Gemeinsam zum Erfolg. Lars Balzer

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Gemeinsam zum Erfolg - Lars Balzer hep praxis

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drei Massnahmen eine gute Passung:

      1.die Entwicklung vielfältiger Angebote für verschiedene Bedürfnisse;

      2.eine Organisation der Lernorte, die so gestaltet ist, dass die Befriedigung alterstypischer Bedürfnisse zugelassen wird;

      3.eine Lehrlingsselektion, die darauf ausgerichtet ist, dass Jugendliche die Ausbildungsanforderungen erfüllen und mit hoher Wahrscheinlichkeit die Ausbildungsziele erreichen werden.

      Eine hohe Passungswahrnehmung durch die Jugendlichen weist aber nicht nur auf einen gelungenen Einstieg in eine nachobligatorische Ausbildung hin, sondern gilt im dualen bzw. trialen Berufsbildungssystem auch als Prädiktor für Ausbildungserfolg sowie als Indikator für die Qualität der betrieblichen Ausbildung. Dies bestätigen Ergebnisse aus dem Forschungsprojekt «Familie-Schule-Beruf (FASE B)» (Neuenschwander, 2011). Eine gute Passung zwischen lernender Person und ihren Lernorten ist demnach eine wichtige Grundbedingung für einen erfolgreichen Ausbildungsverlauf.

      Die Anpassungsleistungen von Jugendlichen

      Durch den Eintritt in eine berufliche Grundbildung verändern sich für die Mehrheit der Lernenden die sozialen Kontexte (Neuenschwander, 2012). Wenn sich die Jugendlichen bisher vor allem zwischen den beiden Kontexten Schule und Familie bewegten, kommt neu der Lernort Betrieb (und in sporadischen Abständen der dritte Lernort, die überbetrieblichen Kurse) hinzu. Die Übergänge zwischen den einzelnen sozialen Kontexten werden dadurch vielfältiger. Dies erfordert von den Jugendlichen erhöhte Anpassungsleistungen an das jeweilige Umfeld. Diese Anpassungsleistungen betreffen einerseits die verschiedenen sozialen Bezugsgruppen: So werden die Lernenden im Lehrbetrieb nun mit Mitarbeitenden, Vorgesetzten und vielleicht auch Kundinnen oder Klienten konfrontiert, während sie sich in Berufsfachschule und überbetrieblichen Kursen in neuen Klassen- und Gruppenkonstellationen wiederfinden.

      Andererseits haben sich auch die strukturellen Bedingungen für ihr Lernen verändert: In der Regel befinden sie sich nur noch einmal pro Woche in einem schulischen Lernsetting, während ihre Lernumgebung für die restlichen Tage der Woche der Lehrbetrieb ist. Dies erfordert hohe Anpassungsleistungen im Lernverhalten. Lernende müssen beispielsweise das an einem Lernort erworbene Wissen und Können auf die anderen Lernorte transferieren. Sie müssen zudem ihre zeitliche Planung des Lernens neu organisieren.

      Last but not least werden die Lernenden durch die Arbeit im Lehrbetrieb erstmals direkt mit den Werten und Normen der Arbeitswelt konfrontiert; auch hier gilt es, Anpassungsleistungen zu erbringen.

      Wie wir in diesem Kapitel gezeigt haben, befinden sich junge Menschen am Anfang ihrer beruflichen Ausbildung in einer für sie neuen, komplexen Situation, die mit vielfältigen Herausforderungen und Anpassungsleistungen auf verschiedenen Ebenen verbunden ist. So sind sie:

      •in ihrer Berufswahl bestimmten Restriktionen ausgesetzt, dies sowohl auf institutioneller Ebene (hierarchisch gegliederte Sekundarstufe I, Lehrstellenangebot, Selektionsprozesse der Lehrbetriebe) als auch auf der Ebene der Person und des persönlichen Umfeldes (individuelle Voraussetzungen und Interessen, zur Verfügung stehende soziale Ressourcen);

      •konfrontiert mit zahlreichen Veränderungen und Neuorientierungen, dies sowohl auf intrapersonaler Ebene (Suche nach der eigenen Identität und Autonomie) als auch auf der Ebene der Lern- und Arbeitsumgebung (Anpassung an eine neue Ausbildungssituation mit verschiedenen Lernorten und neuen Bezugsgruppen).

      Damit Lernende ihre Ausbildung nicht nur mit Elan und Neugierde beginnen, sondern auch mit Motivation und Freude weiterverfolgen und mit Erfolg abschliessen können, ist es wichtig, dass die Ausbildungsverantwortlichen aller Lernorte – nicht nur, aber besonders während der ersten Ausbildungsmonate – die Lernenden aufmerksam und sorgfältig beobachten und begleiten und ihre Erfahrungen mit den Berufsbildnerinnen und Berufsbildnern der anderen Lernorte austauschen. Empfehlungen, wie dies konkret angegangen werden kann, finden sich in → Kapitel 2 des vorliegenden Buches.

