Systemisches Coaching. Bernd Schmid

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Systemisches Coaching - Bernd Schmid

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auch, dass sie lernen, diese Unterschiede als gleichwertig gelten zu lassen, auch wenn ihnen das immer wieder schwerfallen sollte. Sie müssen anerkennen, dass sie zusammen nur dann auf Dauer bzw. immer wieder harmonieren können, wenn jeder in dem Bereich, der ihn nicht vorrangig interessiert, Denk-, Fühl- und Verhaltensweisen entwickelt, die der andere als für sich genügend befriedigend erlebt, um den eigenen vorrangigen Bereich wahrgenommen, gewürdigt und bedient zu sehen.

      Die Schwierigkeit ist, dass Menschen normalerweise kein derartiges pragmatisches Verhältnis zu Beziehungen haben. Sie wollen, dass der andere sie liebt, schätzt und würdigt, wie sie sich selbst würdigen wollen (bzw. dies von einem anderen ersehnen). Auch erteilen sie anderen Würdigung nach ihren Maßstäben und wundern sich, wenn dem anderen die Augen nicht so leuchten, wie sie ihnen selbst leuchten würden, wenn sie eben dies sehen, hören oder fühlen würden.

      Das heißt, beide brauchen ein gewisses Maß an Umsicht und Erkennen: Das braucht der andere. Und darauf ist es wichtig, dass ich mich beziehe, um Anschluss an ihn zu gewinnen, nicht zuletzt um meine Präferenz mit ihm leben zu können. Wenn ich meine Vorliebe zuerst und vorrangig durchsetzen will, kann es sein, dass ich den anderen als Menschen oder sein Interesse verliere. Dann fehlt auch die Grundlage für meine Beziehungspflege bzw. die gemeinsame Sache.

      In der Annäherung muss sowohl der Ich-Du-orientierte als auch der Ich-Es-orientierte Mensch lernen, von der eigenen Präferenz Abstand zu nehmen und sich auf die Andersartigkeit des Gegenüber einzustellen. Voraussetzung dafür ist, dass beide aufhören, sich gegenseitig in ihren Sicht- und Verhaltensweisen zu diffamieren. Stattdessen müssen sie anfangen, sich von ihren Vorlieben und ihren Hintergründen zu erzählen. Sie müssen lernen, dies ohne Anspruch auf Zustimmung zu tun, nur im Bemühen sich zu verstehen im Sinn einer Bezugsrahmenerweiterung. In einem dritten Schritt wäre zu prüfen, wo jeder dem anderen auf seinem Annährungsweg entgegenkommen kann, obwohl es sich etwas ungewohnt anfühlt und bisher vielleicht intern auch als ›sich etwas vergeben‹ oder ›sich verleugnen‹ gedeutet wurde. So können beide mit der Zeit einen größeren GestaltungsSpielraum in ihrer Beziehung gewinnen, gepaart mit wachsendem Respekt vor der Andersartigkeit und dem Bemühen des anderen um gelingende Begegnung.

      Ein wesentlicher Aspekt von Begegnungskompetenz sowohl in privaten als auch in professionellen Beziehungen ist somit das Vermögen, der eigenen Neigung zu widerstehen. Man muss die Kraft aufbringen, maßvoll und integrativ dem anderen soweit entgegenzukommen, wie er es braucht, um seinerseits entgegenkommen zu können. Bei aller Präferenz, die jedem natürlich in seiner Eigenart zusteht, muss man die Bereitschaft entwickeln, sich an die Beziehungsandersartigkeiten des Gegenübers anzuschließen. Dadurch erhält man relative Freiheit in bestimmten Beziehungsebenen und Rahmen.

      2.4 Ein Beispiel

      Ein Beispiel aus dem Organisationsbereich mag die Begegnungsschwierigkeiten zwischen Ich-Du- und Ich-Es-Typen noch einmal beleuchten und zugleich die Klärungskraft dieses Modells dokumentieren:

       Ein leitender Angestellter wird zu seinem Chef gerufen, der ihm mitteilt, dass er mit seiner Leistung in einem bestimmten Tätigkeitsfeld nicht zufrieden ist. In mehreren Gesprächen unter vier Augen arbeitet er mit ihm zusammen einen Plan aus, wie das Problem gelöst werden kann. Er möge diesen innerhalb von drei Monaten umsetzen und ihm dann einen Erfolgsbericht geben.

