Natürlich heilen mit Bakterien - eBook. Anne Katharina Zschocke

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anfälliger für mikrobielle Störungen geworden sind, wird auf Seite 84ff. noch weiter ausgeführt.

      Dass alles in allem Widersprüche in der bakteriellen Forschung fahrlässig gedeutet wurden, bemerkte bereits Friedrich Sander, praktischer Arzt in Barmen, im Jahr 1875 (!) in einem Aufsatz in der Deutschen Medizinischen Wochenschrift: »Die zweite Thatsache, welche mit der Bakterientheorie sich schwer vereinigen lässt, ist das Vorkommen massenhafter Vegetationen [Bakterien] im gesunden menschlichen Körper und bei nicht infectiösen Krankheiten … Man hat dieser zweiten Thatsache gegenüber sich mit der Ausrede zu helfen versucht, es gebe zwei Sorten von Bakterien: harmlose und gefährliche.«27

      Weil er das damals ebenfalls erkannte, schluckte der Hygieneprofessor Max von Pettenkofer (1818–1901) demonstrativ am 7. Oktober 1892 eine Portion Cholera-Vibrionen, tatsächlich ohne dadurch an der Cholera zu erkranken. Er wollte damit beweisen, dass Bakterien alleine keine Krankheitserzeuger sind. Leider glaubte man auch seinen Ausführungen nicht.

      Mikroskopiert man Bakterien, insbesondere solche, die im Labor herangezüchtet wurden, gelten die Ergebnisse ehrlicherweise nur für das Leben im Labor. Man sieht dort etwas anderes als im ursprünglichen Lebensraum. Genau dies wurde jedoch bisher nicht bedacht. Man würde ja auch Eichen nicht allgemein danach beurteilen, wie eine einzelne erscheint, wenn sie in einem Wohnzimmertopf wächst. Aus einer solchen einsamen Eiche, die sich weder entfalten könnte noch befruchtet würde oder Eicheln trüge, auf deren Äste keine Vögel sängen, die keine Wurzelkontakte zu anderen Bäumen pflegen könnte, würde man ja auch keine Rückschlüsse auf einen Eichenwald ziehen. Logischerweise kann eine Analyse von Lebendigem, das aus seinem Zusammenhang gerissen wurde, keine Aussage über das nicht mehr vorhandene Zusammenleben machen. Eine einzelne Kuh im Stall kann beobachtet werden, und man kann ihr Verhalten erkunden, während man sie beobachtet. Aber damit weiß man noch lange nicht, wie sie sich verhalten würde, sobald sie in einer Herde wäre. Man kann es sich höchstens in seiner Fantasie vorstellen. Und genau das hat man mit den Bakterien getan. Bei der Mikrobiologie im 19. Jahrhundert flossen Beobachtungen und menschliche Vorstellungen so unbemerkt ineinander, dass bis heute fraglos an den alten Irrtümern festgehalten wird.

      Man ging obendrein damals davon aus, dass die Bakterien, die man durch Anzüchten auf einer Platte fand, alle Bakterien waren, die in dem betreffenden Lebensraum vorkamen. Es fehlte gänzlich die Bescheidenheit, zu denken, dass dies nur ein winziger Ausschnitt der Wirklichkeit sein könnte. So irrte man gewaltig. Mittlerweile geht man davon aus, dass vielleicht ein winzig kleiner, unter ein Prozent betragender Ausschnitt der Einzeller eines Lebensraums »kultivierbar« ist. Selbst die anderen, kürzlich mit neuen Methoden entdeckten Einzeller, die man »nicht kultivierbare« Mikroorganismen nennt, stellen mit großer Wahrscheinlichkeit noch immer nicht alles dar, was es gibt. Wer weiß, was wir in weiteren Jahrzehnten noch entdecken. Man hat also ausgehend von einer winzigen Zahl von Bakterien leichthin auf das ganze Leben geschlossen, ohne zu bemerken, welche Fehldeutungen damit einhergingen.

      In jener Zeit der Industrialisierung und Technisierung wurde es üblich, mit einzelnen Teilen der Welt zu hantieren, als seien es Bausteine, aus denen sich das Leben beliebig kombinieren ließe. Man dachte sich den menschlichen Körper aus vielen Organen zusammengesetzt, die aus vielen Zellen bestehen. Diese teilte man später in ihre kleinen Elemente bis in abgeteilte Gene als Bausteine der Erbinformation, mit denen schließlich heute biotechnologische Genmanipulation betrieben wird. In der weiteren Entwicklung verlor man das Miteinander bei Einzeller und Mensch völlig aus dem Blick. Man dachte, der Mensch könne nur überleben, wenn er sich vor Bakterien schützt. Diese Vorstellung ging mit einer allgemeinen Entfremdung vom Zusammenleben mit der Natur einher, die der schleichende Verlust bäuerlicher Landwirtschaft und die fortschreitende Industrialisierung mit sich brachten. Gespeist wurde dies wie gesagt aus einem Geist der Trennung, untermalt von der Idee des Kampfs aller Teile um ein Überleben ihrer selbst.

      Dieses Denkmodell und Menschenbild ist noch immer weit verbreitet, obwohl es längst überholt ist. Gute Hygiene, so folgte aus dieser Idee, besteht in weitgehender Befreiung des Lebens von Bakterien. Daraufhin setzte sich der Glaubenssatz »Steril ist gesund« in den Köpfen und Handlungen der allermeisten Menschen fest.

      Dieses im 19. Jahrhundert entstandene Lebensbild von Bakterien ist ein mit großer Tragweite für die Weltgesundheit entstandener Irrtum mit unerfassbaren Folgen für das Leben und die Zukunft der gesamten Erde.

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