Natürlich heilen mit Bakterien - eBook. Anne Katharina Zschocke

Чтение книги онлайн.

Читать онлайн книгу Natürlich heilen mit Bakterien - eBook - Anne Katharina Zschocke страница 13

Серия:
Издательство:
Natürlich heilen mit Bakterien - eBook - Anne Katharina Zschocke

Скачать книгу

dass die Information für Antibiotikaresistenzen bereits in den Genen von Bakterien prähistorischer Funde liegt. Die Möglichkeit zur Neutralisierung von Signalbotenstoffen, also auch der Antibiotika, gehört nämlich zum natürlichen Repertoire der Bakterien. Die Information dazu befindet sich meist auf kleinen Genstücken gespeichert, die man »Plasmide« nennt und die frei im Zellinneren liegen. Anders als das Chromosom der Bakterien können diese Plasmide beliebig untereinander ausgetauscht und auch einfach in die Umgebung abgegeben werden. Es gibt Resistenzplasmide für Enzyme, die bereits mehr als zwei Millionen Jahre alt sind66 und seit Millionen von Jahren unter Bakterien ausgetauscht werden. AndereResistenzgene fand man in rund 30 000 Jahre alten Sedimenten im Permafrost des Beringmeeres.67 Auch Ötzi, die 5000 Jahre alte Gletscherleiche, trug bakterielle Resistenzgene im Darm.

      Was wir also Resistenz nennen, ist in Wirklichkeit keine Neuerrungenschaft, vielmehr die natürliche Fähigkeit von Einzellern, ihre Kommunikation fein zu regulieren. Nur, dass nun auf zu viele Botenstoffe eine entsprechend große Regulation erfolgt. Es ist nachvollziehbar, dass ein Botenstoff, nachdem er seine Wirkung gezeigt hat, ja irgendwie neutralisiert werden muss. Dass das unserer Absicht zuwiderläuft, Bakterien zu behindern, und dass wir es folglich »Resistenz« nennen, ist bloß die einseitige Sicht der menschlichen Idee von Bekämpfung und Widerstand.

      Solange Antibiotika noch natürlichen Ursprungs waren, wurde vorhandene Resistenzfähigkeit in Bakterien einfach aktiviert. Durch die Entwicklung künstlicher Antibiotika entstanden dann zusätzliche Mechanismen. Damit begegnen die Bakterien den Angriffen so, dass das Leben auf der Ebene der Kleinstlebewesen möglichst trotzdem bestehen bleiben kann. Nach obigem Bild des Megaphons schützen sich die Mikroben vor dem Übermaß an Lautstärke und machen die »Ohren« dicht – mit der Folge, dass sie dann untereinander und mit Körperzellen natürlich auch nicht mehr wie zuvor »reden« können. So führen Antibiotika über die aktivierten Resistenzen zu neuen Problemen. Das Übermaß an Resistenzen, das auf der Erde jetzt die Politiker alarmiert, ist der verzweifelte Versuch der Bakterien, auf unsere unmäßige Verwendung ihrer Signalbotenstoffe ausgleichend zugunsten der Rettung der Erde zu reagieren. Je mehr Antibiotika eingesetzt werden, desto mehr Resistenzaktivität wird es folglich geben. Jedenfalls, solange es Bakterien gibt.

      Seit Beginn der Antibiotika-Verwendung wurden Zigtausende Tonnen künstlich produziert und auf der Erde verteilt. Allein in den Jahren 2000 bis 2010 stieg der weltweite Antibiotikaverbrauch um 30 Prozent.68 Dabei wirkt beispielsweise Penicillin gegen Staphylokokken bereits in einer Verdünnung von 1 zu 84 Millionen!69 Über Mensch und Tier und Produkte werden 30 bis 90 Prozent der Wirkstoffe unverändert ausgeschieden,70 gelangen ins Abwasser und reichern sich in allen Lebensräumen an. Man hat Erdboden von heute mit archiviertem Boden vom Jahr 1940 verglichen und eine um mehr als 15 Prozent höhere Menge von Resistenzgenen im Vergleich zu früher gefunden. Wir haben die Erde in eine Resistenzhyperaktivität getrieben.71

      Am stärksten entwickeln sich Resistenzen dort, wo die meisten Antibiotika eingesetzt werden und wo am wenigsten gesunde Bakteriensind. Länder mit hohem Antibiotikaumsatz verzeichnen hohe Resistenzraten.72 Die Massentierhaltung mit Antibiotika führt zur massiven Resistenzgenentwicklung und zum Resistenzgenaustausch. In konventionellen Schweinemastställen fand man in Nasenabstrichen bei 92 Prozent der Tiere resistente Bakterien.73 Sie leben im Stallstaub, in der Nase der Landwirte, fliegen in die Umgebung und bleiben im verkauften Fleisch. Im Extremfall verschwinden normale, nicht resistente Bakterien völlig.74

      Beim einzelnen Menschen können sich diese Folgen antibiotikaresistent gewordener Bakterien auf vielfältige Weise äußern: Sei es in einer Schwächung des Immunsystems, in Verdauungs- oder Wundheilungsstörungen, in Erbrechen und Durchfällen bis zur Austrocknung, in Atemwegserkrankungen, Organversagen, massiven Entzündungen bis hin zur Blutvergiftung und zum Tod.

