Amokdrohungen und School Shootings. Armin Himmelrath

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Amokdrohungen und School Shootings - Armin Himmelrath

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aus dem Arsenal des Vaters. Dieser besitzt als Mitglied im Schützenverein mehrere Schusswaffen legal.

      •20. November 2006 – Emsdetten (Nordrhein-Westfalen): Ein 18-Jähriger, maskiert, stürmt gegen 9:30 Uhr seine ehemalige Realschule und verletzt mehrere Menschen durch Schüsse, bevor er sich selbst tötet. Insgesamt erleiden 37 Menschen Verletzungen, fünf davon durch Schüsse.

      •16. Januar 2005 – Ahrensburg (Schleswig-Holstein): Wahrscheinlich aufgrund schlechter Zensuren erstechen ein 18-Jähriger und sein zwei Jahre älterer Bruder eine Lehrerin in ihrer Wohnung. Der ältere Bruder wird im Oktober 2005 wegen Mordes zu acht Jahren und neun Monaten Haft verurteilt. Gegen den Jüngeren läuft ein zweiter Prozess.

      •2. Juli 2003 – Coburg (Bayern): Ein 16-jähriger Realschüler, dessen Versetzung gefährdet ist, schießt auf eine Schulpsychologin und auf seine Klassenlehrerin. Danach tötet sich der Junge selbst. Die 41 Jahre alte Lehrerin bleibt unverletzt. Die 52-jährige Psychologin wird am Bein getroffen.

      •26. April 2002 – Erfurt (Thüringen): Ein 19 Jahre alter Schüler richtet am Erfurter Gutenberg-Gymnasium ein Blutbad an. Vorab war er der Schule verwiesen worden. Er tötet zwölf Lehrer, zwei Schüler, eine Sekretärin und einen Polizisten. Dann erschießt er sich selbst.

      •19. Februar 2002 – Freising (Bayern): In einer Berufsschule tötet ein 22-Jähriger den Direktor der Schule und verletzt einen Lehrer. Anschließend begeht der ehemalige Schüler Selbstmord. Er war vorbestraft und als Motiv galten Rache und Hass. Davor hatte er in einer Firma zwei Ex-Kollegen erschossen.

      •16. März 2000 – Brannenburg (Bayern): Ein 16-jähriger Schüler schießt einem 57-jährigen Internatsleiter in den Kopf. Der Täter war kurz zuvor der Anstalt verwiesen worden. Anschließend verletzt sich der Jugendliche selbst schwer. Sein Opfer stirbt sechs Tage nach der Tat.

      •9. November 1999 – Meißen (Sachsen): Ein 15-jähriger Gymnasiast, vermummt und in Schwarz gekleidet, stürmt in die Klasse 9 der Schule, um, mit zwei Messern bewaffnet, auf seine 44-jährige Geschichtslehrerin einzustechen (22 Stichverletzungen). Der Täter kann im Zuge der Sofortfahndungsmaßnahmen der Polizei festgenommen werden. Laut Gutachten leidet er an einer Störung der Persönlichkeitsentwicklung. Ein Motiv für die Tat soll eine Wette unter Schülern gewesen sein.

      •5. Mai 1997 – Zöbern (Niederösterreich): Ein 15-Jähriger, der versucht, eine Schülerin zu vergewaltigen, erschießt eine 48-jährige Lehrerin, die dem Mädchen zu Hilfe kommt, und verletzt eine weitere Pädagogin durch einen Schuss ins Bein. Der Täter wird festgenommen und später zu acht Jahren Haft verurteilt.

      Hier handelt es sich um keinen Schulanschlag im eigentlichen Sinn: Mit den Schüssen wollte der Täter in erster Linie die versuchte Vergewaltigung verdecken und, nach den Ergebnissen des Prozesses, nicht Rache am Schulsystem oder an bestimmten Personen nehmen.

      •3. Juni 1983 – Eppstein: Ein 34-jähriger Wachmann dringt in die Freiherr-vom-Stein-Schule ein, tötet drei Schüler, einen Lehrer, einen Polizisten und verletzt weitere 14 Menschen. Der Täter bringt sich anschließend um.

      •11. Juni 1964 – Köln-Volkhoven: Ein 42-jähriger Frührentner dringt, bewaffnet mit einem Flammenwerfer und einer selbst gebauten Lanze, in seine ehemalige Grundschule ein und ermordet acht Kinder und zwei Lehrerinnen. Weitere 20 Kinder werden zum Teil schwer verletzt. Der Täter wird angeschossen, stirbt aber letztlich an einem hochgiftigen Pflanzenschutzmittel, das er in Selbstmordabsicht eingenommen hat.

      •20. Juni 1913 – Bremen: Ein mit mehreren Pistolen bewaffneter 30-jähriger arbeitsloser Lehrer stürmt die Mädchenschule. Fünf Schülerinnen im Alter von 7 und 8 Jahren werden getötet, 18 weitere Kinder und fünf Erwachsene werden verletzt. Der Täter wird später festgenommen.

