen Unternehmen eine marode Kultur. Deshalb ist es so wichtig, in Unternehmen kommunikative, wie institutionelle Figuren einzuführen, über die eine Verantwortungskultur sinnvoll etabliert werden kann.
Aber natürlich hat das auch seine Grenzen. Unsere Gesellschaft ist ausbeuterisch angelegt. Und jeder von uns tut etwas dazu, ausbeuterische Beziehungen anzulegen oder sie zu akzeptieren, weil sie uns in eine relativ privilegierte Position bringen. Das sollten wir bei allem realistisch sehen und keinen Unschuldsmythos entwickeln.
1 Unter Mitarbeit von Sabine Caspari
4. ZWICKMÜHLEN ODER: WEGE AUS DEM DILEMMAZIRKEL 1
Man soll nicht hoffen, ohne zu zweifeln und nicht zweifeln, ohne zu hoffen
Seneca
Wenn sich in Therapien trotz vielfältiger Bemühungen Konflikte nicht lösen oder wieder und wieder vorgetragen werden, kann es daran liegen, dass eine Zwickmühlen-Konstellation unentdeckt blieb. Im Prozess wechselt der Klient ab zwischen Verleugnen, Kämpfen (sich Abstrampeln, verbissen Durchhalten), Resignieren und Verzweifeln, doch scheint kein Ausweg in Sicht oder begehbar.
Eric Berne (1964, siehe Lit. Kap. 4, 1) beschreibt in Games People Play ein corner-game (dt. Zwickmühlen-Spiel) als ein Ehespiel, das zum Ziel hat, Intimität zu vermeiden, indem Situationen ohne gute Lösungen zwischen den Partnern inszeniert werden. Allerdings weist Berne auch auf den Dilemmatyp dieses Spiels hin und erwähnt, dass dieses Spiel als Familienspiel gespielt wird. Ebenfalls erwähnt er, dass corner-games bei Asthma eine Rolle spielen. Der Dilemmatyp des corner-game entspricht etwa dem, was wir im Folgenden Zwickmühle nennen. Wir sehen das Erleben und Gestalten von Zwickmühlen mehrschichtig und vielfältig und gehen mit den im Folgenden von uns vorgestellten Gedanken über die Spielanalyse hinaus.
Obwohl es nahe läge, die Bezüge zu TA-Begriffen und -Konzepten, wie z.B. zur Engpass-Theorie herzustellen und zu diskutieren, tun wir dies hier noch nicht, da wir uns in einer kritischen Auseinandersetzung mit diesen Begriffen und Konzepten befinden, die wir nicht unberücksichtigt lassen könnten, die aber andererseits hier zu viel Raum einnehmen würde.
Wir untersuchen die Logik, die Dynamik und die Hintergründe von Zwickmühlen-Erleben und -Verhalten und zeigen Ansätze, die Knoten zu lösen und damit Entwicklung zu entbinden.
Psychotherapeutisch arbeiten heißt in diesem Kontext für uns, dem Klienten Erleben zugänglich zu machen, mit dem er einschränkende, stereotyp wiederkehrende Abläufe im Erleben und Verhalten überwindet. Konfrontation heißt, den Klienten mit Inhalten und Prozessen so in Berührung zu bringen, dass er seinen bisher gelebten, eingeschränkten Bezugsrahmen (System von Leitideen, Weltbild, Epistemologie) verändert.
4.1 Definitionen und Zwickmühlenlogik
Wir definieren eine Zwickmühle als ein Muster im Bezugsrahmen (im System der Leitideen), innerhalb dessen Lösungen für ein Problem oder die Gestaltung einer Beziehung aufgrund falscher Definitionen, Implikationen und Verknüpfungen so konzipiert sind, dass die Befriedigung des Anliegens durch solche Lösungen unmöglich oder unannehmbar wird.
Es werden also falsche Zusammenhänge hergestellt: Zum Beispiel Angst als inneres Erleben wird mit Gefahr als äußere Bedrohung gleichgesetzt, weshalb auf Angst wie auf äußere Bedrohung reagiert wird. Oder: Sexuelles Verlangen zeigen heißt, ein schlechter Mensch sein, es nicht zu zeigen heißt, kein Mann sein (falsche Implikationen). Oder: »Wenn ich ein Bedürfnis äußere (mich endlos jammernd beklage), geht niemand wirklich auf mich ein (bittet niemand um Verzeihung). Bin ich bescheiden (sitze passiv herum), sieht mich keiner (fragt keiner, was mit mir los ist).« Hier liegen verschiedene falsche Verknüpfungen