Natürlich heilen mit Bakterien - eBook. Anne Katharina Zschocke

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des Miteinanders ist.

      Um eine therapeutische Wirkung zu erzielen, mussten die ausfindig gemachten Substanzen labortechnisch gereinigt und stark angereichert werden. Dazu züchtete man die »Produzenten«stämme im Labor in speziellen Nährlösungen und manipulierte sie auch zwecks größerer Ausbeute. Schließlich konnte man einzelne Substanzen chemisch verändern, woraus die »halbsynthetischen« Antibiotika entstanden. Der Eingriff in das Zwischenzell-Leben wurde dadurch noch entfremdender.

      Man merkte zwar sehr deutlich, dass der Einsatz von Mitteln, die im Körper auf Bakterien zielen, für den Patienten von Gefahren begleitetwar, viele Nebenwirkungen hatte und keine echte Stärkung des Kranken bedeutete. Todesfälle unter den so Behandelten und das Auftreten von Bakterienresistenzen riefen früh schon Kritiker wach. Das allein reichte jedoch nicht aus, um die Bakterienbekämpfung an sich zu hinterfragen.

      Diese Form der »Unterhaltung«, die der Mensch mit den Bakterien eines kranken Körpers mit ursprünglich bakteriellen Botenstoffen pflegt, ist ziemlich barbarisch. Bedenkt man, dass sowohl Einzeller untereinander (siehe Seite 66ff.) als auch mit Körperzellen (siehe Seite 80ff.) ständig über Signale in Kontakt stehen, ist klar, dass dies von den Zellen beantwortet wird.

      Mit der Zeit wurde das »Antibiotikum« zum Inbegriff des Beseitigungsmedikaments. Allen Widersprüchen, Nebenwirkungen und Resistenzen zum Trotz erhielt es eine positive Bedeutung und galt bis in die sechziger Jahre hinein als das »Wunder«mittel schlechthin. Keine andere Medikamentengruppe wurde so emotional besetzt. Es erschien wie gesagt als das Mittel zur Rettung der Menschheit. Das erklärt auch, warum ihr Einsatz sich nicht auf die Medizin beschränkte, sondern es zu einer einzigartigen Entwicklung kommt, nämlich dass etwas, was als Medikament für ernsthaft Erkrankte entwickelt wurde, schließlich zu einem Konzept wird, das den gewöhnlichen und gesunden Alltag der Menschen tränkt. »Antimikrobiell« klingt in den Ohren der meisten Menschen gleichlautend mit »gesund«. Wobei bei der Werbung mit »antimikrobieller Wirkung« nicht einmal nachgewiesen werden muss, dass dieser Effekt auch tatsächlich eintritt.52

      Massen von Konsumartikeln werden trotzdem antibiotisch präpariert, ob Tennissocke, Computertastatur oder Kühlschrank, von Bettzeug über Handseife bis zu Zimmerfarben. Man muss mittlerweile schon gründlich suchen, um Einlegesohlen zu finden, die nicht antibakteriell imprägniert wurden. Duschschläuche, Schneidebretter, Kinderspielzeug, sogar Besteck und Geschirr gibt es »antimikrobiell«. Kaum ein Lebensbereich wird davon ausgespart. Im Jahr 2016 waren in Deutschland mehr als 30 000 »Biozid«-Produkte zugelassen, im Jahr 2009 waren es noch 18 000.53 Sie werden damit beworben, dass sie »befreien«, »abhalten«, »beseitigen«, »schützen« und »hygienisch« seien und »ein gutes Gefühl« geben. Alles positive Aspekte, die jeder Mensch sich wünscht. Leider am falschen Platz, denn beim pauschalen Beseitigen von Bakterien ist genau das Gegenteil der Fall, wie wir noch sehen werden.

      Das gilt auch für den überflüssigen Ersatz des gründlichen Händewaschens mit Seife durch Handdesinfektion. Der Gesamtverbrauch an Händedesinfektionsmitteln stieg bei tausend Kliniken, die in Deutschland dafür registriert wurden, von 2008 bis 2015 um 81 Prozent, »ein positiver Trend, den es«, so die verantwortliche Professorin, »zu halten und weiter zu steigern gilt«.54 So klafft die Schere zwischen dem Wissen um Bakterien und falsch verstandener Hygiene immer weiter auseinander. Der Einsatz von Desinfektionsmitteln im Haushalt ist völlig überflüssig.55 Hygienisch ist nicht die Beseitigung der Bakterien aus einem Lebensraum. Hygienisch ist die passende Bakterienvielfalt und -mischung mit ihrer gesunden Aktivität und Kommunikation am jeweiligen Ort.

