1975. Wolfram Hanel

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1975 - Wolfram  Hanel

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die aus Versehen von »Easy Rider« übrig geblieben waren.

      »Scharf«, sagt Kerschkamp.

      Sie verabredeten sich für fünf Uhr am nächsten Morgen. Kerschkamp würde die anderen nochmal anrufen. Vor allem den Ami.

      »Hau rein, Alter«, sagte Kerschkamp und hielt die Faust hoch.

      Appaz’ Mutter hatte ihm zum Abschied Hackbraten gemacht. Mit Schwarzwurzeln. Und als er sein Zeug zusammenpackte, drückte ihm sein Vater noch eine Dose Scho-Ka-Kola in die Hand. Autofahrerschokolade. Und hundert Mark für Sprit.

      »Fahr vorsichtig, Junge«, sagte er.

      Über das versiebte Abitur redeten sie kein Wort mehr. Aber Appaz hatte das Gefühl, dass sie ohnehin dachten, es sei zwecklos, überhaupt noch was zu sagen. Er versprach ihnen aber, dass er sich von unterwegs mal melden würde.

      Dann fuhr er nochmal los, um sich von Anette zu verabschieden. Eigentlich hatte er auf eine kleine Abschiedsnummer gehofft, aber als sie an den Kiesteich kamen, waren Hansi und Biggi schon wieder im Geräteschuppen zugange. Und Anette wollte nicht mehr, sondern sagte nur, dass Hansis Gestöhne sie total abturnen würde. Und dass sie froh wäre, für die nächsten sechs Wochen keinen steifen Schwanz mehr sehen zu müssen. Dann fing sie plötzlich an zu heulen. Appaz holte die Tüte mit dem Gras aus Hansis Rucksack, den dieser freundlicherweise auf dem Steg liegen gelassen hatte.

      Sie rauchten. Anette erzählte, dass sie Schiss habe vor der Guardia Civil. Sie wollte nur mit ihrer Cousine in die Pyrenäen, auf die spanische Seite. In irgendein Bergdorf, wo sie Spangenburger besuchen wollten, den Appaz auch kannte, weil er früher mal auf seiner Schule gewesen war. Dann war er aber wegen irgendwas geflogen und hütete jetzt als Hippie in den Pyrenäen Schafe. Oder Ziegen. Und Spangenburger hatte schlimme Sachen von der Guardia Civil erzählt, insbesondere was sie so mit Mädchen machen würden. In dem gleichen Brief, in dem er Anette und ihre Cousine zu sich eingeladen hatte.

      »Wenn es dir zu doof wird, kommst du nach Lacanau«, flüsterte Appaz dicht an Anettes Ohr, »oder wir holen dich …«

      Er versuchte, seine Hand unter ihren Wickelrock zu schieben. Aber Anette wollte immer noch nicht.

      2

      Als Appaz zu Kerschkamp kam, lag noch dicker Nebel über den Feldern. Kerschkamp hatte trotzdem schon die Sonnenbrille auf.

      Hinten im Bus hatten sie eine Holzplatte eingebaut, bis zur Lehne der mittleren Sitzbank. Wenn man sich diagonal legte, reichte es gerade so als Schlafplatz. Kerschkamp klopfte sein Kopfkissen zurecht und haute sich hin. Strampelte mit den Beinen und schrie: »Yippiiieh!«

      Lepcke stand schon mit seinem ganzen Zeug an der Straße und wartete. Er hatte die Kiste mit dem Campinggeschirr dabei und einen Karton voll Tütensuppen. Das Zelt war immer noch nass. Sie hängten es, so gut es ging, über die Lehne der Rückbank. Lepcke kletterte auf den Beifahrersitz.

      Der Ami erzählte ihnen zur Begrüßung, dass er die ganze Nacht geträumt habe, er würde rote Würmer auskotzen.

      Ratte pennte noch. Seine Mutter schickte sie hoch in sein Zimmer. Die Rollläden waren heruntergelassen. Es stank, wie es nur bei Ratte stinken konnte. Ratte hatte mal gesagt, das würde an seinem Bruder liegen, der die ganze Nacht über furzte. Was von dem Essen in der Bundeswehrkantine käme.

      »Los, Alter, aufstehen!«, brüllte Kerschkamp.

