Identität und Profil kirchlicher Einrichtungen im Licht europäischer Rechtsprechung. Группа авторов

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Identität und Profil kirchlicher Einrichtungen im Licht europäischer Rechtsprechung - Группа авторов Schriftenreihe zum kirchlichen Arbeitsrecht

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nicht zu einer Zauberformel für eine letztlich doch weitgehend freie Entscheidung der Religionsgemeinschaften werden darf, sollte außer Frage stehen und wurde auch vom Europäischen Gerichtshof für Menschenrechte in vergleichbaren Fällen eingefordert. Dem Vorwurf der „Richtertheologie“84 ist deshalb zu entgegnen, dass umgekehrt eben auch die Gefahr einer „Theologisierung von Arbeitsbeziehungen“ in kirchennahen Einrichtungen besteht, bei der die Beschäftigten Rechtsschutzmöglichkeiten verlieren, die in allen anderen Bereichen als selbstverständlich angesehen werden. Mangelnden Grundrechtsschutz wird man dem EuGH deshalb kaum vorwerfen können.

      Daneben wird die ultra vires-Kontrolle als einschlägig angesehen.85 Dass sich über die richtige Auslegung von Art. 17 AEUV trefflich streiten lässt, wurde bereits deutlich gemacht. Den Vorwurf der offensichtlichen Kompetenzüberschreitung86 wird man aber schon deshalb kaum erheben können, weil das vom EuGH zu Lasten der Bereichsausnahme favorisierte Abwägungsmodell in der deutschen Literatur zahlreiche Anhänger findet.87

      So bleiben am Ende die ganz schweren Geschütze der Verfassungsidentität und des Demokratieprinzips. Aber kann man ernsthaft behaupten, die hier betroffenen Teilaspekte des kirchlichen Arbeitsrechts seien unantastbarer Kern des Selbstbestimmungsrechts und damit möglicherweise Bestandteil der Identität des Grundgesetzes? Bei der Ausgestaltung der staatlichen Neutralitätspflicht in der Schule sah das Bundesverfassungsgericht in seiner ersten Kopftuch-Entscheidung auch unter dem Grundgesetz durchaus Raum für eine weniger religionsfreundliche Praxis. In der Entscheidung heißt es:

       „Es mag […] auch gute Gründe dafür geben, der staatlichen Neutralitätspflicht im schulischen Bereich eine striktere und mehr als bisher distanzierende Bedeutung beizumessen und demgemäß auch durch das äußere Erscheinungsbild einer Lehrkraft vermittelte religiöse Bezüge von den Schülern grundsätzlich fern zu halten, um Konflikte mit Schülern, Eltern oder anderen Lehrkräften von vornherein zu vermeiden.“88

      Wenn eine solche striktere Handhabung des Neutralitätsprinzips im Bereich der Schule durch den einfachen Gesetzgeber möglich ist, warum sollte sie dann beim kirchlichen Arbeitsrecht aus Gründen der Verfassungsidentität ausgeschlossen sein? Noch einmal: Was sich geändert hat, ist die Kontrolldichte. Unter dem strengeren Maßstab des EuGH wird es gerade bei der Durchsetzung von Loyalitätspflichten der eigenen Mitglieder (Anforderungen an die persönliche Lebensführung; Kirchenaustritt) geringere Sanktionierungsmöglichkeiten geben. Das wird für die karitativen und diakonischen Einrichtungen nicht immer einfach zu bewältigen sein.89 Aber auch nach dem Ansatz des Bundesverfassungsgerichts findet letztlich auf der zweiten Prüfungsstufe eine gerichtliche Kontrolle und Bewertung der von den Religionsgemeinschaften in Ausübung ihres Selbstbestimmungsrechts beanspruchten Rechtspositionen statt. Deshalb handelt es sich bei den Vorgaben des EuGH aufs Ganze gesehen eben doch nur um eine (keine Frage: wichtige) Veränderung der Akzente, aber nicht um die behauptete „tektonische Verschiebung“ im Religionsverfassungsrecht,90 die man als Eingriff in die Verfassungsidentität des Grundgesetzes deuten könnte.91

      1 BAG NZA 2019, 455; siehe zuvor EuGH Rs. C-414/16 (Egenberger), ECLI:EU:C.2018:257.

      2 BAG NZA 2019, 901 ff.; siehe zuvor EuGH Rs. C-68/17 (IR/JQ), ECLI:EU:C:2018:696; BVerfGE 137, 273; BAGE 139, 144.

      3 https://praesident.diakonie.de/2019/03/22/diakonie-braucht-rechtssicherheit/#more-1925.

      4 Knapp zur Entwicklung statt anderer M. Ruffert/C. Walter, Institutionalisiertes Völkerrecht, 2. Aufl. München 2015, Rn. 550 ff.; ausführlich C. Grabenwarter/K. Pabel, Europäische Menschenrechtskonvention, 6. Aufl. München-Basel-Wien 2016, 41 ff.