      Meine Schulzeit von der zweiten bis zur vierten Klasse verlief sehr gut. Aber schon in der ersten Klasse merkte man bei mir, dass ich eine Schwäche in Mathe hatte. Ich verstand nicht, warum ich farbige Holzstäbe brauchen musste, um zu rechnen. Ich baute mit den Holzstäben lieber einen schönen, farbigen Turm. So kam es, dass ich die erste Klasse wiederholen musste. Darüber bin ich nicht böse, sondern dankbar dafür. Die neue Klasse akzeptierte mich, und die neue Lehrerin unterstützte mich auch. Vielleicht sollte ich noch erwähnen, dass ich, bevor ich in die Schule kam, auch Mühe zu sprechen hatte. Ich hatte einen Sprachfehler, und das musste ich bei einem Nachhilfelehrer wieder in Ordnung bringen.

      Zurück zur Schule. Ich fühlte mich wohl in meiner Klasse. Doch die Matheschwäche kam immer mehr zum Vorschein. Man schickte mich in die Nachhilfe. Als ich in die fünfte und sechste Klasse kam, ging es ziemlich bergab. Der Lehrer, den wir hatten, war altmodisch. Bei Fehlern musste man aufstehen und die richtige Lösung sagen. Wenn sie falsch war, stand man halt länger vor der Klasse und wusste, alle warten und schauen einen an. (…) Ich weinte viel, und einmal meinte er, es seien ja nur Krokodilstränen.

      Einmal musste ich vor der ganzen Klasse aufstehen, weil ich wieder mal nichts verstanden hatte. Der Lehrer schaute mich an und fragte: «Anna, bist du eigentlich blöd?» Ich wusste nicht, was ich auf so eine Frage antworten sollte. Ich sagte nur: «Ich weiss nöd?», und setzte mich wieder hin.

      Diese Geschichte schrieb sich Anna während einer Lernberatungssitzung von der Seele – fast ohne Atem zu holen. Die Überzeugung, sie könne nicht rechnen, hatte sich bei ihr also sehr früh festgesetzt und begleitete sie während ihrer restlichen Schulzeit bis in die Ausbildung zur Innendekorationsnäherin. In der Schule hatte sie kaum die Erfahrung gemacht, beim Rechnen selbst etwas bewirken und Lösungen finden zu können, entsprechend gering ausgebildet war ihr Gefühl der Selbstwirksamkeit in Mathe.

      Im Interview sagte Anna rückblickend:

      Ich habe ziemlich darunter gelitten, weil mich mein Lehrer oft blossgestellt hat. Das hatte zur Folge, dass ich mir gar nichts mehr zutraute und ich auch nicht mehr rechnen wollte. Trotzdem musste ich den Nachhilfeunterricht im Rechnen besuchen.

      Das war dann auch der Grund, dass ich einen Beruf suchte, der nichts mit Mathematik zu tun hat, sondern in dem ich eher kreativ sein konnte – Hauptsache: mit wenig Mathe. Aufgrund meiner Matheschwäche, aber auch, weil ich grundsätzlich Schwierigkeiten hatte mit Lernen – alles in den Kopf reinzubringen –, besuchte ich die Realschule und nicht die Sekundarschule. Ich hatte einfach eine Lernschwäche.

      Mein grösster Berufswunsch war, Floristin zu werden. Ich habe viel geschnuppert und gesehen, dass Mathe an letzter Stelle kommt. In der Zwischenzeit weiss ich allerdings, auch eine Floristin muss rechnen können. Floristin war ein begehrter Beruf, und aufgrund meiner Schüchternheit brauchte ich lange, bis ich mich überhaupt um Schnupperstellen bewarb. Ich hatte einfach Angst, mit fremden Leuten zu telefonieren. In der Schule machte die Lehrerin Druck auf uns, machte uns Angst, dass wir nichts finden würden und dann auf der Strasse stünden. Dieser Druck war für uns alle belastend, weil wir ja genau davor, keine Ausbildungsstelle zu finden, Angst hatten. Das machte mich traurig. Als ich dann dank der Unterstützung meiner Eltern doch endlich den Mut zum Telefonieren fand und in verschiedenen Betrieben schnuppern konnte, waren die Lehrstellen schon vergeben. Also musste ich etwas anderes suchen.

      Ich hätte damals eine Person gebraucht, die einfühlsam ist, die mir Mut gemacht hätte, statt Angst eingeflösst, eine Person, mit der ich meine Sorgen und Probleme hätte

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