      Dieser Mitarbeiter schätzt seinen Chef als Mensch und Führungskraft, die Rüge trifft ihn sehr persönlich, auch wenn er die intensive Arbeit mit ihm genossen hat. Er vermutet, dass sein persönliches Vertrauensverhältnis durch diesen Vorgang empfindlich gestört ist, und nimmt sich vor, alles daran zu setzen, um seinen Vorgesetzten nicht noch einmal zu enttäuschen. Er geht die Sache an und es gelingt ihm, in besagtem Arbeitsfeld das Steuer herumzureißen und binnen kurzem sowohl wieder schwarze Zahlen zu schreiben als auch zwei anstehende Personalprobleme auf gute Weise zu lösen. Ganz glücklich darüber, schreibt er einen ausführlichen Bericht und schickt ihn seinem Chef mit der Bitte um einen persönlichen Termin, um ihm darüber in einem Vier-Augen-Gespräch noch detaillierter zu berichten. Es dauert eine Weile, bis er ein kurzes Memo erhält: Vielen Dank für die Erledigung! Dann folgt ein Terminvorschlag für die Vorlage eines Projektentwurfes in einem anderen Aufgabenfeld. Der Mitarbeiter ist zunächst enttäuscht, dann wütend. Er hatte gehofft, dass durch diesen Erfolg die gute Beziehung zum Chef wiederhergestellt sei, d.h. eigentlich, dass sie dadurch nun intensiver würde. Und jetzt wendet er sich einfach anderen Aufgaben zu! Der kann mich …!

      Was ist geschehen? Durch die Brille unseres Modells betrachtet, zeigt sich hier ein typisches Ich-Du/Ich-Es-Unverständnis-Muster auf beiden Seiten. Der Mitarbeiter – als Ich-Du-Typ – organisiert sein Engagement vorrangig beziehungsorientiert. Seine ›gute Beziehung‹ zum Chef erscheint gestört. Das bringt ihn in Gang und motiviert ihn zum Erfolg. Dem Chef – als echtem Ich-Es-Typ – geht es vorrangig darum, dass für ein problematisches Geschäftsfeld eine gute Lösung gefunden wird. Dafür ist er bereit, Zeit und Energie zusammen mit dem betreffenden Mitarbeiter einzusetzen. Er freut sich, dass dieser so bereitwillig einsteigt, und genießt auch diese intensive Art der Zusammenarbeit. Nachdem er den Erfolgsbericht vorliegen hat, ist für ihn die Sache erledigt bzw. sie läuft zu seiner Zufriedenheit. Somit kann er seine Aufmerksamkeit auf andere Bereiche lenken, in denen sein Engagement und seine Fachlichkeit jetzt dringender von Nöten sind.

      Beide haben zu lernen: Der Mitarbeiter muss lernen, seinen Erfolg nicht abzuwerten, nur weil der Chef ihm nicht die Anerkennung in der Art und Weise zeigt, wie er das gerne hätte. Außerdem sollte er, anstatt sich an dieser Stelle zurückzuziehen, seinen Chef wissen lassen, wie es ihm mit seiner Nicht-Reaktion geht, und was er sich von ihm als Führungskraft an Würdigung seiner Arbeit erwartet.

      Der Chef hätte zu lernen, dass ›Nix gesagt‹ ›nicht genug gelobt‹ ist. Führen heißt u.a. andere dabei ›erwischen‹, wie sie etwas gut machen, und sie davon wissen zu lassen. Er könnte dabei auch erfahren, dass Wertschätzung seiner Person mehr ist als sein fachliches Können, etwas, wonach sich ein anderer Teil seiner Seele vielleicht auch sehnt.

      2.5 Die Balance von Thema und Bezogenheit in persönlichen und professionellen Beziehungen

      Das Thema einer Beziehung muss keine ausdrücklich geistige Dimension sein. In persönlichen Beziehungen können das »Werk« auch Kinder sein.

      Die neuen Freiheiten unserer Gesellschaft bieten hier auch neue Herausforderungen. Früher war das gemeinsame Überleben einer Familie ein immerwährendes Thema. Deswegen waren viele Beziehungen auch so stabil. Sie hatten keine Notwendigkeit, ein gemeinsames Thema zu finden. Wenn es auf der Ich-Du-Ebene kriselte, stellte sich ihnen nicht die Frage, ob sie zusammen passen. Sie mussten einfach zusammenpassen, sonst wäre ihre soziale Organisation wirtschaftlich entgleist.

      Das macht natürlich manches auch leichter. In der Gestaltungsfreiheit unserer Beziehungen haben wir heute das Problem, die Inhalte bestimmen zu müssen, weil wir uns nicht mehr unterwerfen müssen. Ein »Sichunterwerfen-Müssen« schafft bestimmte Gesetzmäßigkeiten, Strukturen und Sinn und reduziert dadurch Komplexität. Komplexität entsteht heute durch die Notwendigkeit, einen vorhandenen Gestaltungsspielraum ausfüllen zu müssen. Möglicherweise haben wir nicht mehr lange solche Gestaltungsspielräume. Vielleicht nehmen die Krisenszenarien so zu, dass wir in Beziehungen schon bald keine Themenwahl mehr haben.

      Solange wir jedoch diese Freiheit haben, müssen wir, damit Beziehung gelingt, eine angemessene Balance zwischen Thema und Bezogenheit finden. Weder dürfen wir in der Ausrichtung an einem Thema den Bezug zum anderen verlieren, noch dürfen wir in Bezogenheit auf den anderen das Thema verlieren.

      Ähnliches gilt auch für Organisationen. Man kann wohl davon ausgehen, dass sich die Mehrzahl der Organisationen in ihrer Gründerzeit an irgendeiner unternehmerischen Idee orientiert. Je größer eine Organisation

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