1975. Wolfram Hanel

Чтение книги онлайн.

Читать онлайн книгу 1975 - Wolfram Hanel страница 7

Автор:
Серия:
Издательство:
1975 - Wolfram  Hanel

Скачать книгу

Tanken auf eine Raststätte einbogen, fragte Appaz den Ami, ob er weiterfahren wolle.

      »Klar«, sagte der Ami und kletterte hinters Lenkrad.

      »Sag ich doch«, sagte Lepcke, »ist doch besser so, wenigstens noch einer mit Führerschein …«

      Appaz verzog sich nach hinten auf die Schlafsäcke.

      Der Ami fuhr nicht schlecht. Appaz lag noch eine Weile einfach nur so da und starrte an die Decke. Der Motor dröhnte leise vor sich hin.

      Ratte hatte sich den Kassettenrecorder halb unter den Kopf geschoben und hörte Ton Steine Scherben. Ich will nicht werden, was mein Alter ist …

      Rattes Vater war vor ein paar Jahren gestorben.

      Aber das spielte keine Rolle, es ging nicht um Rattes Vater. Du musst arbeiten, du musst schuften, so wie ich, sang Rio Reiser. Darum ging es. Dass ihnen keiner sagte, was sie zu tun hätten.

      Als Appaz wach wurde, waren sie schon irgendwo hinter Saarbrücken. Kurz vor der Grenze nach Frankreich tankten sie wieder. Appaz tauschte den Platz mit dem Ami.

      Als er das Seitenfenster zurückschob, um dem Zöllner ihre Pässe hinzuhalten, wusste er schon, dass es Ärger geben würde.

      Ratte hatte den Kassettenrecorder auf volle Lautstärke gestellt. Immer noch Ton Steine Scherben. Macht kaputt, was euch kaputt macht. Der Zöllner verschwand mit ihren Pässen in seiner Bude. Es dauerte. Kerschkamp rauchte.

      »He, Mann, was wird das denn?«, fragte Lepcke von hinten. Er trommelte mit den Fingern nervös auf der Rückenlehne. Sein Kopf war knallrot, und auf seiner Stirn glänzten dicke Schweißperlen.

      »Komm runter, Alter«, sagte Kerschkamp und zog in Sekundenabständen an seiner Kippe.

      Ein anderer Zöllner kam aus der Bude und winkte sie auf einen Parkplatz neben der Fahrbahn. Sie sollten aussteigen. Appaz stellte den Motor ab.

      Der Ami tat so, als hätte er nichts mitgekriegt. Im nächsten Moment waren die Bullen da. Junge Typen, kaum älter als sie selbst. Zwei von ihnen hatten eine Maschinenpistole. Sie rissen die Heckklappe auf und zerrten den Ami vom Bett. Der Steppenwolf klatschte mit aufgeschlagenen Seiten zu Boden.

      Sie mussten sich breitbeinig an der Seite des Busses aufstellen, die Arme ausgestreckt, die Hände gegen die Scheiben gedrückt.

      Als die Bullen sie abtasteten, fing der Ami an zu kichern.

      »Scharfe Nummer«, meinte Ratte halblaut, »muss ich mir für Sabine merken …« Aber seine Stimme klang anders als sonst, irgendwie dünner und höher.

      Der Ami hatte ein Messer in einer Lederscheide am Gürtel hängen.

      Was das sei, wollte einer der Bullen wissen.

      Der Ami kicherte.

      Appaz fragte, ob Messer seit neuestem verboten seien.

      »Nein«, sagte der Bulle, »nicht, wenn man sie nur zum Brotschneiden benutzt.«

      Der Ami kicherte schon wieder.

      Appaz wusste nicht, was er antworten sollte.

      Der Bulle beugte sich zwischen Appaz und Ratte hindurch und zog Rattes funkelnagelneue Reisetasche unter der Sitzbank hervor. Machte den Reißverschluss auf und wühlte mit einer Hand eher halbherzig zwischen Rattes Unterhosen. Bis er eine eingeschweißte Packung Leberkäse in die Finger bekam. Die Packung war von innen beschlagen, der Leberkäse schimmerte grünlich-grau durch das Schwitzwasser.

