Natürlich heilen mit Bakterien - eBook. Anne Katharina Zschocke

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      Probiotika

      Was wir heute »Probiotika« nennen, übersetzt »für das Leben«, entspringt einer Entwicklung, die bereits lange vor der Erfindung der Antibiotika begann. Es war ja eine Zeitlang ungewiss, was Bakterien im Menschen denn wirklich zu suchen hatten.

      Ab 1890 war die Idee des Tötens von Bakterien zur Beseitigung von Krankheiten zwar insgesamt vorherrschend, jedoch widmeten viele Forscher bis zum Beginn der Sulfonamidtherapie 1935 ihre Arbeit weiterhin den allgemeinen Fragen zum Bakterienleben. Etliche von ihnen beschäftigten sich mit ihrer Wirkung als »Autovaccine«, die das Immunsystem gegen Krankheiten stärken sollten (siehe Seite 186ff.). Man sammelte viele Erkenntnisse über das Mikrobiom, die dann über die Antibiotika-Ära wieder in Vergessenheit gerieten.

      Am einfachsten waren beim Menschen dabei Versuche mit Bakterien aus dem Darm, weil man sie aus Stuhl bequem gewinnen konnte. Bis heute wird bevorzugt an Stuhlproben geforscht, obwohl diese in Wirklichkeit bloß einen Teil der Darmbakterien erfassen. Vielleicht auch, weil sich im Darm die größte bislang gefundene Bakteriendichte im Menschen versammelt findet.

      Man stellte sich damals eine »Darmintoxikation« vor, eine Vergiftung, die aus dem Darminneren sich in den ganzen Körper auswirkte. Dafür machte man »Fäulnisbakterien« verantwortlich. Dass eine solche Vorstellung nicht ganz unberechtigt war, erweist sich heute, allerdings genau andersherum: nicht wegen der Bakterien, sondern bei ihrem Mangel. Bei Mikrobiomstörungen mit einer zu großen Durchlässigkeit der Darmschleimhaut (Leaky Gut, siehe Seite 119f.) gelangen Stoffe ungefiltert direkt in Blut und Leber und »vergiften« von da aus tatsächlich den restlichen Organismus.

      Als der bulgarische Medizinstudent Stamen Grigorow (1878–1945) Sauermilch zum Studium mit an die Universität nach Genf nahm, ahnte er nicht, dass er damit Geschichte schreiben würde. Er mikroskopierte sie und entdeckte im Jahr 1905 Bakterien darin, die später Bacillus bulgaricus genannt wurden, heute Lactobacillus delbrueckii subspecies bulgaricus. Davon schrieb sein Institutsleiter Dr. Massot dem Nachfolger von Louis Pasteur an dessen berühmtem Institut in Paris, Elias Metschnikow (1845–1916).78 Metschnikow hatte jahrzehntelang versucht,den Darm beim lebenden Menschen zu desinfizieren, um ihn völlig von diesen Bakterien zu befreien, die offensichtlich bloß das Leben verkürzten.79 Nun hatte eine Umfrage durch ihn ergeben, dass in Bulgarien die meisten Hundertjährigen Europas lebten.80 Als er nun von den bulgarischen Bakterien hörte, führte Metschnikow das hohe Alter der Bulgaren auf ihren regelmäßigen Verzehr der dortigen Sauermilch zurück. Zwar aß man damals dort natürlich genauso milchsauer fermentierte Gemüse und lebte vielleicht auch ansonsten gesund, doch darüber sprach man gerade nicht. Jedenfalls vollzog Metschnikow eine gedankliche Kehrtwende und empfahl fortan »Joghurt« zur Förderung der Gesundheit und Verlängerung des Lebens. Da er just im Jahr der Nobelpreisverleihung für seine Entdeckung von Fress-Immunzellen (Phagozyten), 1908, seine Gedanken über gesunde Lebensweise veröffentlichte, fanden sie große Verbreitung. Und Bulgarien wurde um ein nationales Wahrzeichen reicher.

      Der im nördlichen Europa bis dato unbekannte »Joghurt« mit Lactobacillus bulgaricus wurde ab 1919 als Heilmittel für kindliche Durchfälle in Apotheken – zunächst in Spanien – vertrieben, und sein guter Ruf als förderliche Bakterienkur für den Darm nahm seinen Lauf. Da Joghurt jedoch nicht als Medikament, sondern als Lebensmittel galt, wurde seine Wirkung als Heilmittel gleicherweise angezweifelt. Ernährung und Heilmittel wurden spätestens seit damals als zweierlei verschiedene Dinge angesehen, was es absurderweise bis heute möglich macht, sich ungesund zu ernähren und dann Medikamente für die Gesundheit zu schlucken.

      Sicherlich ist der Zweifel bei der modernen industriellen Herstellung von Joghurt, der womöglich mit gentechnisch manipulierten Bakterien kultiviert wurde, vollkommen berechtigt. Wissenschaftliche Studien bestätigen jedoch grundsätzlich, dass sein Verzehr das bakterielle Leben im Darm unterstützt. Er senkte zum Beispiel das Durchfallrisiko bei Patienten, die Antibiotika schluckten, um 57 Prozent.81

      Ging es Elias Metschnikow überwiegend um die Verlängerung des Lebens, erforschten damals andere Wissenschaftler die »Antagonismen«, also die Wechselwirkungen zwischen den Bakterien oder ihre Wirkung auf den Körper. Sie erkannten deren Bedeutung für die Gesundheit. Es wurden auch viele erfolgreiche Heilungswege mit Bakterien entwickelt (siehe Seite 172ff.), die aber bald durch die Dominanz der Antibiotika verdrängt wurden.

      Der Stamm E. coli Nißle 1917 ist seither weltberühmt. Er ist in der Deutschen Sammlung für Mikroorganismen in Braunschweig für den allgemeinen Gebrauch hinterlegt, wird beständig weitervermehrt und ist in etlichen modernen probiotischen Mitteln enthalten. Er ist ein treuer Begleiter der Menschen geworden.

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