      •25. Mai 1871 – Saarbrücken: Ein Gymnasiast schießt mit seinem Taschenrevolver auf zwei Mitschüler, beide werden schwer verletzt. Der Täter wird anschließend festgenommen. Der Anschlag wird von einigen Experten als „Prototyp des School-Shootings“ bezeichnet.

      Nachfolgend werden die Begriffe Amok, Amoklauf, Attentat und Schulanschlag näher erklärt, da es sich hierbei um nicht ausreichend eindeutige Begriffe handelt, die uneingeschränkt synonymisch verwendet werden können.

      1.2Amok, School-Shooting, Attentat – Viele Begriffe für eine Tat

      Delinquenz nennt man das Verhalten, das einer schweren Gewalthandlung zugrunde liegt. Gemeint ist damit sozial abweichendes, nicht der Norm entsprechendes Verhalten und insbesondere der Teilausschnitt, der strafrechtlich relevant ist. „Der Begriff ist wertneutraler als der der Kriminalität. Kriminalität ist die Gesamtheit aller Straftaten.”1 Jeder gezielte Angriff auf mehrere Opfer, bei dem ein schulisches Umfeld oder eine ähnliche Einrichtung wie ein Ausbildungszentrum, eine Hochschule oder ein Sportverein bewusst als Tatort ausgewählt wird, ist solch eine schwere zielgerichtete Gewalt, der ein hohes Maß an Delinquenz zugrunde liegt. Insbesondere bei Anschlägen im schulischen Bereich und mit hohen Opferzahlen wird auf Begriffe wie Amoklauf, Durchdrehen und wahllos um sich schießende Täter zurückgegriffen. Damit entsteht häufig das Bild eines planlos handelnden, nicht berechenbaren Täters – ein Trugschluss. Im Gegenteil haben schwere Gewalttaten an Schulen, die in der Öffentlichkeit in der Regel als Amokläufe bezeichnet werden, häufig ein berechenbares Grundmuster.

      Deshalb wird auch die Bezeichnung Amoklauf zahlreichen Taten mit schwerer zielgerichteter Gewalt an Schulen nicht gerecht, da sie sich oftmals dadurch auszeichnen, Resultat klarer Planung und bestimmten Entwicklungsvorgängen zu sein. Die Öffentlichkeit und die Medien werden von den Tätern dabei in erster Linie als Publikum gesehen, um Rache und Aufmerksamkeitstaten entsprechend zu inszenieren. Da es sich vorwiegend um jugendliche Täter handelt, wird die Schule oft zum Ort des Geschehens.

      In den vergangenen Jahren wurde in der Wissenschaft eine neue Begrifflichkeit eingeführt, wodurch Amoklauf an Schulen ersetzt wurde: School-Shooting. Dieser Begriff beinhaltet den Ankündigungscharakter, der typisch für diese Art des Amoks ist. Er schließt den Aspekt, spontan zu handeln und blind vor Wut zu sein, aus. Treffender ist es, von einer kalten Wut zu sprechen, die aus einer inneren Rationalität heraus mit gnadenloser Konsequenz exekutiert wird. Das bedeutet allerdings nicht, dass es während der Tat nicht zu Raserei oder zu einem Blutrausch kommen kann. Möglicherweise ist deswegen die Bezeichnung Amoklauf auch bei School-Shootings in westlichen Industrienationen im allgemeinen Sprachgebrauch immer noch präsent – vor allem deshalb, weil es sich dabei um Personen handelt, die schwere Gewalttaten scheinbar wahllos gegen andere Personen richten. Wegen dieser nicht ausreichend eindeutigen Begrifflichkeit werden im Folgenden die Bezeichnungen Amok, Amoklauf und School-Shooting weitgehend synonym verwendet. Weiterhin wird, da es bisher keine klare deutschsprachige Bezeichnung für solche Taten gibt, der Begriff Schulanschlag eingeführt.

      Schulanschlag beschreibt Taten, bei denen ein Täter gegenüber aktuellen oder früheren Angehörigen einer Bildungs- oder Ausbildungseinrichtung gezielt und am Ort seiner empfundenen Demütigung schwere Gewalttaten plant und umsetzt.

      Dabei darf ein Aspekt nicht außer Acht gelassen werden: Der Terror und die Angst, die hinter Schulanschlägen stecken, sind nicht nur Strategie des direkten Täters, sondern auch der zahlreichen Trittbrettfahrer, die mit dem Grauen eines zuvor stattgefundenen School-Shootings spielen und damit ihre eigene Welt und ihr Umfeld, die Schule und die dort agierenden Personen, unter Druck setzen. Wer es als wütender Schüler oder frustrierte Schülerin den anderen mal so richtig zeigen will, wer eigene

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