      5 H.M. Heinig, Religiöse Pluralität und religionsrechtliche Diversität als Topoi in der Rechtsprechung des EGMR, in: ders., Die Verfassung der Religion, 2014, 388 ff. (390 ff.); siehe ausführlich zu den unterschiedlichen Traditionen A. von Ungern-Sternberg, Religionsfreibeit in Europa, Tübingen 2008, 89 ff. und 151 ff.; siehe auch L. Friedner, Transformation of Church Relations – The Scandinavian Experienec, in: C. Walter/A. von Ungern-Sternberg (eds.), Transformation of Church and State Relations in Great Britain and Germany, Baden-Baden 2013, 85 ff.

      6 EGMR (GK), Appl. Nr. 44774/98, Urt. v. 10.11.2005 (Leyla Sahin), Rn. 109 ff.; EGMR (GK), Appl. Nr. 30814/06, Urt. v. 18.3.2011 (Lautsi), Rn. 61 f. und 68 ff.; EGMR (GK), Appl. Nr. 2330/09, Urt. v. 9.7.2013 (Sindicatul „Păstorul cel Bun“), Rn. 138; EGMR (GK), Appl. Nr. 43835/11, Urt. v. 1.7.2014 (S.A.S), Rn 129: „In matters of general policy, on which opinions within a democratic society may reasonably differ widely, the role of the domestic policy-maker should be given special weight […]. This is the case, in particular, where questions concerning the relationship between State and religions are at stake […]. As regards Article 9 of the Convention, the State should thus, in principle, be afforded a wide margin of appreciation in deciding whether and to what extent a limitation of the right to manifest one’s religion or beliefs is “necessary”.“; vgl. dazu C. Walter/M. Vordermayer, Verfassungsidentität als Instrument richterlicher Selbstbeschränkung in transnationalen Integrationsprozessen. Vergleichende Überlegungen anhand der Rechtsprechung von EuGH und EGMR, JöR 63 (2015), 129 ff. (158 f.).

      7 EGMR (GK), Appl. Nr. 43835/11, Urt. v. 1.7.2014 (S.A.S).

      8 EGMR (GK), Appl. Nr. 30814/06, Urt. v. 18.3.2011 (Lautsi).

      9 EGMR, Appl. Nr. 1620/03, Urt. v. 23. 9. 2010 (Schüth), Rn. 69; siehe im Übrigen EGMR, Appl. Nr. 425/03, Urt. v. 23. 9. 2010 (Obst), Rn. 49; EGMR, Appl. Nr. 18136/02, Urt. v. 3. 2. 2011 (Siebenhaar), Rn. 45.

      10 EGMR (GK), Appl. Nr. 56030/07, Urt. v. 12.6.2014 (Fernández Martínez).

      11 So die kritische Bewertung bei J. Martínez-Torrón, Fernández Martínez v. Spain – An Unclear Intersection of Rights, in: St. Smet/E. Brems (eds.), When Human Rights Clash at the European Court of Human Rights, Oxford 2017, 192 ff. (215 f.); vgl. zum Sachverhalt die knappe Zusammenfassung bei E. Hartmeyer, Zum Verhältnis von Berufsfreiheit und Religionsfreiheit – Roma locuta, causa finita?, EuZA 2016, 97 ff. (98 ff.).

      12 EGMR (GK), Appl. Nr. 56030/07, Urt. v. 12.6.2014 (Fernández Martínez), Rn. 132 (Hervorhebung vom Verfasser).

      13 C.Walter, Religions- und Gewissensfreiheit, Rn. 11, in: O. Dörr/R. Grote/Th. Marauhn (Hrsg.), EMRK/GG-Konkordanzkommentar, Bd. I, 2. Aufl. Tübingen 2013, 957 ff.

      14 Siehe dazu die ganz überwiegend positive Reaktion in der deutschen Lteratur C. Sperber, Arbeitnehmer von Religionsgemeinschaften und ihr Recht auf Achtung des Privat- und Familienlebens, EuZA 2011, 407 ff.; U. Hammer, Europäische Wende im kirchlichen Arbeitsrecht?, AuR 2011, 278 ff.; M. Plum, Kirchliche Loyalitätsobliegenheiten im Lichte der Rechtsprechung des EGMR, NZA 2011, 1194 ff.; J. Joussen, Die Folgen des Mormonen- und des Kirchenmusikerfalls für das kirchliche Arbeitsrecht in Deutschland, RdA 2011, 173 ff.; C. Grabenwarter/K. Pabel, Das kirchliche Arbeitsrecht vor dem Europäischen Gerichtshof für Menschenrechte, KuR 2011, 55 ff.; H. Reichold, Das deutsche Arbeitsrecht der Kirchen im Fokus des Europäischen Gerichtshofs für Menschenrechte, EuZA 2011, 320 ff.; C. Walter, Kirchliches Arbeitsrecht vor den europäischen Gerichten, ZevKR 57 (2012), 233 ff. (238 ff.).

      15 Siehe zu dazu auch Hartmeyer (Fn. 11), 105 f.

      16 BVerfGE 70, 138.

      17 Siehe statt vieler anderer C. Waldhoff, Die Zukunft des Staatskirchenrechts, in: Essener

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