Lehrbuch der Psychotraumatologie. Gottfried Fischer

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Lehrbuch der Psychotraumatologie - Gottfried Fischer

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und Körperempfindungen, die assoziativ mit der traumatischen Situation vernetzt sind (Quadrant III). Ein funktionsfähiges Kontrollsystem aus → Coping- bzw. → Abwehrmechanismen kann verhindern, dass sich die Intrusionsphase in einen Zustand dauerhafter pathologischer Reizüberflutung verwandelt. Die Rückkopplungsschleife deutet in der Graphik den für die Traumareaktion und das PTBS charakteristischen biphasischen Wechsel von Verleugnung und Intrusion an. Das Durcharbeiten traumatischer Agenda wird möglich, wenn die Fähigkeit zur Selbstberuhigung so weit gestärkt ist, dass ein kontrolliertes Wiedererleben der traumatischen Situation möglich wird. Jetzt kann der in den kognitiv-emotionalen Schemata der Persönlichkeit organisierte Wissensbestand so weit umgearbeitet werden, dass die traumatische Erfahrung integriert wird. Die erschütterten Annahmen des Selbst- und Weltverständnisses werden in mühsamen Schritten qualitativ neu wieder aufgebaut.

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      Gegenüber dem Modell der traumatischen Reaktion nach Horowitz wurde kritisch eingewandt, dass nach der peritraumatischen Erfahrung, dem „Aufschrei“, nicht immer eine Phase der Verleugnung, sondern bisweilen intrusive Reizüberflutung zu beobachten sei (so etwa Brewin et al. 1996). Unseres Erachtens liegt hier ein Missverständnis vor. Die Phasenfolge entspricht einer erwartbaren Sequenz, die sich aus dem Streben des Organismus ergibt, anhaltende Panikzustände zu vermeiden und sie mit den verfügbaren Abwehrkräften zu beenden. Dass dieses Bestreben im Einzelfall scheitern kann aus Gründen, die in der Persönlichkeit liegen (z. B. Abwehrschwäche) oder in spezifischen Situationsfaktoren (etwa untergründiges Fortbestehen der traumatischen Situation), stellt keinen prinzipiellen Einwand gegen die Phasenfolge dar. Das Modell ist im Gegenteil klinisch insofern nützlich, als es dazu anhält, bei Abweichungen vom erwartbaren Verlauf nach Gründen zu forschen, die dafür verantwortlich sind.

      Das basale PTBS, wie es in DSM und ICD formuliert ist, erweist sich von der Dynamik der Traumareaktion her als Spezialfall des Verlaufsprozesses. Hier werden die Quadranten II und III gleichzeitig fixiert und weisen beide gleichzeitig pathologische Über- bzw. Untermodulationen auf. Symptombilder, die manifest nur durch eine der beiden Phasen bestimmt sind, fallen aus dem diagnostischen Algorithmus des PTSD bislang heraus, obwohl sie zweifellos zum Traumaspektrum gehören. Daher sollte sich auch die psychotraumatologische → Diagnostik an der dynamischen Gestalt der Traumareaktion sowie der übergreifenden Verlaufsgestalt von Situation, Reaktion und Prozess traumatischer Erlebnisverarbeitung orientieren.

      Das biphasische Modell der traumatischen Reaktion mit seiner Schaukelbewegung von Intrusion und Verleugnung lässt Mechanismen erkennen, mit denen das überforderte bzw. verletzte biopsychische System die Beeinträchtigung zu überwinden versucht. In körperbezogener Analogie ausgedrückt, stellt es einen „Wundheilungsmechanismus“ der verletzten Psyche dar. Wie das Situationskreismodell in Bezug auf das peritraumatische Erleben eröffnet es einen ersten Zugang zum psychobiologischen Sinn verschiedener psychotraumatologischer Symptome und Syndrome. Diese lassen sich als „Entgleisung“ von Phasen eines natürlichen Selbstheilungsprozesses oder als Fixierung dieser Phasen verstehen.