      »Herta«, ließ sich Ratte vernehmen, »billig und gut.«

      Angewidert zog der Bulle die Hand zurück. Aus den Augenwinkeln sah Appaz, wie der Zöllner mit ihren Pässen zurückkam. Er zuckte mit der Schulter und nickte. Die Bullen nahmen ihre Maschinenpistolen runter. Sie durften sich wieder normal hinstellen und bekamen die Pässe ausgehändigt.

      »Und was sollte das Ganze jetzt?«, fragte Ratte. »Ich meine, das ist doch echt Scheiße, Mann …«

      »Halt’s Maul«, zischte Kerschkamp.

      »Routinekontrolle«, sagte der Bulle. Im Umdrehen trat er mit dem Stiefel wie aus Versehen gegen den hinteren Reifen. Die Stoßstange schepperte. Der Bulle bückte sich, um einen Blick auf das Reifenprofil zu werfen. Der Reifen war fast neu.

      Ohne ein weiteres Wort zog der Bulle ab. Die Maschinenpistolen-Knechte hinter ihm her.

      Der Zöllner wünschte ihnen eine gute Weiterfahrt.

      Sie kletterten zurück in den Bus. Als Appaz die Kupplung trat, merkte er, dass ihm die Knie zitterten.

      »Dein Leberkäse hat es voll gebracht«, sagte Kerschkamp grinsend nach hinten zu Ratte. »Guter Trick! Wenn du Dope schmuggeln willst, packst du einfach jede Menge gammligen Leberkäse oben drauf.«

      »Ist nicht gammlig«, sagte Ratte, »ist bei meiner Mutter aus dem Kühlschrank.«

      »Genau das meine ich«, sagte Kerschkamp.

      »Hä?«, machte Ratte.

      »Was glaubt ihr, was haben die gesucht?«, mischte sich Lepcke ein.

      »Irgendwen von der RAF, Terroristenfahndung«, sagte Appaz.

      »Klar«, meinte Kerschkamp, »ist doch bekannt, dass die mit alten VW-Bussen rumfahren, deshalb. Echt«, setzte er hinzu, »die Bullen sind so doof, ist doch klar, dass die keinen kriegen. Die müssen Opel und Ford kontrollieren und so, da sitzen die Terroristen drin.«

      »VW-Passat«, sagte Lepcke. »Audi 80 und so.«

      »Genau«, nickte Kerschkamp. »Die Biedermannautos. Aber immer mit der größten Maschine, die es gibt. Von wegen Fluchtauto und so, damit sie schnell wegkommen.«

      »Alles Faschisten, die Bullen«, erklärte Ratte und drehte den Kassettenrecorder wieder auf volle Lautstärke: Wir müssen hier raus, das ist die Hölle. Wir leben im Zuchthaus. Wir sind geboren, um frei zu sein, wir sind zwei von Millionen, wir sind nicht allein …

      Für einen Moment grölten sie alle mit. Bis auf den Ami. Appaz konnte im Rückspiegel beobachten, wie er mit den Fingern an der alten Hängematte zupfte, die sie hinten quer als Gepäcknetz gespannt hatten.

      »Irgendwo in Hessen haben sie neulich einen erschossen«, brüllte Kerschkamp gegen die Musik an, »einfach so. Genauso Typen wie bei uns eben, mit Maschinenpistolen. Bei einer Verkehrskontrolle. Der Typ fasst ins Handschuhfach, weil er da seine Papiere drin hat, aber die denken, er will eine Waffe rausholen oder so, und zack!, halten sie voll drauf, und das war’s.«

      »Faschisten, sag ich doch«, brüllte Ratte zurück.

      »Voll der Polizeistaat«, meinte Kerschkamp. Um gleich darauf hinzuzusetzen: »Dabei fällt mir übrigens gerade Tietemann wieder ein, wisst ihr eigentlich, dass der irgendwelche Informationen weitergibt, über Schüler, meine ich, und zwar an den Verfassungsschutz!«

      Tietemann war Lehrer an ihrer Schule. Er zeichnete sich vor allem dadurch aus, dass er die Namen seiner Schüler kurzerhand durch »Rindvieh« oder

Скачать книгу