      Mittlerweile wird der Begriff »antimikrobiell« derart grob verallgemeinert, dass schier alles damit gemeint ist, was irgendwie die Bakterienzusammensetzung irgendwo in einem Lebensraum verändert. Als sei dies von besonderem Wert, heißt es nun im Zusammenhang mit allem Möglichen stolz, es wirke auch »antimikrobiell«. Küchengewürze, Gartenpflanzen, Edelsteine, Öle, Textilfasern, Schlafanzüge,Schmuck – oft sind es sogar Naturprodukte, die jetzt durch solch eine Brille fokussiert werden. Mit Buchtiteln wie Antibiotika aus der Natur wird unterstellt, in der Natur gäbe es einen Kampf gegen das Leben. Was für ein Unfug angesichts der Tatsache, dass Leben immer aus seinem lebenspendenden Ursprung heraus und im Miteinander lebt! Oft genug findet man in solchen Büchern bloß Auflistungen von allerlei Heilmitteln aus der Natur. Als sei, was heilt, automatisch »keimtötend«, ein Begriff, der dabei meist völlig aus der Luft gegriffen und gänzlich unwissenschaftlich verwendet wird. Vollkommen unbedacht wird dabei der Natur im aktuellen 21. Jahrhundert noch einmal neu das aus der Entfremdung von der Natur im 19. Jahrhundert entstandene Denkkonstrukt übergestülpt.

      Vor den Hintergrund, dass in der Natur alles miteinander lebt, kooperiert und es dabei Kommunikation und Regulation gibt, muten solche Bezeichnungen geradezu grotesk an. Nicht jede Fähigkeit eines Stoffes, zu wirken, selbst wenn sie eine Bakterienbesiedelung beeinflusst, ist mit einer »Bekämpfung« gleichzusetzen. Jede Veränderung eines Milieus bringt veränderte Lebensbedingungen mit sich, denen eine gewandelte Bakterienzusammensetzung folgt. Das ist Lebensgesetz. Wenn eine Pfütze austrocknet und da, wo vorher Wasserläufer und Mückenlarven lebten, Gras wächst, auf dem Marienkäfer krabbeln, würde ja auch niemand behaupten, die Marienkäfer hätten die Mückenlarven bekämpft. Oder wenn ein ausgetrockneter Gartenteich, in dem sich Ameisen und Spinnen tummeln, wieder mit Wasser gefüllt wird und sich dann Kaulquappen und Fische darin finden, käme auch niemand auf die Idee zu sagen, die Kaulquappen hätten die Spinnen bekämpft.

      Genauso wenig »kämpfen« Heilmittel. Die Verwendung von Heilpflanzen und Heilsteinen unterscheidet sich grundlegend vom Einsatz der »Antibiotika«. Erstere beeinträchtigen die natürliche Bakterienbesiedelung nicht, während sie das Milieu regulieren. Das jedoch ist bei Letzteren in schwerwiegender Weise der Fall.

      Nimmt ein Mensch ein Antibiotikum, verändern sich in seinem ganzen Körper Bakterienzusammensetzung und -aktivität. Es kommt zu einem individuell unterschiedlich stark ausgeprägten Mikrobiomschock. Diese Veränderung ist unwiderruflich. Wissenschaftliche Studien zur Veränderung des Darmmikrobioms nach Antibiotikagabezeigen übereinstimmend, dass direkt nach der Einnahme des Mittels, egal ob örtlich aufgetragen, eingenommen oder intravenös gespritzt, die Anzahl der Bakterien abnimmt, und zwar im gesamten Körper. Nutzt man also an Zähnen ein Antibiotikum, kann dies die Vaginalflora verändern. Antibiotische Vaginalzäpfchen können die Mundflora verändern. Auch die Zahl der verschiedenen Bakterienarten nimmt dabei ab, zum Beispiel um 50 Prozent im Darm.56

      Dabei wird die Zusammensetzung der Bakterienarten im Mikrobiom verschoben, und einige Stämme verschwinden. Sie werden vielleicht durch andere ersetzt. Die Verhältnisse der verschiedenen Arten untereinander

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