Systemisches Coaching. Bernd Schmid

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übernehmen. Komplementär ziehen sich Führungs- und Ergebnisverantwortliche auf die Funktion von Auftraggebern, Schirmherren, Beiräten oder Beratern zurück.

      Verantwortungserosion: Die wesentlichen Fragen einer Organisation werden nicht wirksam beantwortet. Die Logik vieler Beziehungen dient dazu zu verschleiern, dass keiner Verantwortung übernimmt. Unüberschaubarkeit, Unkenntnis, Illusionen und Täuschung verbergen den Mangel.

      Der Begriff der komplementären Verantwortung gibt also Anlass über Systemgrenzen in Verantwortungssystemen nachzudenken. Dadurch wird Verantwortung spezifisch, aber auch anschlussfähig.

       3.2 Symbiotische Beziehungen

      Die Carthexis-Schule entwickelte in ihrer Arbeit mit psychotischen Patienten eine Reihe von Therapietheorien. Eine davon ist die der Symbiosen. Demnach ist eine Symbiose eine Beziehungsform, in der eine Person durch Unverantwortlichkeit und Dysfunktionalität eine andere dazu bewegt, ersatzweise Verantwortung zu übernehmen.

      Diese Überlegungen sind auch für den nicht-therapeutischen Bereich wertvoll. Im Folgenden werden wir einen Zusammenhang zwischen symbiotischen Beziehungen und der Nicht-Übernahme von Verantwortung in Organisationen herstellen und Perspektiven für deren Lösungen aufzeigen. Dafür halten wir es allerdings für sinnvoll, den Symbiosebegriff folgendermaßen zu differenzieren:

      Dysfunktionale, symbiotische Beziehungen sind solche, in denen Potenziale nicht aktiviert oder nicht entwickelt werden.

      Von einem Beobachter beurteilt sind das Lebensgemeinschaften, in denen die Entwicklungshemmung größer ist als der wechselseitige Nutzen. Das Zusammenspiel zwischen den Beteiligten entwickelt sich so, dass sie sich wechselseitig nahe legen oder gewähren, nützliche Potenziale nicht einzubringen. Dabei kann es entweder sein, dass die Potenziale vorhanden sind, aber nicht genutzt werden, oder dass die Potenziale nicht vorhanden sind und entwickelt werden sollten und könnten. Die Beteiligten haben sich jedoch so miteinander arrangiert, dass sie sich die Weiterentwicklung in diesen Dimensionen wechselseitig ersparen.

      Bei dieser Definition spielt natürlich eine normative Vorstellung mit. Denn um von einer negativen oder dysfunktionalen Symbiose zu sprechen, muss ein Beobachter eine Vorstellung davon haben, welche Potenziale aktiviert oder entwickelt werden sollten.

      Dysfunktionale, symbiotische Beziehungen sind solche, in denen Verantwortung nicht wahrgenommen oder verschoben wird, oder in denen das daraus entstehende Unbehagen verschoben wird.

      In dieser Art symbiotischer Beziehungen interagieren die Akteure in der Weise, dass Mitarbeiter Verantwortung bekommen, die für diesen Verantwortungsbereich nicht zuständig sind, dafür nicht bezahlt werden oder nicht die Macht haben, das Entsprechende zu tun. Wenn somit Verantwortung nicht wirklich wahrgenommen wird, führt dies in der Regel bei irgendjemandem zu Unbehagen. Im günstigsten Fall überlegt dieser nun, wer die Verantwortung für die Vorgänge hat, über die das Unbehagen entsteht. Und er versucht Kommunikationsvorgänge, mit denen er die eigentlichen Verantwortungsträger in die Verantwortung nehmen kann. Dadurch schiebt er das Unbehagen auf sie zurück.

      Manchmal haben Verantwortungsverschiebungen auch die Funktion, andere Verantwortungsverschiebungen zu rechtfertigen. Da gibt es sehr komplexe Kompensationsgeschäfte. Mitarbeiter fordern beispielsweise die fachlich-programmatische Führung nicht ein, dafür ist die Führungskraft großzügig in der Beurteilung der Wirksamkeit von Arbeitsweisen und in der Bewilligung von Fortbildungswünschen.

      Für die Beteiligten kann das subjektiv angenehm sein. Das führt jedoch dazu, dass die für die Vitalität der Organisation gebrauchten Potenziale nicht aktiviert oder nicht entwickelt werden. Es kann sich dabei um das Potenzial handeln, aufrichtig mit Ressourcen umzugehen und zu entscheiden, ob man sie richtig verwendet oder nicht. Es kann auch das Potenzial sein, Führung ernst zu nehmen und jemand bezogen auf Führung in die Pflicht zu nehmen.

