Gemeinsam zum Erfolg. Lars Balzer
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1.2Ein berufspädagogischer Blick auf die Zusammenarbeit
1.2.1Die Kooperation zwischen den drei Lernorten
Konkrete Angaben darüber, wie solche Zusammenarbeit umgesetzt und gewährleistet werden soll, finden sich in den gesetzlichen Grundlagen nur dahingehend, dass die Berufsfachschule Koordinationsaufgaben im Hinblick auf die Zusammenarbeit der an der Berufsbildung Beteiligten übernehmen kann (Art. 21 Abs. 6 BBG). Es erstaunt daher nicht, dass Lernortkooperation erst in einzelnen Regionen oder Berufen konkret in Angriff genommen und umgesetzt worden ist (Fleischmann, 2010, S. 2). Eine Vorreiterrolle nehmen hier die beiden Basler Halbkantone ein, die im Rahmen des Projektes «Umsetzung des neuen Berufsbildungsgesetzes in den Kantonen Basel-Landschaft und Basel-Stadt» eine bikantonale Umsetzungsgruppe ins Leben gerufen haben, die sich aus allen massgebenden Verbundpartnern beider Kantone zusammensetzt: Vertreterinnen und Vertreter der Organisationen der Arbeitswelt, der Berufsfachschulen, der überbetrieblichen Kurse und der Lehraufsicht. Diese Gruppe zeichnet verantwortlich für die Implementierung der neuen Bildungsverordnungen. Die Steuerung des Prozesses liegt bei den Bildungsämtern der beiden Kantone (Mohler & Diesch, 2010). Mit dem Projekt wird sichergestellt, dass bei der Zusammenarbeit von wirklicher Kooperation (→ Abschnitt 1.2.2) gesprochen werden kann. Eine solche besteht nicht nur aus Koordination, sondern aus gemeinsam getragener Verantwortung für die Ausbildung.
Ein weiteres Beispiel für Zusammenarbeit findet sich in der Umsetzung der zweijährigen Grundbildung für Schreinerpraktikerinnen und -praktiker, wo eine enge Koordination zwischen den Lernorten durch gemeinsame Veranstaltungen für die Berufsbildungsverantwortlichen während der Einführungsphase der neuen Bildungsverordnungen, während der Vorbereitung der Qualifikationsverfahren sowie durch regelmässige gegenseitige Besuche gewährleistet wird (Merz, 2010).
Studien, die sich mit lernfördernden Aspekten der Lernortkooperation befassen, gibt es in der Schweiz erst vereinzelt. Ein Entwicklungsprojekt des Schweizerischen Instituts für Berufspädagogik (SIBP, heute Eidgenössisches Hochschulinstitut für Berufsbildung EHB IFFP IUFFP) analysierte die Lernortkooperation in Form von lernortübergreifendem Unterricht im schulischen und betrieblichen Setting in fünf Anlehrberufen. Die Ergebnisse der Studie zeigen, dass eine lernortübergreifende Zusammenarbeit, die sich auf ein gemeinsam festgelegtes und unter den Lernorten abgestimmtes Ausbildungsprogramm mit gemeinsam definierten Ausbildungszielen stützt (Zusammenarbeit als «Integration» im Sinne von Landwehr, 2002; → Abschnitt 1.2.2) einen positiven, lern- und motivationsfördernden Effekt auf die Lernenden und die Ausbildungsverantwortlichen hat (Grassi, Rhiner & Scharnhorst, 2005). Das Institut für Wirtschaftspädagogik der Universität St. Gallen untersuchte die Förderung von Lernkompetenzen von Lernenden zweier kaufmännischer Berufsfachschulen und kam zum Schluss, dass eine optimale Lernförderung eine gute Koordination der Ausbildungspartnerinnen und -partner voraussetzt (Nüesch, Metzger & Martinez Zaugg, 2009). Eine vom Bundesamt für Berufsbildung und Technologie (BBT) in Auftrag gegebene Studie evaluierte die Zusammenarbeit der Ausbildungsverantwortlichen der drei Lernorte in Bezug auf die Qualifikationsverfahren (QV) der beruflichen Grundbildung. Die Studie ortet Optimierungspotenzial hauptsächlich im Bereich Kontakt und Kommunikation zwischen den drei Lernorten und fordert Massnahmen zu deren Verbesserung (Frei, 2010). Das Projekt «LOK – Lernortkooperation in der beruflichen Grundbildung» der Zentralschweizer Berufsbildungsämter-Konferenz (ZBK) – fördert die Abstimmung der Lerninhalte der drei Lernorte sowie den Informationsfluss zwischen den beteiligten Ausbildungspartnerinnen und -partnern mithilfe des Webtools SEPHIR. Die Empfehlungen des Projektevaluationsberichts fokussieren denn auch ausschliesslich Aspekte, die sich auf das Tool und dessen Weiterentwicklung beziehen (Feller & Bucher, 2011).