      Ratte fuhr schlaftrunken hoch. Rattes Bruder drehte sich auf die Seite und schnarchte weiter. Hinter Ratte konnte Appaz eine nackte Schulter erkennen und lange, blonde Haare. Sabine! Als Ratte ihr den olivgrünen Bundeswehrschlafsack wegzog, rollte sie sich murrend in das zusammengeknüllte Laken. Appaz und die beiden anderen konnten sehen, dass sie goldfarbene Riemchensandalen anhatte. Mit bleistiftdünnen Absätzen.

      Lepcke guckte schnell woanders hin.

      Ratte streifte sich sein altes T-Shirt über und stieg in die Jeans, die so eng waren, dass sein Hintern aussah wie ein Entenarsch. Sie halfen ihm, die Kiste mit den Konservendosen nach unten zu bringen.

      »Nudeln in Tomatensoße«, sagte Ratte, »und Corned Beef und so’n Zeug.«

      Auf der Kiste stand in sauberen Blockbuchstaben: NOTRATIONEN. EIGENTUM DER BUNDES-WEHR.

      Der Ami hatte es sich inzwischen mit Kerschkamps Kopfkissen bequem gemacht und las ein Buch. Steppenwolf von Hermann Hesse.

      Ratte guckte Appaz fragend an.

      »Hä, was soll das denn? Wieso ist der denn da …?«

      »Hi!«, ließ sich der Ami vernehmen und blätterte die Seite um.

      »Scheiße«, sagte Kerschkamp, »habe ich ja ganz vergessen dir zu erzählen. Er kommt für Hansi mit.«

      »Ist doch gut«, sagte Lepcke. »Und außerdem hat er einen Führerschein.«

      Ratte zuckte nur mit den Schultern.

      Auf dem Weg zur Autobahn hielten sie an der Shell-Tankstelle. Der Tankwart konnte sich noch an Appaz erinnern, weil er vorgestern schon mal bei ihm getankt hatte. Für vier Mark, mehr hatte er nicht dabeigehabt. Diesmal tankten sie voll. Lepcke kontrollierte die Luft.

      »Große Fahrt, was?«, fragte der Tankwart, während er mit dem Leder über die Windschutzscheibe wischte.

      »Heavy Tour«, sagte Kerschkamp.

      Dann waren sie auf der Autobahn. Der Bus lief fünfundneunzig. Hundert. Appaz versuchte, das Gaspedal nicht ganz bis zum Anschlag durchzutreten. Zur Hildesheimer Börde hoch sackte die Tachonadel auf siebzig. Appaz schaltete in den dritten Gang zurück.

      Lepcke hockte neben ihm, mit einer Europakarte auf den Knien. Im Rückspiegel konnte er Ratte sehen, der gerade versuchte, Kerschkamps Kassettenrecorder in Gang zu setzen. Kerschkamp holte einen Stapel Kassetten aus seinem Seesack. Der Ami las immer noch Hermann Hesse.

      »Was wollt ihr hören, Leute?«, fragte Kerschkamp.

      Sie einigten sich auf Zappa, Overnite Sensation. Camarillo Brillo. She had a snake for a pet, and an amulet…

      Kerschkamp sang mit. Ratte fummelte am Spannungswandler, bis die Kassette nicht mehr eierte. Trotzdem blieb der Klang beschissen, blechern und ohne jeden Bass. Aber der Motor dröhnte ohnehin so laut, dass man kaum was hörte.

      »She had grey-green skin, a doll with a pin, I told her she was alright, but I couldn’t come i-in«, sang Kerschkamp begeistert, »actually I was very busy then …«

      Lepcke war der Erste, der pinkeln musste.

      »Vergiss es«, sagte Ratte, »wenn du jetzt pinkelst, dann musst du alle fünf Minuten. Du musst dir das erste Mal verkneifen, das ist es.«

      »He, Leute, kennt ihr das?«, brüllte Kerschkamp, »dass man nicht bumsen kann, wenn man pinkeln muss, kennt ihr das?«

      Sie hielten auf irgendeinem Parkplatz.

      Kerschkamp stellte sich breitbeinig neben Lepcke.

      Ratte packte die Brote aus, die ihm seine Mutter geschmiert

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