      In Krankenhäusern entstehen mehr Resistenzen als außerhalb von ihnen, was zur Bezeichnung »Krankenhauskeime« für resistente Bakterien dort geführt hat. Hunderttausende von Menschen jährlich werden in Deutschland damit neu besiedelt. Zehntausende sterben daran. Natürlich bleiben die Bakterien aber nie an einem Ort. Durch die Dichte antibiotikabehandelter Menschen und die vielen desinfizierenden Maßnahmen entwickeln sich allerdings in Krankenhäusern oft gleich mehrere Resistenzaktivitäten gleichzeitig. Weist ein Bakterium drei oder mehr davon auf, spricht man von »Multiresistenz«. Diese versucht man durch sogenannte »Reserveantibiotika« weiter zu bekämpfen. Wenn auch diese keine Wirkung mehr zeigen, weil die Bakterien entsprechend reagieren, ist die moderne akademische Medizin gegenüber Erkrankten buchstäblich hilflos.

      Ein großer Prozentsatz auch der gesunden Bevölkerung trägt die veränderten Resistenzgene unbemerkt in sich und überträgt sie durch Körperkontakt überallhin. Wird ein solcher Mensch krank, kann es sein, dass er nur viel mühsamer gesundet als jemand ohne sie.

      Bakterienmangel, Verlust an Bakterienvielfalt, Verzerrung der Mikrobiom-Gemeinschaft und Resistenzaktivierungen – die Folgen der Antibiotikaverwendung sind horrend. Die Zusatzkosten allein bei einem Kranken mit Antibiotikaresistenz beziffert man mit etwa 8850 bis 35 390 Euro pro Person. Dies summiert sich in den 43 OECD-Ländern bis zum Jahr 2050 auf geschätzte 2,5 Billionen Euro.75

      Bisher werden die Folgen der Resistenzaktivierung weltweit zwar als »Bedrohung« erkannt. Eine Mitteilung der britischen Regierung 2014 rechnet vor, dass bis zum Jahr 2050 jährlich weltweit zehn Millionen Menschen mehr als heute an resistenzaktivierten Bakterien sterben werden. Allein die rechnerische Verringerung des Bruttosozialproduktes durch das Vorhandensein von Resistenzen im Menschen würde dann mit fast 90 Billionen Euro mehr Geld kosten als das gesamte derzeitige Weltwirtschaftsvolumen.76

      In ihren Vorschlägen zur Verbesserung dieser Perspektive fehlt jedoch ausnahmslos allen – auch noch so ausführlichen – Strategiepapieren, Konzepten und Managementprogrammen, sei es der Regierungen, Gesundheitsorganisationen, Krankenkassen, Ärzteverbände oder anderen Initiativen, der wahre Weitblick. Denn um diese Spirale zu beenden, hilft nur eins: die Kommunikation zwischen Mensch und Mikrobe ab sofort wieder von jeglichen Tötungsabsichten vollständig zu befreien.

      Für eine wahre Heilung in dieser das Leben auf der Erde existenziell gefährdenden Situation nutzt es nämlich nichts, die Folgen der Ursache immer noch weiter zu bekämpfen. Das sagt schlichtweg der gesunde Menschenverstand: Wenn auf eine Aktion eine Reaktion folgt, und man reagiert darauf, indem man die Aktion verstärkt, wird darauf logischerweise eine stärkere Reaktion folgen. Zu hoffen, man könne die Aktion fortführen, ohne die Reaktion zu bewirken, ist illusorisch. Zu glauben, die Aktion müsse nur so stark werden, dass die Reaktion verschwindet, ist geradezu naiv. Die Ansicht, die Menschheit könne durch »verstärkte Anstrengung« das Problem bakterieller Resistenzen »in den Griff bekommen«, ist tatsächlich eine Anmaßung gegenüber dem Leben. Auf diese Weise können die Folgen mit Sicherheit nur noch dramatischer werden.

      Bereits vor vierzehn Jahren forderte die Weltgesundheitsorganisation WHO: »Mittlerweile hat das Problem überall auf der Welt ein kritisches Niveau erreicht. Es muss dringend etwas passieren.«77 Dieser Ruf ertönt derweil von den höchsten Stellen allüberall. Doch er verhallt in der Verharrung, denn das, was wirklich geschehen muss, wird immer noch nicht gesehen: Der einzige Ausweg aus all diesen existenzbedrohenden Problemen ist die Änderung der bisherigen Absicht von Bekämpfung durch den Menschen und stattdessen die Hinwendung zu einem friedlichen Miteinander mit den natürlichen Lebensgemeinschaften und Eigenschaften der Bakterien auf der Erde.

Скачать книгу