Systemisches Coaching. Bernd Schmid
Чтение книги онлайн.
Читать онлайн книгу Systemisches Coaching - Bernd Schmid страница 11
In größeren Organisationen wird heute allgemein angenommen, dass Ich-Es konstitutiv ist. Entsprechend entfällt Mitgliedschaft, wenn sie unter Ich-Es-Gesichtspunkten dem in Zahlen (shareholder value) ausgedrückten Unternehmenszweck nicht mehr ausreichend dienen. Dennoch spielt nicht nur in Familien- und mittelständischen Betrieben die Ich-Du-Dimension eine erhebliche Rolle. Auch in größeren Organisationen sieht man öfter die zusammen, die sich auf der Ich-Du-Ebene gut vertragen. Das geht dann allerdings zu Lasten der Zusammenkünfte, die notwendig wären, um die gemeinsamen Aufgaben effizient voranzubringen.
Deshalb müssen beide Beziehungstypen eine Bandbreite von Ich-Du-und Ich-Es-Verträglichkeit, -Kompetenz und -Begegnungsbereitschaft entwickeln, damit Organisationen effektiv und menschlich befriedigend funktionieren.
2.6 Zusammenfassung
Das Modell der Ich-Du und Ich-Es-Typen dient als grobes Unterscheidungs-raster zur Selbsterkenntnis und zur differenzierteren Sicht des Gegenübers, in privaten wie in professionellen Rollenbezügen.
In diesem Raster zu spielen, erlaubt darüber hinaus eine Reihe von neuen Betrachtungen des eigenen Ankoppelungsverhaltens: Wie gerate ich unter Stress in meine Einseitigkeiten im Sinne von: mehr vom Gewohnten wird die Lösung bringen? Und was brauche ich, um aus meiner Einseitigkeit wieder in die ankoppelbaren Sphären zu gelangen? Wie stelle ich mir vor, wie andere in ihre Einseitigkeiten geraten? Und was brauchen sie, um wieder herauszukommen?
Das Modell wirbt für die Gleichwertigkeit der beiden Grundorientierungen. Keine ist besser oder schlechter als die andere. Sie brauchen einander, gehören zusammen und ergänzen sich in:
• Sachverstand und Menschenverstand,
• Sorgfalt in der Sache und Sorgfalt in der Beziehung,
• Der Mensch braucht die Sache – Die Sache braucht den Menschen.
1 Unter Mitarbeit von Wolfram Jokisch
3. SYMBIOTISCHE BEZIEHUNGEN ODER: WEGE ZU EINER VERANTWORTUNGSKULTUR 1
Symbiosen sind Beziehungen, in denen man in wechselseitiger Abhängigkeit lebt. Man kann funktionale Symbiosen von dysfunktionalen unterscheiden. In funktionalen sind die wechselseitigen Austauschverhältnisse und Verantwortungen im Einvernehmen so geregelt, dass sinnvolle Entwicklungen stattfinden können. Insbesondere in beruflichen Beziehungen haben Symbiosen mit der Frage nach der Verantwortung zu tun.
3.1 Verantwortung
Oft taucht in Organisationen der Begriff der Verantwortung auf, wenn sie gefehlt zu haben scheint. Dann wird jemand zur Verantwortung gezogen. Wird ein Missstand offenbar, werden Verantwortliche gesucht, d.h. es werden Schuldige benannt. Dann sind andere unschuldig und die Sache ist erledigt.
Unseres Erachtens meint Verantwortung jedoch ein Bündel von Perspektiven. Es sind Fragen danach, wer in einer Organisation welche Art von Antworten geben kann, will, darf und muss.
Dabei ist
antworten zu können in der Regel eine Frage der Qualifikation,
antworten zu wollen eine Frage der Wertorientierung,
antworten zu dürfen in der Regel eine Frage der Autorisierung und
antworten zu müssen eine Frage der eingeforderten Zuständigkeit.
In einer komplexen Organisation funktioniert Verantwortung allerdings nur als System komplementärer Verantwortung. In Organisationen ist Verantwortung immer gestaltbar und kulturbedingt. Deshalb ist es für Unternehmen wichtig, eine Verantwortungs- und Konfrontationskultur zu etablieren. Organisationen brauchen ein einigermaßen verbindliches Regelwerk, in dem sich die Mitarbeiter frühzeitig über Fragen austauschen können wie:
• Was ist an dieser Stelle wessen Verantwortung?
• In welcher Rolle?
• In welcher Situation?
• Haben die Mitarbeiter zueinander passende Vorstellungen von Verantwortung?
• Und wenn die Vorstellungen einseitig sind, gibt es effektive Strategien, dem anderen die Vorstellung nahe zu bringen?
Konfrontationskultur heißt dabei, dass es erlaubt ist, einen anderen über seine Vorstellungen von dessen Verantwortung aufzuklären und sie einzufordern, unabhängig von Rangunterschieden. Es geht dabei um die Balance, spezifisch den eigenen Verantwortungsbereich auszugestalten und aus dieser Perspektive heraus Vorstellungen von den komplementären Verantwortlichkeiten der anderen zu entwickeln und diese zu kommunizieren. Von einer gelungenen Verantwortungskultur könnte man sprechen, wenn man differenzierte und gelebte Antworten bezogen auf ein Verantwortungssystem im formellen und informellen Bereich und ein entsprechendes Beziehungsverhalten vorfindet.
Mitarbeiter müssen also komplementäre Verantwortlichkeiten vereinbaren und darüber in Kommunikation bleiben. Dabei müssen sie das wechselseitige Ausfüllen der Verantwortung anmahnen, ohne sich in die Verantwortung des anderen zu mischen oder diesen zu bevormunden.
Dafür kann es hilfreich sein, zwei Dinge zu unterscheiden: verantwortlich sein für und verantwortlich sein bezogen auf.
Verantwortlich sein für meint, sich den entscheidenden Fragen zu stellen, die an ein Ressort oder eine professionelle Rolle gestellt werden und beantwortet werden müssen. Qualifikation (ich kann), ziel- und wertorientiertes Handeln (ich will), Autorisierung (ich darf), sowie das Klären und Ausfüllen eigener Zuständigkeiten (ich muss) stimmen dabei im besten Fall überein.
Verantwortung bezogen auf meint, die Grundfragen und Zuständigkeiten der anderen Professionen und Ressorts in einem Unternehmen zu kennen und darauf bezogen zu handeln. Um Störungen in einem System komplementärer Verantwortung zu beschreiben, schlagen wir folgende Begriffe vor:
Verantwortungsisolation: Man fühlt sich für einen Bereich zuständig ohne auf andere Bereiche bezogen zu sein. Im Sinne von: der Zimmerservice auf der Titanic ist ohne Tadel. Oder: technische Perfektion ist Trumpf, auch wenn sie kaum jemandem wirklich dient.
Abb. 5: Schema zur komplementären Verantwortung in Organisationen
Verantwortungskonfusion: Man fühlt sich für die Belange anderer verantwortlich und vernachlässigt dabei die eigenen. Das ist ein häufiges Problem z.B. von Beratern. Häufig scheuen sie sich, ihren Kunden komplementäre Beiträge abzuverlangen, ohne die Organisations- und Personalentwicklung jedoch nicht erfolgreich