Die vorangehenden Ausführungen zeigen, dass dem Thema Lernortkooperation in der beruflichen Bildung in der Schweiz bisher noch nicht die gebührende Aufmerksamkeit geschenkt wurde. Lernortkooperation ist zwar erwünscht, ihre Bedeutung ist erkannt, jedoch ist sie noch nicht wirklich umgesetzt, Prozesse und Verantwortlichkeiten sind nicht geklärt. Zudem müssen bezüglich Kooperation verschiedene Ebenen differenziert werden. Einerseits bezieht sich Kooperation auf eine übergeordnete Ebene, wie beispielsweise im Rahmen der (Reform-)Prozesse. Hier ist es Aufgabe der Verbundpartner, einen Schwerpunkt zu setzen und Verbindlichkeiten zu definieren. Andererseits geht es auf der Ebene einer konkreten Zusammenarbeit der Berufsbildenden der verschiedenen Lernorte um eine im Ausbildungsalltag gemeinsam getragene Verantwortung und Verpflichtung zur optimalen Förderung der einzelnen Lernenden.
An dieser Stelle setzt das vorliegende Buch an: Es zeigt, wie eine solche Förderung von Berufsbildnerinnen und Berufsbildnern der drei Lernorte gemeinsam und auf jeden Lernort angepasst umgesetzt werden kann.
1.2.2Wie funktioniert gute Lernortkooperation?
Wichtige Erkenntnisse über Lernortkooperation liefert der Modellversuch KOLIBRI «Kooperation der Lernorte in der beruflichen Bildung» in Deutschland. Aus diesem Modellversuch resultieren zwei Handbücher zur Lernortkooperation mit theoretischen Grundlegungen und praktischen Erfahrungen (Euler, 2004a, 2004b). Als Haupterkenntnis hat sich herauskristallisiert, dass eine erfolgreiche Lernortkooperation bestimmte institutionelle und personelle Rahmenbedingungen voraussetzt (Diesner et al., 2004, S. 2). Dabei ist die Entwicklung einer Kooperationskultur grundlegend für eine funktionierende Zusammenarbeit der Lernorte. Als förderliche Faktoren für eine gute Kooperationskultur haben sich Vertrauen, Respekt und Wertschätzung, Gelegenheit zu Kontakt, Austausch und Kommunikation, Selbstvertrauen als Basis für Fremdvertrauen, Wahrnehmung von Gemeinsamkeiten, kooperationsrelevante Problemstellungen, Handlungsspielräume der Beteiligten, langfristig ausgerichtete Beziehungen sowie überschaubare Gruppengrössen bewährt (Euler, 2004c).
Landwehr unterscheidet vier Varianten des Zusammenspiels der Lernorte, die er Koexistenz, Koordination, Kooperation und Integration nennt (Landwehr, 2002, S. 39):
•Koexistenz: Die Lernorte funktionieren als in sich geschlossene Lernsysteme, mit je eigenen Zielvorgaben und eigenem Prüfungswesen; es gibt zeitliche Vorgaben für jeden Lernort, eine inhaltliche Absprache findet indessen nicht statt.
•Koordination: Die Lernorte koexistieren relativ unverbunden nebeneinander. Die Ausbildungskonzepte werden inhaltlich aufeinander abgestimmt. Wechselseitige Information wird sporadisch gepflegt, damit bei Schwierigkeiten gemeinsam Lösungsstrategien entwickelt werden können.
•Kooperation: Die Lernorte verstehen sich als Partner im gemeinsam getragenen Ausbildungsgang. Es gibt grobe inhaltliche Absprachen, die Ausbildungsziele und -schwerpunkte werden gegenseitig offengelegt; die Vermittlung der Inhalte in Theorie und Praxis erfolgt koordiniert. Ein regelmässiger Erfahrungsaustausch ist institutionalisiert.
•Integration: Es existiert eine für alle Lernorte gemeinsame, lernortübergreifende Ausbildungsleitung und ein gemeinsames Ausbildungsprogramm. Das Lernen an den verschiedenen Lernorten orientiert sich an denselben Phasenzielen; in diesem Rahmen werden die konkreten Ausbildungsziele abgesprochen und gemeinsam festgelegt.
Die in → Abschnitt 1.2.1 dargestellten aktuellen Formen von Zusammenarbeit zwischen den Lernorten in der Schweiz lassen sich in der Landwehr’schen Definition wohl am besten zwischen Koordination und Kooperation verorten; von der Integration, die es anzustreben gilt, sind wir zumeist noch weit entfernt. Es bleibt zu hoffen, dass hier zukünftige Entwicklungsschwerpunkte gesetzt werden.
1.2.3Weitere Orientierungspunkte für gute Kooperation
Anregungen für ein von allen Beteiligten getragenes und unterstütztes Zusammenarbeiten in der Begleitung