      Der Verarbeitungszyklus kann in jeder Phase entgleisen oder „einfrieren“. Unter welchen näheren Bedingungen dies geschieht, ist eine interessante, bislang unbeantwortete Forschungsfrage. Einer Fixierung z. B. in Phase II, die einer generellen Abstumpfung mit „frozen states“ und psychosomatischer Symptomatik entspricht, kann ein positiver Rückkopplungskreis zwischen verzerrter Erinnerung an die traumatische Situation und Abwehr zugrunde liegen. Je unzugänglicher die Erinnerung ist, desto bedrohlicher wird sie erlebt, desto wichtiger wird zugleich die Abwehrform der Erinnerungs- und Affektvermeidung. Das therapeutische Vorgehen sollte dann gezielt auf die Unterbrechung und Auflösung solcher Regelkreise gerichtet sein.

      Eine andere Form der Stagnation im Verarbeitungszyklus kann sich daraus ergeben, dass die traumatische Situation unterschwellig fortbesteht. Dies ist bei vielen Betroffenen mit einer Victimisierungserfahrung der Fall. Unser → Verlaufsmodell der psychischen Traumatisierung geht von der Annahme aus, dass der Prozess der Traumaverarbeitung besonders in diesen Fällen auch sozialer Natur ist. Wird den Opfern nicht jene Anerkennung und Unterstützung zuteil, die von ihrem Gerechtigkeitsempfinden her angebracht erscheint, so kann sich das erschütterte Selbst- und Weltverständnis nicht regenerieren. Das Trauma bleibt „unfasslich“. Die Betroffenen fühlen sich fremd in einer sozialen Welt, die das Unrecht, das ihnen widerfuhr als solches nicht anerkennt. Auch durch – äußerlich betrachtet – geringe „Dosen“ von Retraumatisierung kann der Erholungsprozess unterbrochen werden. Die Betroffenen verlieren dann die Hoffnung auf einen relativen Abschluss des Verarbeitungszyklus und eine Restitution ihres erschütterten Weltverständnisses. In diesem Falle geht die traumatische Reaktion, entsprechend unserem Verlaufsmodell der psychischen Traumatisierung, in die dritte Phase über, den traumatischen Prozess (im Folgenden Kapitel).

      Allgemein sind 3 unterschiedliche Ausgänge der postexpositorischen Reaktion denkbar: A) deren Abschluss im Sinne der „completion-tendency“, B) vorzeitige Unterbrechung des Verarbeitungsprozesses oder C) chronisches Fortbestehen der traumatischen Reaktion. Im ersten Fall ist es der Persönlichkeit gelungen, die traumatische Erfahrung mit ihrem Selbst- und Weltverständnis in Einklang zu bringen. Es besteht keine Neigung mehr, in unrealistischer Weise Schuld zuzuschreiben oder eine Wiederkehr des Traumas zu erwarten. Es bestehen keine Erinnerungsverzerrungen oder Abwehrprozesse. Reizkonstellationen, die an das Trauma erinnern oder traumabezogene Stimmungslagen können zugelassen und in ihrer Bedeutung erkannt werden. Personen, die ihre traumatische Erfahrung erfolgreich durchgearbeitet haben, sprechen mit adäquatem Affekt (z. B. Empörung) von den Erlebnissen und sind in der Lage, einen vollständigen Bericht zu geben.

      Personen (B), die den Verarbeitungsprozess vorzeitig unterbrechen, zeigen zwar nach einiger Zeit keine Symptome mehr, bleiben aber untergründig mit der traumatischen Erfahrung beschäftigt. Sie zeigen Erinnerungsverzerrungen und reagieren auf traumabezogene Reizkonstellationen mit Schrecken und intensivem Vermeidungsverhalten. Eine erhöhte Somatisierungsneigung ist charakteristisch. Zu den disponierenden Faktoren gehören u. a. eine verstärkte Tendenz zu Verleugnung und Verdrängung, eine unrealistisch optimistische Weltsicht (Myers u. Brewin 1994; 1995) sowie ausgeprägte dissoziative Neigungen. In Abhängigkeit von sehr unterschiedlichen traumatischen Situationen und dem Lebensalter bei der traumatischen Erfahrung ergeben sich zahlreiche „vorzeitig beendete“ Verläufe und entsprechende Varianten des traumatischen Prozesses, den wir im Folgenden Abschnitt näher untersuchen werden.

      Chronisches Fortbestehen der traumatischen Reaktion (C) ist vor allem nach Extremtraumatisierung zu beobachten und entspricht dem chronischen und dem → komplexen PTBS.

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