      So gesehen zeichnen sich gesunde Systeme dadurch aus, dass sie Vorstellungen davon haben, wer welche Verantwortung hat, wann sie wahrgenommen wird und wann sie nicht wahrgenommen wird. Darüber hinaus gibt es akzeptierte Mechanismen, um zu analysieren, ob entstehendes Unbehagen mit nicht-wahrgenommener Verantwortung zu tun hat. Und entweder kann derjenige, der seine Verantwortung nicht wahrnimmt, erfolgreich eingeladen werden sie wahrzunehmen, oder es gibt erlaubte und wirksame Mechanismen, das Unbehagen an ihn zurück zu delegieren, so dass es dort ankommt, wo die Verhältnisse geändert werden können.

      Verrückte, ausbeuterische oder symbiotische Systeme zeichnen sich demgegenüber dadurch aus, dass eine Verschiebung von Verantwortung folgenlos geschehen kann. Diejenigen, die Unbehagen erleiden, haben keine wirksamen Mittel es dorthin zu schieben, wo Abhilfe geschaffen werden kann.

      Jede Regelung und jede Kommunikation, die verantwortlich hilft Unbehagen dorthin zu transportieren, wo Verantwortung hingehört, ist somit ein Beitrag zur Gesundung von Organisationen. Sie werden in Organisationen allerdings oft als Verrat an den gewohnten Kompensationsgeschäften empfunden.

      3.3 Symbiotisches Verhalten

      Die Cathexis-Schule entwickelte auch eine Theorie zu den Verhaltensweisen, die in dysfunktionale Symbiosen einladen oder solche Symbiosen stabilisieren. Dabei unterschied sie vier Grundmuster von sogenannten passiven Verhaltensweisen, verstanden als Eskalationshierarchie, die sie mit einer Energietheorie verband. Sie meinte, das Problem von Schizophrenen sei, dass sie ihre Energie nicht funktional zur Bewältigung von Realität einsetzen. Stattdessen versuchen sie durch Nichtstun, Überanpassung, Agitation oder Sich-unfähig-Machen/Gewaltanwendung einen anderen dazu zu bewegen, ersatzweise Verantwortung zu übernehmen oder das sich aus der Passivität ergebende Unbehagen zu tragen.

      Die im Folgenden vorgestellten vier Formen von Verantwortungsvermeidung bzw. Verantwortungsverschiebung sind der Schiff’schen Theorie entlehnt. Dabei meinen wir jedoch, dass die Auswahl dieser vier Arten symbiotischer Einladungen beliebig ist und durchaus noch weitere Arten beschreibbar wären.

      3.3.1 Nichtstun

      In einem Verantwortungsbereich, in dem aus der Sicht eines Beobachters etwas getan werden müsste, wird nichts getan. Bezogen auf ein Verantwortungsfeld wird keine Energie freigesetzt und keine Aktivität gerichtet. Für professionelles Handeln kann bei dieser Diagnose, die natürlich mit Kulturvorstellungen zu tun hat, die Frage interessant sein, wie jemand durch Nichtstun andere in symbiotische Beziehungen einlädt. Oder umgekehrt: wie lassen sich andere durch das Nichtstun derer, die etwas tun sollten, dazu bringen, symbiotisches Verhalten zu zeigen und aktiv Verantwortung zu übernehmen, die nicht die ihre ist. Ein Tun in der einen Richtung, nämlich in einer Verantwortung, die einem nicht gehört, kann durchaus eine Form von passivem Verhalten sein, bezogen auf eine andere Richtung, in der Verantwortung wahrgenommen werden sollte. Somit gibt es sehr emsige Formen von passivem Verhalten. Eine davon ist die Überanpassung.

      3.3.2 Überanpassung

      Überanpassung wird aufgrund einer Konfusion, eines Missverständnisses von angemessener Verantwortung gezeigt. Überanpassung ist dann gegeben, wenn jemand empfindet, dass er etwas tun sollte. Aber anstatt realistisch zu prüfen, was die Anforderungen an seine Verantwortung sind, macht er sich Phantasien, was andere von ihm erwarten könnten und passt sich daran an: Jemand sieht bei anderen einen Bedarf. Er reagiert darauf, indem er etwas gibt, jedoch ohne zu klären, was der relevante Bedarf ist. Dadurch lädt er andere ein, etwas als Gabe zu akzeptieren, was sie u.U. gar nicht wollen, und ihn aus der relevanten Verantwortung zu entlassen. Dabei ist es nicht einfach, jemandem zu sagen: Schön, dass Sie mir Blumen bringen, aber eigentlich war der Abschlussbericht vereinbart.

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